Parallel zur 59. Internationalen Kunstausstellung – La Biennale di Venezia - präsentiert die Biblioteca Nazionale Marciana in ihren geschichtsträchtigen Sale Monumentali, direkt am Markusplatz in Venedig, Werke des deutschen Künstlers Dieter Nuhr.In einer Einzelausstellung mit dem Titel „Dieter Nuhr - Circondato di Lontano“ (zu Deutsch: Von Fernen umgeben), die von der Brost Stiftung gefördert wird, werden Nuhrs Arbeiten in einen Dialog mit Wand- und Deckengemälden von Tizian, Tintoretto und Veronese gesetzt.
Dieter NuhrDer 1960 in Wesel/Deutschland geborene Künstler Dieter Nuhr beschäftigt sich in seinem künstlerischen Werk mit den Themen Fremde und Vertrautheit, Ferne und Nähe. Während er in den 1990er-Jahren noch mit Pinsel und Ölfarbe arbeitete und später zur Fotografie wechselte, fügt er heute malerische und fotografische Elemente in seinen Bildwerken mit den Mitteln moderner Technik zusammen. Dabei programmiert er digitale Pinsel, die in mehreren Schritten und Farbschichten die ursprüngliche Fotografie, die in den meisten Fällen eine Landschafts- oder Architekturaufnahme zeigt, überlagern und teilweise auch überdecken.
Nuhrs Bilder wachsen aus malerischen Strukturen heraus und verlieren, obwohl sie zu hundert Prozent aus Fotodaten bestehen, den Charakter einer bloßen Abbildung. Das Fotografierte verliert sich, löst sich in weiten Teilen auf, um dann in einem malerischen Prozess neu konstruiert zu werden. Damit bringt er das mit zeitlichem und räumlichem Abstand zunehmend Weltentrückte in der Erinnerung zum Ausdruck. Am Ende entstehen malerisch wirkende Kompositionen, die mit klassischer Fotografie nur noch wenig zu tun haben. Nuhrs Bilder sind Werke, die eher Gemälden ähneln, entstanden mit den handwerklichen Mitteln des 21. Jahrhunderts. Eben das macht sie so faszinierend.
Die Motive findet der Künstler auf seinen Reisen durch die Welt. In fast hundert Ländern ist er schon gewesen und hat ihre Landschaften, Bauwerke und auch Menschen mit der Linse eingefangen. In der eindrucksvollen Einzelausstellung, die von Manfred Möller kuratiert und von der Association for Art in Public Dirk Geuer organisiert wird, sind nun teils großformatige Bilder mit Motiven aus den Ländern Äthiopien, Brasilien, Indien, Mexiko, Nepal, Peru und Sri Lanka einer Reihe von Aufnahmen aus seinem Heimatland Deutschland gegenübergestellt. Dabei spielt das Ruhrgebiet, wo Nuhr geboren und aufgewachsen ist, eine übergeordnete Rolle. Hier findet sich die für diese Region typische Industriearchitektur in seinen Bildkompositionen wieder.
Dass Dieter Nuhr auch das Handwerk der Zeichenkunst beherrscht, beweisen eindrücklich seine malerisch unterlegten Skizzen, die erstmalig in den Sale Monumentali der Biblioteca Nazionale Marciana ausgestellt werden. Sie wurden eigens für diesen besonderen Ort geschaffen und greifen u.a auch Paolo Veroneses berühmte Wandbilder aus der Marciana, die Platon und Aristoteles zeigen, auf. Damit tritt er in den direkten Dialog mit den Meisterwerken der Renaissance-Kunst, für welche die Prunkräume der Marciana weltbekannt sind. Losgelöst und aus ihren kulturellen Kontexten herausgerissen, wirken seine Figuren, die sowohl kunsthistorische als auch persönliche Bezüge aufweisen, jedoch isoliert und gleichwertig, sind in angedeutete Raum- und Architekturstrukturen eingebettet, die sich jedoch im Nichts verlieren. Wir begegnen Nuhrs skizzierten Figuren wie Fremden, denen wir zufällig auf der Straße begegnen.
Die international angelegte Wanderausstellung, die bis zum 2. Oktober 2022 zu sehen sein wird, reist von Venedig weiter nach Dakar in den Senegal und wird auch an weiteren Stationen Halt machen.
Über den KünstlerDieter Nuhr, 1960 in Wesel, Deutschland, geboren, lebt und arbeitet in Düsseldorf, Berlin und auf Ibiza. Er ist als Künstler auf verschiedenen Plattformen tätig. Seit vielen Jahren zählt er zu den erfolgreichsten Satirikern Deutschlands, doch seine Arbeit als bildender Künstler währt noch länger. Von 1981 bis 1987 studierte er Kunst (Malerei) an der Universität Essen, der ehemaligen Folkwangschule. In Venedig werden Bilder aus den Werkgruppen „Landschaftsbilder“ und „Portraitzeichnungen“ ausgestellt. Über den Veranstaltungsort
Die 1468 gegründete Biblioteca Nazionale Marciana in Venedig zählt zu den wichtigsten und größten Bibliotheken Italiens. Ihr Bestand umfasst bedeutende Sammlungen griechischer, lateinischer und orientalischer Handschriften. Insgesamt beherbergt der Speicher des Wissens über eine Million Objekte, darunter Inkunabeln, Drucke, Landkarten und ca. 13.000 Handschriften. Zu den zahlreichen historischen Schätzen und Kostbarkeiten der Bibliothek gehören u.a. das Testament des berühmten venezianischen Abenteurers und Entdeckers Marco Polo sowie zwei Ausgaben von Homers Ilias aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Zudem glänzt die Bibliothek durch ihre prachtvollen „Monumentalen Säle“ mit Wand- und Deckengemälden der Renaissancekünstler Tizian, Veronese und Tintoretto. Früher ein Ort des Studiums und der Meditation, finden in dem einst von großen Gelehrten, brillanten Strategen und gekrönten Häuptern genutzten Saal, der über das Museo Correr zu erreichen ist, heute Ausstellungen statt.