twen, Nr. 12, 1966, Fotografie: Sam Haskins, Grafik: Willy Fleckhaus, © Foto: Carsten Wolff, Fine German Design, Frankfurt am Main twen, Nr. 12, 1966, Fotografie: Sam Haskins, Grafik: Willy Fleckhaus, © Foto: Carsten Wolff, Fine German Design, Frankfurt am Main - Mit freundlicher Genehmigung von: findart

Was: Ausstellung

Wann: 20.01.2017 - 07.05.2017

Selten gehören Gestalter von Zeitschriften zu den Stars der Szene. Der Layouter steht eher im Hintergrund, man findet seinen Namen in keiner Copyright-Zeile, und er ist allenfalls Eingeweihten ein Begriff. Willy Fleckhaus (1925-1983) stellt diese Regeln auf den Kopf. Er zählt zu den stilbildenden Zeitschriften- und Buchgestaltern der fünfziger bis achtziger Jahre.…
Selten gehören Gestalter von Zeitschriften zu den Stars der Szene. Der Layouter steht eher im Hintergrund, man findet seinen Namen in keiner Copyright-Zeile, und er ist allenfalls Eingeweihten ein Begriff. Willy Fleckhaus (1925-1983) stellt diese Regeln auf den Kopf. Er zählt zu den stilbildenden Zeitschriften- und Buchgestaltern der fünfziger bis achtziger Jahre. International bekannt wird er durch sein bahnbrechendes Design der Lifestyle-Zeitschrift Twen, die durch ihre großzügige Gestaltung, moderne Typografie und Fotografie mehrere Generationen prägt. Dabei arbeitet Fleckhaus mit bedeutenden Fotografen zusammen, darunter Will McBride, Charlotte March oder Ulrich Mack. Nicht ohne Grund nannte man ihn den „teuersten Bleistift Deutschlands“. Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) zeigt eine umfassende Retrospektive mit über 350 Exponaten, darunter Abbildungen aus der Zeitschrift Twen, zahlreiche Fotografien, die als Vorlagen dienten, Arbeiten für Suhrkamp und andere Verlage und rund 50 Magazine der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Konkret verbinden sich mit dem Namen Willy Fleckhaus neben dem Jugendmagazin Twen die Illustrierte Quick (in ihren guten Jahren) oder das Supplement der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (ab 1980), Buchreihen wie die in den Farben des Regenbogens gehaltene Edition Suhrkamp, Ausstellungen zur Kölner Photokina oder das Erscheinungsbild des WDR.

Willy FleckhausWilly Fleckhaus stammt aus Velbert nahe Düsseldorf. Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt der 20-Jährige eine Laufbahn als Journalist, schreibt für katholische Verbandszeitschriften und wird 1951 Mitarbeiter des Aufwärts, der in Köln erscheinenden Jugendzeitschrift des DGB. Im folgenden Jahr übernimmt er die Gestaltung dieser Zeitung und verwandelt sie in kurzer Zeit in ein attraktiv illustriertes Magazin. 1956 entwickelt Fleckhaus das Konzept der quadratischen Kataloge für die Photokina, der internationalen Fachmesse für Fotografie. 1974 tritt Fleckhaus eine Professur an der renommierten Folkwangschule in Essen an, 1980 wechselt er an die Bergische Universität Wuppertal und lehrt dort bis zu seinem Tod Typografie im Fachbereich Kommunikationsdesign.

