Das Kieler Auktionshaus Schramm setzt Anfang Juni die Auflösung einer hochkarätigen Privatsammlung fort. Zur Versteigerung kommen exzellent erhaltene Schriften zwischen Aufklärung und Vormärz, darunter wahre Raritäten. Mit Spannung erwartet wird ebenfalls der Aufruf von Autographen Max Brods. Um seinen Nachlass rankte sich ein ewig langer Rechtsstreit.Um der Verfolgung durch Nationalsozialisten zu entgehen, floh Max Brod 1939 nach Palästina. Nach seinem Tod gingen Tausende literaturhistorisch bedeutsamer Dokumente an seine Lebensgefährtin. Als seine ehemalige Sekretärin wusste sie um deren Wert. Brod war nicht nur engster Freund Franz Kafkas gewesen, sondern zu Lebzeiten schon als Schriftsteller, Musiker und Komponist anerkannt und in der europäischen Kulturszene bestens vernetzt. Einzelstücke dieses Nachlasses verkaufte Esther Hoffe. Den Großteil verwahrte sie. Zuletzt setzte die israelische Nationalbibliothek ihren Anspruch darauf gerichtlich durch. Brods Nachlass gilt als national wertvolles Kulturgut. Als bei Schramm vor einem Jahr schon einmal Briefe Brods versteigert wurden, sorgte das für Aufsehen in der Presse. Nun kommen weitere fünfzig Autographen zum Aufruf. Unter ihnen befinden sich eigenhändig von Max Brod verfasste Manuskripte für Essays und "Wurstartikel" – so in Los 504, einem Brief an Felix Weltsch. Andere Lose beziehen sich auf handschriftliche Blätter mit Erzählungen und Gedichten sowie Postkarten und Briefe von oder an ihn wie der von Thomas Mann im Jahr 1932.
Fortgesetzt wird auch der Verkauf einer Sammlung von Literatur des 16. bis 19. Jahrhunderts. Sie verrät die Kennerschaft ihres Vorbesitzers und ist in mehrfacher Hinsicht wertvoll. Mit der Erstausgabe von Brentanos Märchen besaß dieser nicht nur eines der schönsten Bücher der romantischen Schule. Er wusste auch von Kuriositäten. Losnummer 305 zum Beispiel: "Nicolai Klims Unterirdische Reise". Im Original heißt der Held Niels. Da die dänische Zensur Ludwig Holbergs Roman jedoch lange blockierte, folgte die deutsche Erstausgabe 1741 einer lateinischen Fassung. Interessant ist auch der Roman "The life of John Buncle" des Iren Thomas Amory. Seine deutsche Übersetzung erschien 1778 erstmals in Berlin bei Nicolai. Der als exzentrisch geltende Autor liefert darin einige, seine Zeitgenossen verstörende Ansichten. So berichtet er von einer Hausgemeinschaft, in der er zehn gebildete, junge Damen antraf: "Sie konnten nicht bloß addieren, sondern waren auch in der dezimal Bruchrechnung recht fertig". Uns bringt das nicht aus der Ruhe. Wieland aber tobte öffentlich über das "schale, platte und sinnenlose Machwerk". Goethes Mutter sprang ihm bei: "Bunkel wird immer und in Ewigkeit ein abscheuliches Buch sein". Daraufhin muss dem aufklärerisch veranlagten Verleger Nicolai wohl der Kragen geplatzt sein. Er verfasst eine scharfe Gegenschrift und überwarf sich später noch mit weiteren Literaten von Rang.
Der gesamte Vormittag ist für Bücher reserviert. Eine eigene Gruppe bilden vierzig Bände mit Karikaturen. Sie beginnt bei Los 315, dem Querfolio eines englischen Verlages aus dem frühen 19. Jahrhundert mit zahlreichen kolorierten Kupfertafeln. Wertvollstes Stück ist Los 320. Es umfasst die nahezu vollständige Folge aller Jahrgänge von "London und Paris" ab 1789. Diese kulturhistorisch interessante Zeitschrift enthält zahlreiche Karikaturen. Ihr Schätzwert liegt bei 4.000 Euro. "Wer kann, der kann" galt selbst bei ihrem Erscheinen nicht mehr als origineller Ausspruch. Tatsächlich ist das Sprichwort über 400 Jahre alt. Es ist eines von 20.000 in "Der Teutschen Weissheit". Das frühbarocke Nachschlagewerk trägt die Losnummer 378. Passen tut der lapidare Satz noch, vor allem mit Blick auf Kunst. Bei Los 709 erhebt sich ein Blumenkohl gegen die Dingwelt. Mit diesem Stillleben von Michael Arp sowie rund 60 Werken anderer norddeutscher und dänischer Künstler endet dann die Auktion.
Besichtigung3. bis 5. JuniVon 9:30 Uhr bis 18:00 UhrOder nach vorheriger Absprache
Buch- und Kunstantiquariat Daniel Schramm