Carl Lohse, Susi Große, um 1920 (Detail), Privatsammlung, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022 Carl Lohse, Susi Große, um 1920 (Detail), Privatsammlung, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022 - Mit freundlicher Genehmigung von: KunstmuseumRavensburg

Was: Ausstellung

Wann: 19.11.2022 - 05.03.2023

Die Einzelausstellung im Kunstmuseum Ravensburg präsentiert das ebenso kompromisslose wie markante expressionistische Frühwerk von Carl Lohse (1895–1965) und gibt erstmals in Süddeutschland Einblick in die farb- und formgewaltige Werkphase des lang übersehenen Ausnahmekünstlers. Kriegstraumatisiert gelangt der in Hamburg geborene Expressionist nach dem Ersten Weltkrieg in…
Die Einzelausstellung im Kunstmuseum Ravensburg präsentiert das ebenso kompromisslose wie markante expressionistische Frühwerk von Carl Lohse (1895–1965) und gibt erstmals in Süddeutschland Einblick in die farb- und formgewaltige Werkphase des lang übersehenen Ausnahmekünstlers. Kriegstraumatisiert gelangt der in Hamburg geborene Expressionist nach dem Ersten Weltkrieg in die sächsische Kleinstadt Bischofswerda. In einem regelrechten Schaffensrausch entsteht dort, zwischen 1919 und 1921, Lohses unverwechselbarer Beitrag zur Kunst der 1920er-Jahre in Deutschland.

Impulsiv experimentiert Carl Lohse um 1920 mit den Bildsprachen der Avantgarde-Be- wegungen seiner Zeit – Expressionismus, Futurismus, Kubismus und Konstruktivis- mus – und setzt ungewöhnliche Farbkombinationen und Formreduzierungen ein. Die Werkschau beleuchtet anhand von über 40 Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen diese intensive Schaffensphase von anderthalb Jahren. Neben atmosphärischen Land- schaften, farbintensiven Stadtansichten und Darstellungen industrieller Arbeitswelten legt die Ausstellung ihren Schwerpunkt auf Lohses ausdrucksstarke Porträts, die kei- nerlei Zuspitzung scheuen und es vermögen, seelische Tiefendimensionen einzufangen. Die Kritik feiert Carl Lohse 1921 als »vielleicht stärksten und lebendigsten Verkünder der neuen deutschen Kunst«, doch Lohse beendet sein produktives Schaffen abrupt und kehrt erst Jahre später wieder zur Kunst zurück.

Früh wird das künstlerische Talent von Carl Lohse durch den Hamburger Kunsthallendi- rektor Alfred Lichtwark entdeckt und gefördert. Der Großherzoglichen Kunstschule in Weimar kehrt Lohse jedoch bald schon den Rücken, durchwandert Norddeutschland und Holland und entdeckt die Werke van Goghs, die ihn nachhaltig prägen. Den Ersten Weltkrieg überlebt Lohse als Einziger seiner verschütteten Kompanie. Nach drei Jahren Gefangenschaft erhält er, zurück in Hamburg, die Einladung zu einem Malaufenthalt in Bischofswerda bei Dresden, wo er ideale Arbeitsbedingungen vorfindet. Die wiederge- wonnene Freiheit gleicht einem Dammbruch, der die künstlerischen Energien farbge- waltig freisetzt.

»Schützengraben« (1919/1921) und »Explodierende Granate« (1919/1921) zeigen die Auseinandersetzung Carl Lohses mit den traumatischen Kriegserlebnissen als einen Strom aus Leichen, der in dunkle Tiefen gleitet, oder als grotesk verzerrte Körper, denen die Welt keinen Halt mehr bietet. Es entstehen zahlreiche Porträts, die von starken Farbkontrasten und flächiger Stilisierung geprägt sind. Mit schnellem Pinselstrich treibt Lohse das Charakteristische der Modelle zum Äußersten und verbindet expressionistische Farbgebung mit kubistischer Formzerlegung. Die Bildnisse gleichen Psychogrammen, die zugleich die innere Zerrissenheit des Mitte 20-jährigen Künstlers spiegeln. Die Vorstellung einer brüchigen Identität, die keine Verlässlichkeit mehr kennt, überträgt Lohse auch ins Bildhauerische. Lohse implementiert die Beweglichkeit der futuristischen Formensprache in sein überlebensgroßes plastisches Selbstbildnis und in die Gipsplastik des Schriftstellers Ludwig Renn, gebürtig Arnold Vieth von Golßenau.

In den farbmächtigen Arbeiten »Der Blumengarten« (1919/1921) oder »Kleine Stadt« (1919/1921) spiegelt sich die Euphorie eines wiedergewonnenen, sorgenfreien Lebens. Auch das Ereignis Natur ist wiederkehrendes Thema von Lohses Malerei, während der Künstler in den Werken rund um die fortschreitende Industrialisierung das Zusammenspiel von Mensch und Maschine ins Zentrum rückt.

Trotz fulminanter Rezensionen der ersten Einzelausstellung Carl Lohses bei Emil Rich- ter in Dresden 1921 bleiben Verkäufe aus. Enttäuscht beendet Lohse seine äußerst pro- duktive Schaffensperiode, kehrt nach Hamburg zurück, schließt sich den Zeugen Jeho- vas an und arbeitet als Bankbote und Straßenbahnschaffner. Bis er 1928 nach Bi- schofswerda zurückkehrt, ist Lohse nicht mehr als Künstler tätig. Sein Frühwerk hat Al- leinstellungsmerkmal und zeigt, mit welchem Erfindungsreichtum und welcher Experi- mentierfreude sich Carl Lohse seinen Motiven und Themen widmet.

Durch die Ausstellungen im Ernst Barlach Haus in Hamburg und im Albertinum, Staatli- che Kunstsammlungen Dresden erfuhr das Werk von Carl Lohse 2017 eine Wiederent- deckung. Die nun gezeigte Werkschau entstand in Kooperation mit dem Brandenburgi- schen Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK). Sie umfasst Leihgaben u. a. aus dem Museum Bautzen, dem Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, dem Bran- denburgischen Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK), der Kunsthalle Rostock und von zahlreichen privaten Leihgeber:innen.

Tags: Carl Lohse, Expressionismus, Malerei

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