Gerhard Goder: Skulptur "Conchita Wurst auf der Mondsichel", 2014. © Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen / Ute Franz-Scarciglia Gerhard Goder: Skulptur "Conchita Wurst auf der Mondsichel", 2014. © Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen / Ute Franz-Scarciglia - Mit freundlicher Genehmigung von: smbspkberlin

Was: Ausstellung

Wann: 11.05.2015

Anlässlich des Motzstraßenfestes und des Berliner Christopher Street Days wird ab dem 18. Juni 2015 im aktuellen Schaufenster des Museums Europäischer Kulturen die neuerworbene Skulptur „Conchita Wurst auf der Mondsichel“ ausgestellt. Das aktuelle Schaufenster ist ein wiederkehrendes Format im Museum, mit dem auf aktuelle Themen mit Relevanz für das Haus und seine Sammlung…
Anlässlich des Motzstraßenfestes und des Berliner Christopher Street Days wird ab dem 18. Juni 2015 im aktuellen Schaufenster des Museums Europäischer Kulturen die neuerworbene Skulptur „Conchita Wurst auf der Mondsichel“ ausgestellt. Das aktuelle Schaufenster ist ein wiederkehrendes Format im Museum, mit dem auf aktuelle Themen mit Relevanz für das Haus und seine Sammlung Bezug genommen wird. Die nun ausgestellte fast lebensgroße Holzskulptur wurde von dem in Berlin lebenden Künstler Gerhard Goder angefertigt und zeigt die Kunstfigur Conchita Wurst auf einer Mondsichel. Inspiriert wurde Goder von dem unerwarteten Sieg des Travestiekünstlers Thomas Neuwirth, alias Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest 2014 in Kopenhagen. Goder betrachtet sein Werk als Zeitdokument, mit dem er aktuelle und herausfordernde Diskussionen in der Gesellschaft festhalten wollte.

Für Elisabeth Tietmeyer, Direktorin des Museums Europäischer Kulturen der Staatlichen Museen zu Berlin steht die Skulptur nicht nur für Toleranz und Akzeptanz anderer Lebensweisen, sondern zeigt durch die Bildbezüge zu traditionellen Formen des Religiösen auch Zusammenhänge zu der historischen Sammlung des Museums, beispielsweise zu der Madonna auf der Mondsichel. „Der Erwerbung der Skulptur kann für das Museum Europäischer Kulturen als museologische Intervention verstanden werden. Im Gewand der Tradition regt die Plastik zur Reflexion von Lebenswelten in der europäischen Gesellschaft und zum Verständnis neuer Kulturphänomene ein“, so Elisabeth Tietmeyer.

Der österreichische und in Berlin lebende Künstler Gerhard Goder ist bekannt für seine märchenhaften und religiös konnotierten Holzskulpturen. Die Aussage Conchita Wursts, sie sei ein schöner Mann und eine schöne Frau in einer Person und das Publikum die sie anstrahlende Sonne, hielt Goder in der androgyn aussehenden Skulptur fest. Die Figur steht auf einer Mondsichel, deren Basis Goder als „Welt“ bezeichnet. Die Plastik ist an traditionelle Formen des Religiösen, insbesondere der katholischen Heiligendarstellungen, angelehnt. Die Skulptur weist auffallende Parallelen – langes, dunkles Haar, Bart, langes Gewand, weiche Gesichtszüge – zu neuen Darstellungen der Jesusfigur in Form eines Gnadenbildes auf. Dieser Jesustypus hat in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Kirchen Mittel- und Südeuropas eine weitverbreitete Verehrung gefunden. Neben diesen äußeren figürlichen Ähnlichkeiten ist mit dem Stand der Gestalt auf einer Sichelform eine deutliche ikonografische Parallele zu den sogenannten Mondsichelmadonnen zu erkennen. Hierbei handelt es sich um einen für das 16. Jahrhundert prägnanten christlichen Bildtypus, der die Muttergottes mit dem Jesuskind im Arm auf einer Mondsichel stehend zeigt und bis heute in der Frömmigkeitskultur katholischer Regionen zu finden ist. Die Skulptur in der Museumssammlung Gerhard Goders Skulptur passt aus unterschiedlichen Gründen in das Sammlungskonzept des Museums: Sie stellt, wie der Künstler selbst sagt, ein Zeitdokument dar und erfüllt damit den gegenwartsorientierten Anspruch des Museums. Zudem steht sie ikonografisch ganz in der Linie vieler Jesus- und Mariendarstellungen des Sammlungsbereiches zur traditionellen Frömmigkeitskultur in Vergangenheit und Gegenwart. Die Plastik stellt sich mit ihrem bewussten oder unbewussten Zitat traditioneller Gestaltungsmuster in dieses historische Feld der Frömmigkeit, auch wenn Conchita Wurst selbst – das gab für ihren Sieg auch den Ausschlag – für die Freiheit der Andersdenkenden in den europäischen Gesellschaften sang.

Des Weiteren stellt die Skulptur ein überaus gelungenes Beispiel der Verbindung von historisch-religösen Topoi mit gegenwärtigen alltagskulturellen Themen basierend auf künstlerisch-handwerklichem Können dar. Das Werk reflektiert zudem die plurale Gesellschaft, die heute mehr denn je aus Menschen bzw. Gemeinschaften unterschiedlicher Kultur, Herkunft, Bekenntnisse, Hautfarbe, sexueller Orientierung etc. besteht.

Das Museum Europäischer Kulturen sieht eine seiner Aufgaben darin, diesen unterschiedlichen Interessensgruppen ein Forum und einen Ort zur Selbstvergewisserung zu bieten – dies gilt im Fall der Skulptur insbesondere für die LGBT*-Commmunities, die zudem einen hohen Fananteil beim Eurovision Song Contest haben.

 

Tags: Gerhard Goder, Kunst, Skulpturen

So 11:00 - 18:00Mo geschlossenDi 10:00 - 17:00Mi 10:00 - 17:00Do 10:00 - 17:00Fr 10:00 - 17:00Sa 11:00 - 18:00
Bereichskarte Dahlem8,00 EUR ermäßigt 4,00Onlineshop: 7,00 EUR ermäßigt 3,50
Lansstraße 8 / Arnimallee 2514195 Berlin