SAMMLUNG FALCKENBERG / DEICHTORHALLEN HAMBURGMit der Ausstellung ABY WARBURG: BILDERATLAS MNEMOSYNE. DAS ORIGINAL kommt Aby Warburgs berühmter Bilderatlas zurück nach Hamburg in Warburgs Geburtsstadt und wird vom 21. August – 31. Oktober 2021 in der Sammlung Falckenberg zu sehen sein. Der »Bilderatlas Mnemosyne« zählt bis heute zu den weltweit bedeutendsten kunsthistorischen Forschungsprojekten und wurde von Axel Heil und Roberto Ohrt in Zusammenarbeit mit dem Warburg Institute, London, rekonstruiert.Der Bankierssohn Aby Warburg (1866–1929) wandte sich nach seinem Studium der Kunstgeschichte schon früh von der damals verbreiteten Genre- und Zeitzuordnung von Kunst ab und untersuchte die Wechselwirkungen von Bildern aus verschiedenen Epochen und kulturellen Kontexten. Er entwickelte den »Bilderatlas Mnemosyne«, um die Einflüsse der Antike auf die Renaissance und weit darüber hinaus bildlich darstellbar zu machen. Bereits im Entstehungsprozess entwickelte sich der Atlas damit zu einem Erkenntnisinstrument. Warburgs Methode setzte neue Maßstäbe: Die neue Form der Anordnung kanonisierter Bilder überschritt die Fachgrenzen zwischen Kunstgeschichte, Philosophie und Anthropologie und war grundlegend für die heutigen Disziplinen der Bild-und Medienwissenschaften.
Die von Axel Heil und Roberto Ohrt gemeinsam mit dem Warburg Institute London kuratierte und vom Haus der Kulturen der Welt in Berlin produzierte Ausstellung stellt die letzte dokumentierte Version des Atlas von Herbst 1929 nahezu vollständig mit den Originalabbildungen wieder her: Der größte Teil der originalen, teils mehrfarbigen 971 Abbildungen wurde in der ca. 450.000 Objekte umfassenden »Photographic Collection« des Warburg Institute wieder aufgefunden. Zum ersten Mal nach Warburgs Tod kann damit sein Hauptwerk, die 63 Tafeln des Atlas, in der final überlieferten Konstellation präsentiert werden.
Außerdem sind erstmalig 20 großformatige Abbildungen von Tafeln aus einer früheren Fassung zu sehen, die bisher nur im Archiv des Warburg Institute zugänglich waren: Sie gehören zu der vorletzten Version des Atlas, die im Spätsommer 1928 entstanden ist, und werden in großen Fotoabzügen von den schwarzweißen Originalnegativen präsentiert.
Der Bilderatlas Mnemosyne bestand in seiner letzten Version aus 63 großen schwarzen Tafeln, auf denen Warburg fotografische Reproduktionen von Kunstwerken aus dem Nahen Osten, der europäischen Antike und der Renaissance neben zeitgenössischen Zeitungsausschnitten und Werbeanzeigen anordnete. In den Jahren vor seinem Tod 1929 experimentierten Warburg und seine engsten Mitarbeiter*innen Gertrud Bing und Fritz Saxl mit der Form und Funktion des Bilderatlas. Ihr Ziel war eine Publikation, die für die Diskussion zwischen Expert*innen ebenso wie für das breitere Publikum gedacht war. Der 2020 zur Ausstellung von Roberto Ohrt und Axel Heil konzipierte und zusammen mit dem Warburg Institute realisierte gleichnamige Folio erschien bei Hatje Cantz, Berlin, und gewann noch im gleichen Jahr den »Book of the Year Award« des Apollo Magazine, London.
Warburgs Ideen und Beobachtungen, etwa die »Pathosformel« zum Verständnis des emotionalen Gehalts bestimmter Motive unabhängig von Entstehungszeit und -ort, legten den Grundstein für Warburgs interdisziplinäre Forschung. Der von Warburg geprägte Begriff der »Bilderfahrzeuge« beschreibt die historischen Wanderungsbewegungen von Zeichen, Mustern und Motiven und ihren Bedeutungswechseln über kontinentale und kulturräumliche Grenzen hinweg.
Sein innovativer Umgang mit dem Bildgedächtnis bietet auch heute noch Inspiration und alternative Routen durch eine von visuellen Medien bestimmte Realität. In diesem Kontext wird eine gemeinsam mit den Kuratoren getroffene Auswahl zeitgenössischer Werke von Künstler*innen aus der Sammlung Falckenberg – wie etwa Hanne Darboven, Albert Oehlen, Ed Ruscha oder Elfie Semotan – im Dialog mit Warburgs Prinzipien vergleichender Bildordnungssysteme zu sehen sein. Ergänzend zum Bilderatlas Mnemosyne kann diese Erweiterung als Parallele zur Genese der polyfokalen Strategie der Sammlung Falckenberg angesehen werden.
Die Ausstellung wird aus Bundesmitteln gefördert. Rüdiger Kruse, MdB betont: »Mir war wichtig, dass dieser mit Mitteln des Parlaments der vom Haus der Kulturen der Welt (HKW, Berlin) gehobene Schatz auch an dem Ort gezeigt wird, an dem er entstanden ist.« Des Weiteren wird die Ausstellung von THE NEW INSTITUTE Foundation und der Martha Pulvermacher Stiftung (beide Hamburg), der M.M.Warburg & Co. Bank sowie dem Förderkreis der Deichtorhallen Hamburg unterstützt.
Begleitend zur Ausstellung findet ein Veranstaltungsprogramm in Kooperation mit dem Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt (MARKK) und dem Warburg-Haus Hamburg statt.
Die Ausstellung wurde von Axel Heil und Roberto Ohrt mit dem Warburg Institute in Zusammenarbeit mit den Deichtorhallen Hamburg / Sammlung Falckenberg kuratiert und vom Haus der Kulturen der Welt, Berlin produziert.