Marcel Odenbach setzt sowohl bei seinen Bildcollagen als auch bei seinen Videoarbeiten Techniken wie Schnitt und Montage bewusst ein. Er splittet die Projektionsflächen, argumentiert dialektisch mit Bild und Text und überlagert historische Ereignisse und persönliche Erinnerungen. In der Ausstellung „Selbstverteidigung“, dem jüdischen Strafverteidiger und Autor Alfred Apfel (1882-1941) gewidmet, zeigt der Künstler Zeichnungen, Konzepte, Collagen und Videos seit 1975 und präsentiert seine neue ortspezifische Bildcollage Jünglinge unter sich (2023) mit Bezügen zum Schloss Rheinsberg, der Geschichte der Mark Brandenburg nach Theodor Fontane, Kurt Tucholsky, aber auch zu Fragen des Protestantismus.Odenbachs vielschichtiges Œuvre umfasst Zeichnungen, Collagen, Texte, Videos und Performances, in die er seine umfangreiche Materialsammlung aus über vier Jahrzehnten einarbeitet. Er ist ein Reisender und ein Spurensucher. Er findet was ihn interessiert in der Presse, in Alltagssituationen, Literatur, Archiven, Magazinen und bei künstlerischen Wegbereitern wie John Heartfield, Daniel Buren, Pop Art Künstlern, u.a. Der Idee des disegno folgend, verarbeitet er diese originalen und kopierten Fundstücke materiell als auch inhaltlich zu komplexen Schnittvorlagen mit hunderten von Einzelmotiven, die Basis und Grundidee seiner Serien, Einzelwerke und Videoprojekte werden. Die Betrachtenden wandeln visuell vom Makro- zum Mikrokosmos, von der statischen Bildcollage zum Bewegtbild – methodologische Verwandtschaften auf vielen Ebenen.
Seit Mitte der 1970er Jahre setzt er sich mit politischem Widerstand und Erinnerungskultur, mit dem Nationalsozialismus und Antisemitismus, der DDR, politischem Extremismus und Gewalt, Rassismus, dem kolonialen Erbe Europas und den Folgen der Kolonialzeit in Afrika, aber auch mit Geschlechter- und Identitätsfragen auseinander. Besonders seine frühen Text- und Konzeptzeichnungen thematisieren sein eigenes Lebensumfeld, Gesellschaftszwänge und seine Identitätssuche als Künstler und Mensch, ohne wirklich Details aus seinem Leben preiszugeben. Mit Selbstironie, Kritik und Melancholie entstehen Werke über alltägliche Dinge, die zu ihm gehören, wie die Kaffeetasse, eine Zitrone, Wurst, Kot, ein Schal oder Zigaretten. Odenbach folgt dabei einer dialogischen Methode, in dem er seine Zeichnungen schriftlich kommentiert: Wenn das so weiter geht, fühle ich mich wie eine ausgequetschte Zitrone oder Dinge, die mir Gedanken ermöglichen. Sein Gespür fürs Detail, für Situationen, für Sprache und Bild ebnen ihm kurze Zeit später einen kritischen Zugang zum Massenmedium Fernsehen, aus dem er seine ersten Videoarbeiten, Performances und Videoinstallationen entwickelt.
In Kooperation mit dem Kurt Tucholsky Literaturmuseum
7.5. — 9.7.
Kurt Tucholsky LiteraturmuseumSchloss Rheinsberg16831 Rheinsberg
Di – So10 – 12.30 Uhr und13 – 17.30 Uhr
€ 4/3