03„Il n’y a pas de peinture abstraite ou figurative que cette présence physique dans l’aura de la peinture comme un être réel.“¹ (Alain Clément)„Es gibt keine abstrakte oder figurative Malerei außer diese physische Präsenz, vermittelt durch die Aura der Malerei, die diese wie ein reales Wesen erscheinen lässt.“ Mit diesen Wor-ten aus dem Jahr 2022, die wie ein Resümee seiner künst-lerischen Erfahrungen und seiner Weltsicht anmuten, knüpft der französische Maler und Grafiker Alain Clément (geboren 1941) auch an ein künstlerisches Initialerlebnis seiner Kind-heit in Paris an, über das er anlässlich einer Ausstellung zehn Jahre zuvor im Hôtel des arts in Toulon in Frankreich berich-tete. Er ging als kleiner Junge mit seiner Mutter in den Jardin des Tuileries und sah die Installation der monumentalen Ge-mälde „Nymphéas“ (frz. weiße Seerosen) von Claude Monet (1840-1926) in der dortigen Orangerie. Er beschreibt dies als „Bad“ in den Gemälden des Impressionisten und die von ihm als extrem empfundene physische Präsenz der Kunstwerke. Fortan verknüpfte er dies mit der Person seiner Mutter, mit dem Universum des Femininen, das er selbst nicht war und verkörperte.² Seine Kunst schöpft aus dem Musischen, der freien Inspiration, darin ist sie der l ́art pour l ́art, der Kunst um ihrer selbst Willen, verpflichtet und der Anbindung an die eigene Tradition der Moderne. Dennoch entziehen sich die modernistischen Arbeiten der Gefälligkeit der traditio-nellen, in Frankreich gepflegten peinture. Es entstehen kulti-vierte und ungebändigte, zuweilen abstrakte und zuweilen abstrahierend-figürliche Werke, die vollendet und fragmen tarisch erscheinen können, sinnlich wie formalistisch. Sie sprechen von der Freiheit der Kunst, der ihr eigenen Mittel und eines befreiten Ausdrucks, in dem sich die menschliche Natur, Kultur und die Geschichte und das Wesen von Malerei widerspiegeln.
I. „Die Malerei ist ins Schleudern gekommen, [...]. Alles ist Verströmen.“(Alain Clément)
Für die Gemälde, Gouachen, Druckgrafiken und seit 1998 auch Skulpturen von Clément sind abstrakte Farbstrukturen, mal rhythmisch-dynamische Farbbänder, mal kantig-gebaute Farbbalken, kennzeichnend, die Form und Farbe, Fläche und Raum, Malerei und Zeichnung als Einheit auffassen. Es han-delt sich um bewegte Farbformen oder konzeptuell-minima-listisch anmutende Farbbewegungsspuren. Malerei ereignet sich in der Fläche und evoziert doch unbestimmte Räumlich-keit und Volumen. Die Farbbänder orientieren sich oftmals an einem imaginären Zentrum, bleiben auf das traditionelle Bildgeviert bezogen, aber schwingen auch wie scheinbar aus der Malerei gelöste freie Bildzeichen in Gestalt von Stahl-skulpturen und Reliefs in den Raum.
Alain Clément begann 1970, dem Grund seiner „Liebe zur Malerei“ nachzugehen.³ Er schuf monochrome Bilder, malte aktionsbetont mit großen Gebärden, zuweilen expressiv wie die „Neuen Wilden“ und schätzte die Farbfeldmalerei der US-Amerikaner. Zuvor hatte er sich in den 1960er-Jahren mit dem Verlegen von Kunst und Poesie befasst und stand in Kontakt mit einer Reihe zeitgenössischer französischer Künstler, die in den späten 1960er-Jahren Malerei neu und in Abkehrung der überlebten „École de Paris“ auffassen woll-ten. 1969 war er Mitbegründer der Künstlergruppe „ABC productions“, die gemäßigter als die folgende avantgardisti-sche Gruppe „Supports/Surface“ war, die Malerei schließlich radikal dekonstruktivistisch auf ihre Grundlagen zurück-führte.⁴ Die traditionsbeladene und -belastete Malerei hatte durch geänderte und die Gattungen der Kunst sprengende künstlerische Medien und Praktiken ihre Vorrangstellung eingebüßt und trat in der öffentlichen und theoretischen Diskussion soweit in den Hintergrund, dass man sich seiner-zeit am „Ende der Malerei“ wähnte. Doch es gab eine Konti-nuität des Mediums Bild, das durch die konzeptionelle und analytische Malerei im Verlauf der 1970er-Jahre fortgeführt wurde und eine erneute Renaissance durch den Neuexpres-sionismus nach 1980 erfuhr.
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Auszug aus dem Text von Dr. Nicola Carola HeuwinkelDen vollständigen Text finden Sie in unserem Katalog Alain Clément: Ausgewählte Arbeiten 2004-2021, Klaus D. Bode, 2022 welchen Sie in der Galerie und online unter info@bode-galerie.de für 20 Euro erwerben können.