Mit der Personale des chilenischen Künstlers, der derzeit in Los Angeles lebt und arbeitet, setzt die Galeristin Lisa Kandlhofer einen für ihr künftiges Programm wichtigen Schwerpunkt, auch immer wieder lateinamerikanische Kunst zu präsentieren. „Während der Messe in Sao Paolo habe ich einen dynamischen und starken Kunstmarkt kennengelernt. Mich interessiert es besonders junge Künstler und Künstlerinnen nach Wien zu bringen, die hier noch nie gezeigt wurden. Für 2017 ist bereits eine Gruppenausstellung in Planung“, so die Galeristin über ihr aktuelles Programm, mit dem sie Neues wagt und die österreichische Galerienszene um einen wesentlichen internationalen Aspekt erweitert. Künstler Lateinamerikas waren bereits in der Auftakt-Ausstellung „If Walls Are Trembling“ prominent vertreten. Neben dem peruanischen Künstler Pier Stockholm, der auch zu Lisa Kandlhofers Programm zählt, waren auch Werke des Kolumbianers Andrés Ramirez Gaviria und des argentinischen Künstlers Martín Vitaliti zu sehen.
Die Ausstellung: „Landmark“Text von Sabrina MöllerIn den Werken von Rodrigo Valenzuela trifft die Einöde amerikanischer Landschaften auf ökonomische Ruinen; und die Realität der Arbeiterklasse auf das Scheitern des Amerikanischen Traums.
Es klingt fast zu schön um wahr zu sein: In den USA wird Bauland verschenkt. Wer den Traum vom Eigenheim schon längst begraben hatte, wer nicht 25 Jahre lang einen viel zu hohen Kredit abstottern möchte, für den mag das nach der Erfüllung des Amerikanischen Traums klingen. Vom Nichts zum Eigenheim. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn das Bauland wird nicht in der Nähe der Hamptons oder der Hollywood Hills vergeben, sondern in populationsarmen Gegenden. Und das bedeutet übersetzt: Mitten in der Einöde. Was treibt Menschen dennoch an, in diese Regionen zu ziehen? Und was bleibt, wenn diese neu erschaffenen, künstlich beschleunigten Infrastrukturen scheitern?
Für Rodrigo Valenzuela scheint die Antwort klar: Es ist der Drang nach Besitz — und danach, seinen Besitz zu demonstrieren. Auf seinen oft tagelangen Autofahrten von Chile über Mexiko bis in weite Teile der USA hinein, begegnet er immer wieder leerstehenden Architekturen, Symbolen, Schildern oder Zäunen, die den Besitz des Landes markieren. Menschen wohnen hier meist nicht (mehr). Die Malereien von Valenzuela werden zu einem fast schon ironischen Verweis auf das Scheitern des Amerikanischen Traums, auf das Scheitern neuer Infrastrukturen. Die Fotografien, die auf seinen Reisen durch das Land entstehen, entleert er zunehmend, bis sie zu fiktiven Orten werden. Die (künstliche) Einöde wird fotokopiert und vom Papier auf die Leinwand übertragen. Erst die malerischen, geometrischen Strukturen auf der Leinwand deuten die Markierung des Besitzes an. Hier, mitten im Nirgendwo, wird das Gerüst — als minimale Geste der Architektur — zu einem Symbol für die (ökonomischen) Ruinen unserer Gegenwart. Anders als in Rom, vermögen diese Ruinen nicht Jahrtausende kultureller Menschheitsgeschichte zu rekonstruieren. Und dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, assoziieren wir mit ihnen nicht die Schönheit, die den Überresten von Burgen oder Schlössern eingeschrieben ist. Ob ökonomische Krisen, Naturkatastrophen oder Krieg: Die Ruine der Gegenwart ist vom Schmerz geprägt. Wie auch die tagtägliche Berichterstattung. Man könnte fast meinen, dass die Welt ein schlechterer Ort geworden ist. But the good news are: Wir fühlen uns einfach nur durch deprimierende, schlechte Nachrichten angezogen. Warum nur?
„Hedonic Reversal“ ist ein Begriff für einen psychologischen Zustand, in dem man aktiv nach Schmerz und Traurigkeit strebt — und der Titel einer Fotoserie von Valenzuela, in der er die Ruine von ihren Geschichten und Emotionen löst. Welche ästhetische Dimension transportiert eine Ruine, die nie etwas anderes sein sollte, als eine Ruine? Ein Überrest, der sich durch Geschichts- und Ortlosigkeit sowie intendierte Temporalität charakterisiert?
In seinem Atelier erbaut Valenzuela die künstlichen Ruinen — bestehend aus neuen Baumaterialien sowie alten Stuckelementen. Es folgt ein langwieriger Arbeitsprozess: Die Installationen werden fotografiert, als Fotografie neu in das „Filmset“ integriert und erneut fotografiert. Die Überlagerung verschiedener fotografischer Ebenen im Raum prägt das Ergebnis durch die Prozesshaftigkeit und den Fluss der Zeit. Dennoch sind die Werke frei von Schmerz; in der Schwebe zwischen Verfall und futuristischen Neubau. Es sind diese Arbeitsprozesse, die einen Verweis auf die eigene Geschichte von Valenzuela liefern: auf seine Immigration in die USA. Auf den komplizierten, von der Bürokratie gekennzeichneten Prozess, auf den das Medium der Fotokopie in seinen Malereien verweist. Auf seine jahrelange Tätigkeit im Baugewerbe, direkt nach seiner Einreise.
Valenzuela, der aus einer Arbeiterfamilie in Chile stammt, hinterfragt die Wahrnehmung der Arbeiterklasse in den USA kritisch. In seiner eigens produzierte Telenovela „Maria TV“ räumt er mit den von den Medien projizierte Rollen lateinamerikanischer Dienstmädchen und Nannies auf. „Maria TV“ ist Dokumentation und Fiktion zugleich. Traum und Realität treffen aufeinander. Die realen Geschichten der Akteurinnen treffen auf die Drehbücher amerikanischer Soaps. Sie räumen mit konstruierten Klischees und den fiktiven, teils aufregenden Alltagsgeschichte auf. Vom Dienstmädchen zum It-Girl? Vom Tellerwäscher zum Millionär? Manche Geschichten à la Hollywood bleiben eben doch bis heute wie eine Art kollektives Traumszenario künstlich am Leben erhalten. Selbst, wenn uns die Realität längst eines Besseren belehrt hat.
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