Über die Auswahl der Künstler sagt Sam Tho Duong: »Ich habe mich davon leiten lassen, was ihr Schmuck in mir auslöste. Alle Schmuckkünstler haben mich in mindestens einer ihrer Schaffensperioden außerordentlich fasziniert. Die Exponate wurden aus unterschiedlichen Werkstoffen und zum Teil mit recht ungewöhnlichen Techniken erarbeitet. So rücken Materialien in den Fokus, die für Schmuck unkonventionell sind, und Wertvorstellungen werden in Frage gestellt.«
Sam Tho Duong selbst hat für diese Ausstellung neben Arbeiten aus seiner Serie »frozen« Halsschmuck mit dem Namen »Tattoo« gewählt. Bei diesen neuen Entwürfen verwandelt er Polsterfolie im Zusammenspiel mit Steinperlen zu filigranen Ketten und verbindet gegensätzliche Elemente miteinander, sowohl gedanklich als auch vom Material her. Polsterfolie vergleicht er mit der abgelegten und somit vergänglichen Haut von Reptilien, während Tatauierungen lebenslange Ornamente bilden. Indem Duong Steinperlen in gewalzte Polsterfolie einsticht, versieht er sie gleichsam mit einem Tattoo.
Zusammen mit den Arbeiten der zehn befreundeten Schmuckkünstler entsteht eine Vielfalt an Themen, die ihren Ausdruck zumeist in Broschen und Halsschmuck finden. Neben der Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit und Beständigkeit geht es darum, mit Schmuck Schönheit auszudrücken oder das Leben zu feiern; ihn als Talisman zum Schutz zu tragen oder aber Kritik zu üben. Bei anderen steht die Verbindung von Analogem und Digitalem im Vordergrund.
Lifu Zhou (*1994 in China, lebt in Pforzheim) macht sich Generative Adversarial Networks (GAN) zunutze und bringt die virtuelle und die physische Welt auf diese Weise in Verbindung. Sein Ziel ist es, auch in einer postmodernen Gesellschaft dem Bedürfnis nach Individualität nachzukommen. Mithilfe des maschinellen Lernens experimentiert er mit einer Vielzahl an Bildern von Mineralien und Korallen und lässt sie im 3D-Druck zu Broschen in unerwartet lebendigen Farben werden
Bei Mirjam Hiller (*1974 in Stuttgart) ist die dreidimensionale Form zunächst in ihren Gedanken vorhanden, die sie in einen (zweidimensionalen) Bauplan auf ein farbig beschichtetes Blech übersetzt. Diesen sägt sie aus und lässt durch Schmieden und Biegen eine plastische Form entstehen: »Eine gewisse Dualität beherrscht meine Arbeit. So folge ich einerseits einem exakten Plan, wie auch die Natur gewissen Regeln folgen muss; andererseits entstehen durch diese Regeln und Einschränkungen immer wieder ungeahnte Möglichkeiten und Freiheiten. Der Arbeitsprozess ist eine Inspiration und öffnet neue Türen«, erläutert Hiller. An dessen Ende liegt dem Betrachter vielgestaltiger und farbenfroher Schmuck vor Augen, mit klangvollen Namen wie »Sound of colors, flowers and fresh moss«.
Bei Silke Spitzer (*1973 in Süddeutschland) steht die schützende Funktion von Schmuck im Vordergrund. Sie richtet den Fokus auf Naheliegendes und »einfachste Mittel«; auf Materialien, Farben und Formen in ihrer Umgebung. Das kann brandenburgischer Holunder sein oder eine Astgabel; Geweih, Furnier, Pappe, Papier, Kork oder Kunststoff. So entstehen Ketten oder Schutzschilde – Talismane und »friedliche Rüstungen«.
Die in Emailmalerei gezeichneten Schattierungen und Farbverläufe von Christoph Straube (*1971 in München) wirken wie dreidimensionale Körper und lassen die Illusion von Räumlichkeit entstehen. Ihre Größe und Transparenz lässt sie voluminös erscheinen und wie selbstverständlich einen Raum einnehmen, der nur in der Vorstellung existiert.
