Bereits im 19. Jahrhundert begannen Künstler in England und Frankreich, die Motve ihrer Malerei langsam vom Gegenstand zu lösen, indem sie ihren Fokus auf die Reduzierung von Natureindrücken legten. Dieser Weg führte in den daraufolgenden Jahrzehnten durch immer weitere Abstrahierung des Inhalts mehr und mehr hin zur reinen Abstrakton, die dann im frühen 20. Jahrhundert von der europäischen Avantgarde zum Kunstwerk erklärt wurde.Sebastan Gumpinger hat sich in seiner Malerei für die entgegengesetzte Richtung entschieden: Ausgehend von der Entwicklung in der Kunstgeschichte sucht er in seiner Arbeit viel eher nach dem Gegenständlichen in der Abstrakton. So ist es in erster Linie sein Material, das den in Berlin und München lebenden Künstler zu seinen Ergebnissen führt. In seiner Malerei erforscht Gumpinger das Verhalten seines Materials. Er zwingt es nicht in eine bestmmte Richtung, sondern nutzt vielmehr verschiedenste Techniken, um eine gewisse Entwicklung in Gang zu setzen oder sie zu beeinfussen. Der einzige Grundsatz den er dabei verfolgt ist der, niemals den Pinsel auf die Leinwand zu bringen.
Bei Gumpinger stehen weniger der Akt des Malens oder der Inhalt der Malerei im Vordergrund; sein Interesse gilt hauptsächlich dem Material, mit dem er arbeitet. So kommen mit Acrylfarbe, Pigmenten und Oxidatonsmitel unterschiedlichste Materialien, welche mit verschiedenen Techniken und Prozessen von Gumpinger auf den Bildträger gebracht werden, zum Einsatz. Inspiraton fndet der 1977 in Hannover geborene Künstler besonders in Objekten, an denen man die Zeit ablesen kann: Ob die abgeplatzten Wände eines alten Gebäudes, welche die darunterliegenden Schichten zum Vorschein bringen oder Objekte, die bereits mit Rost oder Patna überzogen sind, ihnen allen spricht Gumpinger durch die Betonung ihres Alters eine Art Seele oder Eigenleben zu. Und genau mit diesen Geschichten, mit Zeit, möchte Sebastan Gumpinger auch seine Arbeiten aufaden.
In seinen Stahlarbeiten beschleunigt er hierfür den „Alterungsprozess“, indem er mit Oxidatonsmitel arbeitet. Dabei lässt Gumpinger den Stahl künstlich oxidieren und mischt im Laufe dieses Prozesses Farbpigmente unter. Auf diese Weise trefen in dieser Werkgruppe Malerei und chemische Reakton aufeinander und kreieren mit ihrem subtlen Widerspruch von bewusstem Verfall und der gleichzeitig malerisch-ästhetschen Wirkung der Bilder ein faszinierendes, organisch anmutendes Zusammenspiel.
Auch bei Gumpingers Leinwandarbeiten der Serie der „Kachel- oder Fensterbilder“ fndet sich diese Thematk der „Seele“ eines Objektes wieder. Hier lagert er mitels eines Abklatschverfahrens mit Papier, immer wieder und für jedes Feld einzeln, schichtweise Acrylfarbe übereinander und lässt so dadurch Farbinseln entstehen. An ihnen lassen sich dann, ähnlich der Zeitringe bei Bäumen, die verschiedenen Bildebenen und Schichten ablesen.
Diese Betonung der einzelnen Schichten ist ebenfalls charakteristsches Merkmal seiner „Giterbildern“. Der formalen Untersuchung des Giters widmet sich Gumpinger schon seit einigen Jahren. Dabei steht besonders das Verhalten der Farbe im Fokus, die Gumpinger hier in vielen Schichten vertkal und horizontal über die Leinwand fießen lässt. In diesen Arbeiten fndet die Farbe, lediglich vom Künstler angeregt, selbst ihren Weg auf der Leinwand, wodurch der Künstler den Gedanken aufzeigt, dass Farbe nicht nur etwas darstellen kann, sondern eben auch schon etwas Eigenes ist.
Indem Sebastan Gumpinger in seiner Malerei eine eigene, ihm vom Material angebotene Formensprache entwickelt und diese für sich sprechen lässt, löst er sich in gewisser Weise von der kunstgeschichtlichen Traditon und deren altbewährten Formen und Motven. Als junger abstrakter Künstler zeigt Gumpinger dabei auf, wie spannend eine künstlerische Positon sein kann, die sich in ihrem Entstehungsprozess völlig von der Figuraton loslöst und dem Material die Überhand gibt. Seine Malerei ist somit nicht das Ergebnis der Reduzierung von etwas Gegenständlichem, sondern kann vielmehr als eine Annährung an das Figuratve aus der reinen Abstrakton heraus gesehen werden. ( Text von Tobias Bednarz )