Die kleine Inselgruppe Murano gilt seit Jahrhunderten als Inbegriff für außergewöhnliche Glaskreationen und Glasmacherkunst auf höchstem Niveau. Das Bröhan-Museum widmet sich mit der Ausstellung „Colori di Murano. Moderne Glaskunst aus Italien“ nicht nur dem außerordentlich großen Varianten-reichtum der venezianischen Glaskunst im 20. Jahrhundert, sondern gewährt auch Einblick in den Entwurfs- und Produktionsprozess der Objekte.Die Geschichte Muranos ist wechselvoll und untrennbar mit der lokalen Glasherstellung verbunden.Aus Brandschutzgründen und um das Geheimnis der Glasherstellung zu bewahren, wurden die venezianischen Glasöfen 1295 auf die Laguneninsel verlegt. In der Folge konnte sich ein einzigartiger künstlerischer Kosmos entwickeln. Murano erlebte Blütezeiten und Phasen des Niedergangs. Im 18. Jahrhundert verloren die Manufakturen der Insel ihre Vormachtstellung an Glashütten nördlich der Alpen und konnten erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder international Fuß fassen. In diese Zeit fällt nicht nur die Gründung der ältesten noch heute existierenden Manufaktur der Fratelli Toso, sondern auch die Wiederentdeckung des „Vetro mosaico“, des sogenannten Murrinenglases, das nun zu einer nie gekannten Blüte geführt wurde.In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurden mit Venini und Arte Vetraria Muranese, kurz A.Ve.M., zwei weitere visionäre Manufakturen auf Murano gegründet. Neue Impulse gingen dabei vor allem von Paolo Venini und Giacomo Cappelin aus, die mit ihrem künstlerischen Leiter Vittorio Zecchin einfarbige Glasobjekte mit klaren Linien produzierten. Der Verzicht auf Kaltveredelungstechniken wie Schliff, Gravur oder Bemalung und die Konzentration auf schnörkellos-elegante Formen verhalfen Murano in den 1920er Jahren zu neuem Ansehen. Bereits ein Jahrzehnt später entsprachen die Entwürfe der 1920er Jahre nicht mehr dem Zeitgeist, auch auf Murano wurden nun vielfach dickwandige Gläser mit eingeschlossenem Dekor hergestellt. In den 1950er Jahren setzte eine kreative Hochphase ein. Es wurden zunächst organische Formen, später auch Einflüsse des Expressionismus und der Abstrakten Moderne aufgegriffen. Protagonisten der Studioglasbewegung wie die Amerikaner Dale Chihuly, Stephen Rolfe Powell und Robin Mix entwarfen seit den 1960er Jahren für verschiedene Glas-manufakturen der Insel. Aber auch Künstler und Gestalter anderer Fachrichtungen haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf Murano gearbeitet und zusammen mit den erfahrenen, seit Generationen dort ansässigen Glasmachermeistern außergewöhnliche Werke geschaffen. So zum Beispiel der japanische Designer Yoichi Ohira, dessen Glaskreationen für Anfora sich durch klare Linien und eine intensive Farbigkeit auszeichnen.
Die Ausstellung präsentiert etwa 220 Glasobjekte, darunter frühe, seriell gefertigte Murrinengläser der Fratelli Toso, Vasen Fulvio Bianconis aus den 1950er Jahren und großformatige Studioglasobjekte wie Powells 1994 entstandene Vase „Tangerine Buns Smith“. Ermöglicht wird die Schau durch die herausragenden Bestände der Berliner Sammlung Holz. Lutz H. Holz ist es binnen zehn Jahren gelungen, eine Glassammlung von internationaler Bedeutung zusammenzutragen, zu der auch seltene Archivalien wie Entwurfszeichnungen und historische Fotografien gehören. Teile der Kollektion waren bereits in Venedig, Düsseldorf, Zürich und München zu sehen. Mit der Ausstellung im Bröhan-Museum wird die Sammlung Holz erstmals in ihrer Heimatstadt Berlin vorgestellt.
Parallel zur Ausstellung im Bröhan-Museum zeigt das Italienische Kulturinstitut Berlin die Schau „Glaskunst aus Murano. Meisterstücke aus der Sammlung Holz“ (15.7.-23.9.2016) mit weiteren Objekten aus der Sammlung.