Eröffnung am Mittwoch 20. September 2023, um 18 UhrEinführung: Nina Tabassomi, Direktorin TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol
Der Museumspavillon, der im 18. Jahrhundert für die Präsentation ‚exotischer‘ Vögel und Tiere gebaut wurde, bietet den adäquaten Hintergrund für die Arbeiten von Luz Olivares Capelle und Evalie Wagner. Thematisiert Evalie Wagner den Garten als einen die Zeit überdauernden Sehnsuchtsort und das Verhältnis des Menschen zur Natur, so wird die Metapher vom Paradies in den Arbeiten von Luz Olivares Capelle zu einer Erzählung von Aneignung und Fremdheit.
Im ersten Raum treten die Arbeiten der beiden Künstlerinnen auf einer übergeordneten Ebene in Beziehung. Beide greifen dazu auf „alte“ im Sinne von „ursprüngliche“ Techniken zurück. Bei Evalie Wagner ist es die Freskotechnik, bei Luz Olivares Capelle die Lochkamera. Evalie Wagners Arbeiten entstanden in Anlehnung an erste Abbildungen von abendländischen Gärten in den Häusern Pompejis mit Öl und gelöschtem Kalk auf Papier. Die Lochkameraaufnahme von Luz Olivares Capelle ist für sie eine Art prähistorisches Kino.
Im zweiten Raum konkretisiert sich die Auseinandersetzung mit einem Feld von abgehängten, frischen, mediterranen und tropischen Pflanzenteilen Evalie Wagners, die sie mit dichroitischen Glasscheiben an Messingstangen kombiniert - eine zeitgemäße Annäherung an barocke Planetengärten. Evalie Wagner befragt in dieser Arbeit alte Planeten- und Botanische Gärten. Welche Plätze und Sichtweisen vermitteln sie und wie hat sich der heutige Blick darauf verändert? So schwingt der zarte Planetengarten zwischen Werden und Vergehen der herabhängenden Pflanzen. In den Farbeffektglasscheiben spiegelt sich der Garten von draußen und drinnen und die BetrachterInnen selbst wider.
Luz Olivares Capelle ist den Wandschonern erstmals im Heimatwerk in Salzburg begegnet. Sie übten eine große Faszination auf die Künstlerin aus. Sie identifiziert sich durch die von ihr gekauften und dann weiter bestickten Wandschoner mit einem überall gültigen Stammbaum von Frauen, die ihre Mutter, Tanten, Großmütter, Urgroßmütter sein könnten. Die Texte auf den Wandschonern, „Mein Heim ist meine Welt“, „Mein Heim, mein Glück“ oder „Koche gut und fein, Nähe glatt und fein“ befremden heute. Diese befehlende Sprache, die vorgibt, welche Rolle zu übernehmen ist und wie eine Frau zu leben und zu handeln hat, wurde von der Künstlerin, deren Muttersprache Spanisch ist, durch das Einsticken von konterkarierenden Sprachbildern geöffnet.
Seit Jahren sammelt sie Wörter, die sie auf Deutsch falsch ausspricht und entlarvt sich selbst „als Person, die den anderen nicht gleich ist“. Mit ihren dadaistischen Phrasen und dem Sprachwitz des Inkorrekten antwortet sie humorvoll den unbekannten Frauen aus vergangenen Zeiten und befreit die Parolen.
Ihre Soundinstallation, die zusammen mit der Sound Designerin Ines Vorreiter in einer 7 Kanal Tonspur entstanden ist, rekonstruiert zunächst, was dieser Ort einst war: Ein Vogelhaus. Lauscht man dem Gezwitscher identifiziert man rasch noch andere Töne, die Stimme eines Babys, das gerade sprechen lernt. Die Welt der Geräusche führt zur Bildung von zwei unmöglichen Dialogen: der Dialog mit unterschiedlichen Vögeln und das Erwachen und Begreifen eines Kindes, das gerade dabei ist aus Lauten Worte zu formen, um seine Welt zu erfassen.
Im dritten Raum lädt Luz Olivares Capelle die BesucherInnen ein, das „Gewächshaus der Töchter“ zu betreten. Es ist ein textiles Haus, das im Inneren völlig von gestickten Blumen von Frauenhänden aus aller Welt zusammengestellt wurde. Das Haus ist eine Einladung sich von weiblicher Energie umarmen zu lassen, eine Umarmung aus Blumen. Zwei Fotografien - von einer herzförmigen Kartoffel und einer herzförmigen Insel, sind der Installation gegenübergestellt.
