Vorstellung der filmischen Dokumentation von Sina MoserWas ist also die Zeit?„Wenn mich niemand danach fragt weiß ich es, wenn ich es aber einem, der mich fragt, er-klären sollte, weiß ich es nicht; mit Zuversicht jedoch kann ich wenigstens sagen, dass ich weiß, dass, wenn nichts verginge, es keine vergangene Zeit gäbe, und wenn nichts vorüber-ginge, es keine zukünftige Zeit gäbe.“ Augustinus, Confessiones, Buch XI, Kapitel XIV
„Meine Seele brennt vor Verlangen diesen rätselhaften Knoten zu lösen.“ Augustinus, Confessiones, Buch XI, Kapitel XI
In seiner Deckenzeichnung im Säulensaal des Rathauses nähert sich Christian Ecker dem Thema Zeit an indem er fragt: „Kann man Zeit sichtbar machen?“ Aber auch: „Kann man Zeit fühlen?“
Der Künstler, dessen Wicklungen schon lange Teil seiner künstlerischen Handschrift sind und das Thema Zeit in sich tragen, geht nun mit der Gestaltung von „Strömungslinien“ an der De-cke einen Schritt weiter. Ecker bezieht mehrere Zeitkonzepte in seine Arbeit ein. Zum einen, das Konzept des als Kirchenvater bekannten Augustinus von Hippo, der an der Wende vom 4. auf das 5. nachchristliche Jahrhundert im heutigen Algerien gelebt hat. Augustinus widmet dem Thema Zeit in seinen Confessiones, einer autobiografischen Schrift mit theologischen und philosophischen Betrachtungen, einige Abschnitte, wo er Zeit als eine „…Ausdehnung des Geistes“ charakterisiert.
Weiters greift Ecker auf Theorien des 2022 verstorbenen Zeitforschers Karl-Heinz Geißler zurück, der eine räumliche Vorstellung von Zeit vertrat. Diese verräumlichte Zeit, unter der man zyklische Zeitintervalle verstehen kann, bildet der Künstler in seinen Zeitschleifen ab. Und schließlich knüpfen die gelben Balken der Deckenarbeit an das taktische, lineare Empfinden unserer Zeitwahrnehmung an, abgeleitet vom Maßstab zur Vermessung der Zeit, den Christian Ecker während der Corona Pandemie entwickelte.
Zitat Christian Ecker: Das ausgedehnte Lineament kann als Zeitwahrnehmung gesehen werden. Die Zeitströmung ist manchmal dichter, intensiver, schneller, und manchmal langsamer, weiter, offener. Das Vergehen der Zeit ist subjektiv und wird von Person zu Person unterschiedlich wahrgenommen. Die Strömungslinien verstehen sich als Sichtbarmachung eines abstrakten Zustandes.
So werden drei unterschiedliche Gestaltelemente in der Deckenzeichnung aufgegriffen und entlang dem Kreuzgratgewölbe rhythmisch miteinander verbunden. Das lineare Ablaufen von Zeit, das sich im Zeitstrahl ausdrückt, der vor allem ein Bild für Vergangenheit und Zukunft darstellt. Die Ausdehnung von Zeit, die in kurzen Strichen übertragen und in mehr oder weniger dichten, wellenartigen Bewegungen sich über das Gewölbe hinziehend unterschiedliche Qualitäten eines gegenwärtigen Momentes anspricht. Und schließlich die Zeitschleife, die zum Spüren und Innehalten auffordert.
Da Zeit weder greifbar noch sichtbar ist, wird sie schnell zu einer Illusion, dennoch ist sie hartnäckig und nicht wegzudenken. Zeit in ihrer unterschiedlichen Qualität wird vom Künstler sichtbar und erfahrbar gemacht. Das Thema Zeit beschäftigte schon Heraklit, Platon und Aristoteles.
Doch selbst im 21. Jahrhundert bleibt sie Physikern wie Philosophen ein Rätsel. Als „physikalische Zeit“ stehen jedem Menschen 24 Stunden pro Tag zur Verfügung. Philosophisch steckt mehr hinter diesen 3600 Sekunden pro Stunde. Zeit ist knapp, wenn sie auf das Ende des Individuums hinausläuft. Vergangenheit und Zukunft sind nur Ideen, besitzen keine reale Existenz.
Mit der Positionierung an der Decke lässt Christian Ecker seine Intentionen, wie auch die von ihm ausgewählten Grundlagen, quasi über den Köpfen schweben und offen vom Eingang in den Raum fließen.
Die Säulenhalle ist heute ein allgemeiner Durchgangsraum, eine Form von luxuriösem Transitbereich. Passanten halten inne, sie nehmen die besondere Atmosphäre wahr. Die markanten Säulen aus Untersberger Muschelkalk inmitten des Raumes erinnern an eine Zeit, in der der vergängliche Aspekt des Individuums im Vordergrund stand und das gesellschaftliche System als eine festgefügte Hierarchie „um zu bleiben“ betrachtet wurde. Ein gesellschaftliches Grunddilemma ist „Keine Zeit zu haben“.
Die künstlerische Intervention wurde von Hand im Oktober 2023 in einem mehrere Wochen andauernden Prozess mit Silikatkreiden umgesetzt. Sie bleibt sichtbar bis Ende 2025.
Christian Ecker1961 in Salzburg geboren1976 Ausbildung zum Lithografenseit 1990 freischaffend1992 Auslandsstipendium für bildende Kunst – Krakau, Polen1993 Förderatelier des Landes Salzburg – Saarbrücken, BRD1994 3. Malersymposium Alpinzentrum Rudolfshütte1995 Förderatelier des Landes Salzburg – Budapest, Ungarn1999 Gastatelier an der Kunstakademie Vilnius, Litauen2000 Malersymposium Silvrett Atelier2001-2012 Klassenleitung Zeichnung – Malerei – Objekt, bei den Hollersbacher Malerwochen2009 Auslandstipendium für bildende Kunst, Frankfurt2015 Fachklasse Fotografie – Fotohof Salzburg2017 Fachklasse Fotografie – Story Telling, Fotohof SalzburgKon.Klave 4 Künstlersymposium Saalbach AIR Stipendium – New York 2020 KEP Arbeitsstipendium, Land Salzburg2021 Gastatelier Gmünd, Kärnten
Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland.Werke in öffentlichen und privaten Sammlungen.
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Vertreten durch:https://galerietrapp.atwww.galerie-ilkaklose.de
Besonderer Dank an:Denkmalamt Salzburg DI Eva Hody, Mag. Judith Schmidt, für die fachliche Expertise, Restaurator Michael Gühl