Nach dem erfolgreichen Auftakt der Debutausstellung „Eins“ in der Kunsthalle Rostock, welche einen wahren Besucherrekord verbuchte, werden die emotionsgeladenen Fotografien der Wahlberlinerin Katja Flint ab dem 30. März in der Berliner Galerie Semjon Contemporary präsentiert.Seit über 30 Jahren formt und verkörpert Flint als Schauspielerin menschliche Emotionen und Charakteristika. Nun wagt sie einen Perspektivwechsel, indem sie das Menschsein mit fotografischen Mitteln untersucht. Klassisch in Schwarz-Weiß gehalten, erinnern die Porträts an die ent- bzw. verrückte Mimik eines Francis Bacon oder an Samuel Becketts „Not I“ (1973), ohne ihren eigenen Standpunkt zu verlassen oder Stellenwert einzubüßen. „Die ungewöhnlichen Fotografien von Katja Flint sind eine Spielart des Porträts. Normalerweise setzen Künstler im Porträt auf Realismus oder eine Transformation im menschlichen Ausdruck, etwa auf Rollenspiele, und nicht auf Gefühle. In ihrem Hauptjob schlüpft Katja Flint immer wieder in neue Rollen und verkörpert andere Charaktere. Wenn sie allerdings selbst mit ihrer Kamera im heimischen Fotostudio den Part der Regisseurin, Beleuchterin und Ausstatterin übernimmt, ist sie an den unterschiedlichen Charaktereigenschaften eines Menschen, vor allem an echten menschlichen Emotionen interessiert. Kurze Regieanweisungen stehen am Anfang jeder Fotositzung, etwa: „Stell dir vor, du bist ein Tier, das bedroht wird.“ Alternativ gibt Flint dem ausgewählten Gegenüber einen Begriff von einer ziemlich langen, von ihr selbst zusammengestellten Liste zur Inspiration an die Hand, wie zum Beispiel Verwirrung, Verlorenheit, Staunen, Leichtigkeit, Transzendenz, Erwachen, Stolz, Lust, Neid oder Scham. 
Katja Flint lässt jegliches Licht im fotografischen Umraum verschwinden und exponiert einzig die Person vor ihrer Kamera mit wenig zusätzlichem Licht und vor schwarzem Fond. Der zugleich darstellende und dargestellte Mensch ist hier ebenfalls auf minimale Gesten reduziert und kaum mehr ein ganzheitliches Individuum – und doch ist paradoxerweise gerade das Individuelle im Ausdruck Bildinhalt und Ansatzpunkt für unsere Rezeption. Die mehrere Sekunden lange Belichtungszeit im abgedunkelten Raum ermöglicht Bewegungen vor der Kamera, die auf der Fotografie zur Spur werden. So wird das Gesicht verunklärt und entindividualisiert, gleichzeitig wird das Körperliche oder die Aktion in den Mittelpunkt gestellt. Denn erst aus der Bewegung folgt die fotografische Unschärfe, die wiederum Dynamik und eine psychologische Innenschau impliziert. Der sonstige Körper bleibt meist statisch und klar gezeichnet, als sei er das tragende, äußere Gerüst für das emotionale Innere.
Flints selbst formuliertes künstlerisches Ziel ist es, in der Fotografie einen malerischen Effekt zu erzielen und gleichzeitig ins Innere des Menschen zu schauen. Das geschieht diskret und vorsichtig, mit großem Einfühlungsvermögen, nie aufdringlich oder gar desavouierend. So entsteht ein Theater der Emotionen, ein Ein-Personen-Stück, realisiert auf einer Miniaturbühne. Der emotionale Ausdruck in den Fotografien Katja Flints ist hierbei existenzieller und ursprünglicher als von anderen Porträts gewohnt; sie konfrontiert uns mit echtem Staunen und Verwirrtheit, mit Stolz oder Zerbrechlichkeit und brilliert in ihrer einzigartigen Visualisierung von Furcht und Verführung, von Euphorie oder Verzweiflung. Flints Fotografien wirken authentisch, mitunter so intensiv, dass sie verstören, und durch den schwarzen Bildraum und das exponierte Gesicht gleichzeitig auch theatralisch und so könnten wir, gleichsam zur eigenen Beruhigung, darin nur die Darstellung einer Emotion sehen. Doch tatsächlich steigt Katja Flint eine Stufe tiefer ins Unterbewusstsein, als die meisten Kollegen es tun, denn ihre fotografischen Bilder werden zu einem „echten“ Drama, das der Betrachter so schnell nicht vergisst. Der Fotografin gelingt es, Gefühle von innen nach außen zu kehren und sie so erkennbar und erlebbar zu machen.
Die höchst sensible und empathische Kunst Katja Flints öffnet uns die Augen, unter anderem für uns selbst. Die mal subtilen, mal brachialen Aufnahmen menschlicher Emotionen, diese statischen und stillen Bilder, sind großes Kino. Sie entführt uns mit ihren düsteren und intensiven Menschenschilderungen in eine tagtraumhafte, ja kinematographische Parallelwelt. Möglich ist das wohl nur im Medium Fotografie und so schließt sich hier der Kreis medial in geradezu idealer Weise.“ Dr. Matthias Harder, Kurator der Helmut Newton Stiftung
Am 4. März 2019 erscheint die Monografie „Eins“ im DISTANZ Verlag. 116 Seiten, deutsch, am Rücken offene Steifbroschur, 210 x 300 mm, Hochformat, 42 Schwarz/Weiß Tafeln, Preis: 36,00 EUR, ISBN: 978-3-95476-273-6 Für Rezensionsexemplare kontaktieren Sie bitte Matthias Kliefoth, kliefoth@distanz.de