Die ethnografische Sammlung »Eva und Peter Herion« war zunächst eine Dauerleihgabe und gehört nun zum Bestand des Museums. Teile der Sammlung wurden zur Eröffnung des 2006 neugestalteten Schmuckmuseums mit dem Themenschwerpunkt Afrika und Asien eingerichtet. Damals als wechselnde Ausstellung konzipiert, wird sie nun mit einem grundsätzlich neuen Ansatz umgestaltet. Die seit einigen Jahren geführte Diskussion über den Umgang mit ethnografischen Artefakten macht eine neue Sichtweise auch auf den außereuropäischen Schmuck notwendig. Wesentlich ist dabei, die Objekte aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Der kulturelle und historische Kontext ist ebenso von Bedeutung wie der künstlerische Anspruch oder die globale Schmuckgeschichte. Objekte aus allen Sammlungsbereichen, ob historisch, zeitgenössisch oder ethnografisch, werden daher in Dialog miteinander gebracht. »Wir zeigen die ethnografischen Objekte nicht mehr in dem ihnen lange Zeit zugeteilten Kontext, also als etwas, das unserer abendländischen Kultur als etwas Fremdes gegenübersteht, sondern binden sie ein in das übergeordnete Thema ›Phänomen Schmuck‹«, führt die Schmuckexpertin aus. Besuchern bietet dies die Möglichkeit, in einer Zusammenschau sehr viel unterschiedlichen Schmuck auf sich wirken zu lassen, der nicht nach bisher üblichen Kriterien kategorisiert ist. So lassen sich vielfältige, neue Perspektiven kennenlernen oder auch selbst entwickeln.
Mit einer üppigen Vielfalt weckt die neugestaltete Ausstellung Lust, sie zu erkunden. Gleich einer Vitrine in einer Wunderkammer lockt ein »Wimmelbild aus Schmuck« in den Raum hinein. In den umlaufenden Vitrinen werden die Exponate nach ästhetischen, funktionalen oder technischen Gesichtspunkten eingeordnet sowie kulturell, geografisch und zeitlich präsentiert. Ausgangspunkt dafür sind grundlegende Kriterien wie Form und Material und daraus resultierende Unterkriterien, beispielsweise Oberflächengestaltung oder Farben. Diese Aspekte offenbaren sich dem Besucher erst auf den zweiten Blick, und es entstehen Momente der Überraschung oder des Innehaltens, ehe man möglicherweise vorschnell zuordnet. So sieht der Betrachter in der Vitrine zu »Rot« einen Brustschmuck aus einem großen sichelförmigen Perlmuttstück, das mit Rotholzpulver gefärbt ist. Er nennt sich Kina und stammt von den Mendi im Hochland Papua Neuguineas, aus dem 20. Jahrhundert. In derselben Vitrine befindet sich ein nabatäisch-hellenistischer Lunula-Anhänger, also ebenfalls halbmondförmig, aus dem zweiten bis ersten Jahrhundert vor Christus aus Gold und Granat. Beide ähneln einander in Farbe und Form, sind in Bedeutung, Herkunft und Machart jedoch gänzlich verschieden, wie Vertiefungstexte den Besuchern verraten. Das Perlmuttornament ist ein begehrtes Tauschobjekt, das bei besonderen Tanzanlässen auf der Brust getragen wird. Je strahlender das Rot, desto höher der Wert. Um die Muscheln zu verschönern, werden sie daher oft übermalt. Lunula-Anhänger dagegen waren sowohl im Neuen Reich Ägyptens als auch im Hellenismus als unheilabwehrende Amulette beliebt.
Dieses Ausstellungskonzept wird durch die Gestaltung des Raumes unterstrichen: Ein Netz aus Linien zieht sich kreuz und quer über die Vitrinen und schafft Verbindungen oder Kreuzungspunkte. Die Idee dahinter setzt sich in die anderen Bereiche der Dauerausstellung fort, denn auch dort wird sich in einigen Vitrinen ethnografischer Schmuck finden. Damit kommt dem neugestalteten Raum eine weitere Funktion zu: Er führt in das Thema Schmuck und das Sich-Schmücken ein.
Das Ziel, die Herion-Sammlung in Dialog mit der historischen und modernen Sammlung des Hauses zu präsentieren, ist ganz im Sinne der Sammler. Dem Pforzheimer Ehepaar Eva und Peter Herion, die in der Zeit von 1970 bis etwa 2006 unterschiedlichste Schmuckstücke auf Reisen vor allem nach Afrika und Asien erworben haben, lag an Schmuck in all seiner Vielfalt. Peter Herion war Unternehmer, Goldschmied und Künstler, und beide hatten sie großes Interesse an außereuropäischen Kulturen und deren Kunstschaffen.
An einzelnen Vitrinen sind überdies Fragen angebracht wie »tragbar - untragbar?«, »wertvoll – wertlos?«, »leicht – schwer?«. Sie sind ein Detail, das den Wunsch der Ausstellungsmacher zum Ausdruck bringt, Raum zum Experimentieren und Partizipieren zu öffnen. Cornelie Holzach stellt heraus: »Wir werden mehr Fragen als Antworten haben und wollen diese mit Fachleuten und Laien gemeinsam beantworten.« Die neue Präsentation ist kein endgültiges Ausstellungsformat, sondern ein Ausgangspunkt, anhand dessen die betreffenden Aspekte weiter bearbeitet und im öffentlichen Diskurs behandelt werden sollen.
Neben der analogen Ausstellung wird es eine digitale Plattform geben, auf der die Besucher selbst mit den Objekten umgehen können. Wer möchte, kann sich als Avatar auf Welt- und Epochenreise begeben oder die Exponate des »Wimmelbilds« im einzelnen erforschen. Über Detailansichten und Beschreibungen hinaus lassen sich zudem Gruppen nach eigenen Gesichtspunkten zusammenstellen oder die Auswahl in einer Timeline ausgeben.
Die Neupräsentation ist vom gesamten Team des Schmuckmuseums in Zusammenarbeit mit dem Ethnologen Dr. Andreas Volz und der Kunsthistorikerin Dr. Martina Eberspächer konzipiert worden. Verantwortlich für die Gestaltung sind die Innenarchitektin Cornelia Wehle und L2M3 Kommunikationsdesign, für die Entwicklung der digitalen Anwendungen 2av.
Öffnungszeiten des Schmuckmuseums Pforzheim Di bis So und feiertags 10 bis 17 Uhr (außer Hl. Abend und Silvester) | Eintritt in die Dauerausstellung 4,50 €, ermäßigt 2,50 €, z.B. mit der SWR2- Kulturkarte, 6 € Kombiticket mit dem Technischen Museum der Pforzheimer Schmuck- und Uhrenindustrie, bis 14 Jahre und mit Museums-Pass-Musées frei | Gruppenführungen auf Anfrage | Öffentliche Führung durch die Dauerausstellung sonntags 15 Uhr, 6,50 €, ermäßigt 4,50 € | Medien- bzw. Kulturpartner des Schmuckmuseums sind Pforzheimer Zeitung und SWR2 | Weitere Informationen unter www.schmuckmuseum.de
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