Evalie Wagner zeigt im dritten Raum eine Serie von Arbeiten, die sich mit „exotischen“ Früchten, wie Limonen, Granatäpfeln und Mandarinen beschäftigt. Ihre Arbeiten stehen in einer langen Tradition botanischer Wahrnehmung. Wiederum wird der Bezug zur Barockzeit hergestellt, auf die Aneignung des Fremden und auf den Blick auf das Exotische verwiesen. Auch im Garten des Schlosses Altenau gab es eine Orangerie. Orangen und Zitronenbäume galten als Metapher der fürstlichen Tugend schlechthin. Ihre Früchte wurden den goldenen Äpfeln aus dem Garten er Hesperiden gleichgesetzt.
Biografien:Luz Olivares Capelle(...) Luz Olivares Capelle (geboren in Argentinien) wird täglich mit einer (weiteren) Sprache konfrontiert, die nicht ihre »Muttersprache« ist. Das Verwiesen-Werden auf die eigene Fremdsprachigkeit und die Anrufung einer vermeintlich »einheimischen« Sprache übersieht stets aufs Neue, dass die jeweilige Landes- oder Muttersprache selbst anfänglich und immer nur eine fremde Sprache markiert. In dieser Hinsicht tragen die Arbeiten von Luz Olivares Capelle auch eine politische Agenda in sich, die an den Grenzen der Sprachen ihren Ausgangspunkt nimmt und Politik genau da lokalisiert, wo die Sprache nicht hinreicht Erfahrungen zu beschreiben, die man mit anderen schon teilt oder teilen will.Andreas Spiegl
Luz Olivares Capelle hat Bildende Kunst an der Akademie der Bildenden Künste Wien und Regie an der E.N.E.R.C. (Nationalinstitut für filmische Experimentation und Produktion) Buenos Aires und an der Filmakademie Wien, bei Prof. Michael Haneke, studiert.
Ihre Kurzfilme wurden auf zahlreichen Filmfestivals wie dem Internationalen Film Festival Rotterdam (NLD), dem Future Frames Programm des Karlovy Vary International Film Festival, (CZE), der Viennale (AUT) u.a. gezeigt und mehrfach prämiert.
So wurden ihr u.a. der Max Ophüls Preis 2017 (DE); der Grand Prix International Short Award 2017 (Cork Film Festival, IR) und der Österreichische Filmpreis für Kurzfilm sowohl von der Akademie des österreichischen Filmes (2017), als auch dem V.I.S. Vienna Independent Shorts und der Diagonale, 2016 (AUT) verliehen.
Ihre Drehbucharbeit wurde durch den Hubert Bals Fund 2017 (NLD), die Berlinale Short Form Station 2020 (DE) und Stipendien wie das START Stipendium des Bundeskanzleramts 2016 (AUT) und das Literar Mechana Stipendium 2020 (AUT) unterstützt, sowie mit einer lobenden Erwähnung beim „If she can see it she can be it“ Drehbuchwettbewerb 2020 (AUT) und dem Thomas Pluch Preis für das beste Kurzfilmdrehbuch 2016 (AUT) ausgezeichnet.
Evalie Wagner1983 in Waizenkirchen, OÖ geboren.Bezieht Botanik in ihre Arbeiten ein und schafft polymorphe Kunstwerke, die von raumgreifenden Installationen über Bilder bis hin zu Designobjekten reichen. Auf diese Weise schafft sie einen Dialog zwischen einem Ort und Geschichten, Kunst und der umgebenden Natur. Nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung, zunächst Studium Design an der NDU St. Pölten, dann von 2005-2012 Diplomstudium Bildende Kunst und Kulturwissenschaften, Experimentelle Kunst und Malerei an der Kunstuniversität Linz. Seit 2006 Gruppenausstellungen im In- und Ausland (Deutschland, Tschechien, Spanien, Italien).Arbeiten im Öffentlichen Raum:Artothek des BundesKunstsammlung Stadt Graz, Stadt Linz, Land OÖ
Derzeit ist sie mit einer großen Rauminstallation im Botanischen Garten München-Nymphenburg und einem kuratorischen Projekt bei der europäischen Kulturhauptstadt Bad Ischl 2024 vertreten. www.evaliewagner.com