In Kooperation mit dem Sprengel Museum Hannover, dort bis 11.09.2022Kennzeichnend für Christiane Möbus’ Schaffen ist das sprichwörtliche »um die Ecke Denken«. Es lässt die Dinge in einem meist humorvollen und bisweilen melancholischen Licht erscheinen. Gerade darin legt es auch die genannten Absurditäten unseres Alltags und Lebens offen.Gemeinsam richten das Sprengel Museum und der Kunstverein Hannover eine große Übersichtsausstellung des Werks von Christiane Möbus anlässlich ihres 75. Geburtstags aus. Versammelt werden Arbeiten aus den frühen 1970er-Jahren bis hin zu neuen Installationen, die eigens für die Räume der beiden Häuser geschaffen werden. Zudem wird eine neue Monografie zum Werk der in Hannover ansässigen Künstlerin herausgeben.
Das künstlerische, oft poetisch verdichtete Werk von Christiane Möbus weist eine beeindruckende Scharfsinnigkeit auf. Die Künstlerin beschäftigt sich mit Grundfragen des Daseins – und dies in einer medial breiten Spanne aus Fotografie, Bildhauerei, Installation, Textarbeiten und Film. Sowohl durch ihre Werke als auch durch ihre langjährigen Lehrtätigkeiten an der Hochschule für Bildende Künste (HBK) in Braunschweig und an der Universität der Künste (UdK) in Berlin ist Christiane Möbus einflussreich und prägend für die ihr nachfolgenden Künstler*innen-Generationen.
Für die Ausstellung werden zahlreiche Arbeiten versammelt, die das Fortbewegen im Geist und Körper dokumentieren. Sie werden im Verbund mit den Skulpturen und Installationen an beiden Orten gleichermaßen präsentiert. Die physische wie geistige Bewegung zeigt sich durch Spuren im Schnee, durch den Versuch der Künstlerin, selbst zu fliegen oder durch die in diesem Ausstellungsprojekt erstmalig komplett präsentierte Serie »Gestiefelte Katze«, bei der »die Möbus« (wie sie sich am Telefon meldet) die eigenen, elegant beschuhten Füße in Aufsicht fotografiert und in Relation zu diversen Kontexten setzt. Standortbestimmung und Maßnahmen im Verhältnis zu Raum und Zeit sind grundlegende Fragen, die die Künstlerin seit nunmehr über 50 Jahren beschäftigen.
Handschriftliche Textarbeiten werden in der Ausstellung ebenfalls den Humor sowie die besondere Beobachtungsgabe der Künstlerin durchscheinen lassen. Werktitel ergänzen die sprachliche Ebene des Werks, das von einem intelligenten Beobachten und ideenreichen, konzeptionellen Denken gespeist ist.
Natürlich ist und bleibt Christiane Möbus, die zwar eine Gesamtwerk-Künstlerin ist, vor allem Bildhauerin, die Räume verwandelt, indem sie diese mit ihren ganz persönlichen Protagonist*innen bestückt: Da wären mit Stroh gestapelte Holzboote (»Rette sich, wer kann«, 2001) oder Tierpräparate, die weniger in ihrer Eigenart als Raub- oder Flugtiere präsentiert werden, sondern vielmehr in Pose und Ausdruck wie Wesen einer anderen Welt die Besucher*innen mit ihrer Existenz in den Bann ziehen. So wird das Krokodil aus der Sammlung des Sprengel Museums plötzlich im Kunstverein auf aufgetürmten Koffern ruhen, oder eine Giraffe wird sich – platziert auf einem ad absurdum geführten Zirkussockel, der an Spannseilen befestigt über dem Boden schwebt – in die Deckenhöhe des Sprengel Museums strecken.
Gern verändert Christiane Möbus die Bedeutung der Dinge oder nimmt eben diese besonders genau. An Tische erinnernde Objekte oder wie Grabplatten anmutende Rechtecke nehmen sich zwar aus wie Dinge des Lebens, doch werden sie von der Künstlerin niemals nur als Readymades verwandt, sondern jeweils verformt oder häufig extra angefertigt. Zwar lässt sich an die ursprüngliche Funktion der Gegenstände durchaus noch denken, doch geht es wie immer im Möbusschen Werk um das genaue Hinsehen.
Mit dieser gemeinsam konzipierten Werkschau würdigen das Sprengel Museum und der Kunstverein Hannover nicht zuletzt eine wichtige Künstlerin unserer Gegenwart, der große Beachtung gebührt. Mit einer deutsch-englischsprachigen Publikation und mit der umfangreichen Ausstellung, die sich auf über 4000 qm erstreckt, möchten wir auch international auf eine Künstlerin aus Hannover aufmerksam machen, die schon früh bedeutende künstlerische Maßstäbe gesetzt hat – sogar bis seitwärts über den Nordpol.