1959 ist ein entscheidendes Jahr für Fleckhaus: Er übernimmt die Gestaltung der Zeitschrift Student im Bild, einem von dem Kölner Verleger Adolph Theobald herausgegebenen Jugendmagazin. Im April erscheint eine Sondernummer der Zeitschrift unter dem Namen Twen. Fleckhaus ist für die Bildredaktion und Gestaltung zuständig. Im selben Jahr lernt er Siegfried Unseld kennen, den Leiter des Suhrkamp Verlages und gestaltete die vornehm zurückhaltende Reihe der Bibliothek Suhrkamp. Twen erscheint ab 1960 zunächst zweimonatlich, ab Mai 1961 für elf Jahre monatlich. Adolph Theobald gibt die Zeitschrift gemeinsam mit dem Verleger Stefan Wolf heraus. Willy Fleckhaus ist der dritte im Bunde. Er verantwortet die Bildredaktion und Gestaltung und übernimmt zeitweise auch die Chefredaktion. Als Twen im Mai 1971 eingestellt wird, hat die Zeitschrift fünfmal den Verlag gewechselt und zuletzt einen Großteil der Leser verloren.

1974 übernimmt Willy Fleckhaus die Professur für Typografie an der Wuppertaler Hochschule für Gestaltung. Hier entdeckt er im Fachbereich Kommunikationsdesign, neben so bedeutenden Kollegen wie Bazon Brock oder Uwe Loesch, seine Leidenschaft für die Lehre. 1980 wird Fleckhaus noch einmal gebeten, ein neues Magazin zu konzipieren: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung will, nach dem Vorbild der Zeit, ebenfalls einmal wöchentlich eine farbig illustrierte Beilage herausgeben. Hier kann Fleckhaus Ideen von Twen aufgreifen und weiterentwickeln.

TwenOptisch ist die Zeitschrift geprägt durch aufwändige Fotostrecken und das ambitionierte Layout von Fleckhaus. Es trägt wesentlich zum Erfolg der Zeitschrift bei und genießt bis heute einen nahezu legendären Ruf. Das Heft hat den „hohen Ehrgeiz, in Bild, Typographie und Layout ähnlich stilbildend zu wirken, wie Ende des 19. Jahrhunderts die Münchner Zeitschrift Jugend“, Adolph Theobald. Inhaltlich geht es vor allem um Lifestyle-Themen wie Mode, Musik und Urlaub, um Sexualität und Partnerschaft, aber auch um kulturelle Fragen. Film-, Buch- und Schallplattenkritiken haben von Anfang an einen festen Platz. In Twen erscheinen bereits in den frühen 1960er Jahren Artikel, die eine Enttabuisierung von vorehelichem Sex sowie von Homosexualität befürworten. In der damaligen Bundesrepublik gehört die Zeitschrift zu den Vorreitern der sexuellen Revolution der Sechziger Jahre und gilt noch heute als Paradebeispiel der deutschen Popkultur.

Auch mit politischen Themen wie der von der Mehrheit der Westdeutschen verdrängten NS-Vergangenheit oder der Studentenbewegung beschäftigen sich die Twen-Autoren regelmäßig. Es gibt dabei eine linksliberale Grundtendenz: Teilweise schreiben dieselben Autoren auch für Zeitschriften wie Konkret und Pardon. In mancherlei Hinsicht spielt Twen eine Mittlerrolle zwischen dem dezidiert politischen Umfeld der APO (Außerparlamentarische Opposition) sowie der Studentenbewegung der 1968-Jahre und einem aufgeschlossenen, jugendlich eingestellten Bürgertum.

Konzipiert ist das Heft entsprechend des Titels für die Generation der Zwanzigjährigen. Wie die Jugend der Sechziger Jahre gilt es als „peppig und provokativ.“ Für das Frauenbild der Zeit sind die Fotos des bei München lebenden Amerikaners Will McBride prägend. Er zeigt keine Glamourbilder. Seine Frauen sehen aus wie Studentinnen im Hörsaal oder werden als lebensfrohe und unbeschwerte Gestalten außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft stilisiert. McBride verwendet oft extreme Perspektiven und vielfach gelingen ihm Bildideen, die immer wieder nachgeahmt werden. Zum bekanntesten Twen-Model dieser Zeit wird die Münchnerin Uschi Obermaier. Auch wenn häufig über Stars aus Kultur und Politik berichtet wird, habe Twen „nicht mit Idolen“ gehandelt, sondern mit „Idealen“, sagt Theobald im Rückblick über sein Blatt.

Die AusstellungVon den drei Schwerpunkten der Ausstellung steht die Zeitschrift Twen eindeutig im Vordergrund. Ein großes und entscheidendes Gewicht liegt dabei auf originalen Fotografien, oft ganzen Strecken, aus denen Fleckhaus seine Bildreihen zusammenstellt. In großen Aufnahmen zu sehen sind Stars wie Juliette Greco, Tina Turner, Jean Paul Belmondo oder Mick Jagger. Viele große Fotografen der Zeit sind vertreten, allen voran Will McBride, aber auch Richard Avedon mit seinen Porträts oder Ulrich Mack mit seiner berühmten Pferdeserie. Zu den gezeigten Illustratoren zählen herausragende Amerikaner wie Ben Shahn, der eine Reihe der frühen Titelillustrationen liefert, und Heinz Edelmann mit seinen poppigen Beatles, die in Yellow Submarine die Welt in einen psychedelischen Farbschleier tauchen. Eine große Rolle spielen auch Fleckhaus‘ Arbeiten für Suhrkamp und andere Verlage. 1959 konzipiert er die Bibliothek Suhrkamp mit schlichter Typografie auf weißem Grund und einem zurückhaltend umlaufenden Farbstreifen. Ab 1963 erscheint die Edition Suhrkamp in jeweils einfarbigen Taschenbuchbänden, deren Buchrücken jedoch, in korrekter Erscheinungsfolge aufgestellt, einmal durch das Farbenspektrum wandern. Nach 48 Bänden beginnt der Regenbogen von neuem. Es folgen weitere Taschenbuch-Reihen, unter anderem auch für den Insel-Verlag. Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung ist die Person Fleckhaus selbst. In der gesamten Ausstellung ist er mit Zitaten, Fotos, Skizzen und persönlichen Erinnerungsstücken präsent.

Einen optisch überraschenden und abschließenden Höhepunkt bilden die schwarz umrandeten Hefte für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Erneut finden sich hier eindrucksvolle Porträtfotografien und ein Bildjournalismus voller Originalität und Klarheit. Fleckhaus‘ Umgang mit Bildausschnitten und mehr noch seine Motivwahl sind freier und unabhängiger geworden und verleihen den äußerlich unscheinbaren Heften einen bleibenden Wert.

Die umfangreiche Ausstellung wurde von dem Sammler und Kenner Hans-Michael Koetzle in Zusammenarbeit mit dem Museum für Angewandte Kunst in Köln und dem Museum Villa Stuck in München erarbeitet.

Quick, Nr. 15, 1963, Fotografie: Will McBride, Grafik: Willy Fleckhaus, © Foto: Hans Döring Quick, Nr. 15, 1963, Fotografie: Will McBride, Grafik: Willy Fleckhaus, © Foto: Hans Döring - Mit freundlicher Genehmigung von: findart / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg Donald Barthelme „Schneewittchen“, Suhrkamp Verlag, 1968, Illustration: Osterwalder, Umschlag: Willy Fleckhaus, © Foto: Carsten Wolff, Fine German Design, Frankfurt am Main Donald Barthelme „Schneewittchen“, Suhrkamp Verlag, 1968, Illustration: Osterwalder, Umschlag: Willy Fleckhaus, © Foto: Carsten Wolff, Fine German Design, Frankfurt am Main - Mit freundlicher Genehmigung von: findart / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg twen, Nr. 6, 1969, Fotografie: Guido Mangold, Grafik: Willy Fleckhaus, © Foto: Hans Döring twen, Nr. 6, 1969, Fotografie: Guido Mangold, Grafik: Willy Fleckhaus, © Foto: Hans Döring - Mit freundlicher Genehmigung von: findart / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Tags: Druckgrafiken, Einbandkunst, Grafikdesign, Willy Fleckhaus, Zeitschriften

Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr | Eintritt: 12 € / 8 €, Do ab 17 Uhr 8 €, bis 17 J. frei