Beschichtete Kameralinsen sind der Ausgangspunkt für die »Holon« betitelten jüngsten Arbeiten von Jiro Kamata (*1978 in Japan, lebt in München). Das Zusammenspiel konkaver und konvexer Linsen unterschiedlicher Farbgebung lässt dreidimensionale Hologrammeffekte entstehen, deren Muster changiert. In Halsschmuck und Broschen spiegelt sich so die Realität – oder, wie Kamata es formuliert, kann die Wahrnehmung der Betrachter verändern.
Für Alexander Blank (*1975 in Büdingen) ist das Schmuckmachen eine Form, über Menschen nachzudenken, Perspektiven jenseits des Traditionellen zu erkunden – und Geschichten zu erzählen. Seine aus handgeschnitztem Hartschaum, Silber und Baumwolle gefertigten Anhänger »Memento Juniori« machen deutlich, dass er sich gerne in Fantasiewelten entführen lässt und die Neugierde auf Unbekanntes inspirierend wirkt.
Eine Geschichte – über die Entstehung eines Werkstoffs – war Anlass für die Serie »Plastic Animals«, die von Helen Britton (*1966 in Australien, lebt in München) zu sehen ist. Die multidisziplinäre Künstlerin hat die Historie des Casein-Kunststoffs Galalith aufgegriffen, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde und mit dem man beispielsweise Knöpfe herstellte. Dafür waren jedoch Millionen von Litern neuseeländischer Milch nach Deutschland importiert worden. Das ließ Britton über Tiere und den Umgang mit ihnen nachdenken, über ihre Formen und das, was ihren Charakter ausmacht. Ein Galalith, der lange Jahre bei ihr in einer Schachtel lag, gab den Ausschlag, aus dem Casein-Kunststoff schmucke Tiere werden zu lassen.
Seit 2002 arbeitet auch David Bielander [*1968 in Basel, lebt in München) im selben Studio wie Helen Britton. Sein Schmuck birgt oftmals Überraschungsmomente, die zum Nachdenken anregen. Ihm geht es darum, die Vielschichtigkeit sichtbar zu machen, die Dingen je nach Betrachtungsweise innewohnt. Dazu zählen auch die hier ausgestellten Arbeiten der Serie »Wellpappe«. Sie sehen zwar aus wie Wellpappe, sind jedoch aus Gold und Silber gefertigt, ob Armreif oder Uhr, Krone oder Kruzifix.
Inspirationsquellen für den Schmuck Daniel Krugers (*1951 in Kapstadt, lebt in München) sind natürliche Formen und Artefakte jeglicher Art, ob historisch oder zeitgenössisch. Das Spektrum seiner Arbeiten reicht von organisch bis geometrisch und zeichnet sich durch besondere Strukturen, Muster oder Farben aus. Kruger mag Symmetrie und gestaltet oft Stücke aus Paaren. Die handwerkliche Ausführung ist für ihn Teil des kreativen Prozesses. Selbst sagt er über seine Arbeiten: »Der Schmuck, den ich herstelle, soll einen Menschen verschönern, er soll ein Fest sein.«
Kurz und bündig seien abschließend Paul Derrez‘ (*1950 in den Niederlanden) Stücke, die oft in Silber mit Acryl und in Serienproduktion gefertigt sind, mit seinen eigenen Worten geschildert: »Mein Schmuck hat regelmäßig eine spielerische, ironische oder kritische Wendung, die das Leben feiern soll.«
Beteiligte Künstlerinnen und Künstler(fett = in der Sammlung des Schmuckmuseums vertreten): David Bielander, Alexander Blank, Helen Britton, Paul Derrez, Sam Tho Duong, Mirjam Hiller, Jiro Kamata, Daniel Kruger, Silke Spitzer, Christoph Straube, Lifu Zhou
Der Eintritt ist in den Besuch der Dauerausstellung inbegriffen.
Öffnungszeiten des Schmuckmuseums Pforzheim Di bis So und feiertags 10 bis 17 Uhr (außer Hl. Abend und Silvester) | Eintritt in die Sonderausstellung 10 €, ermäßigt 8,50 €, Familienkarte 18 € | Eintritt in die Dauerausstellung 4,50 €, ermäßigt 2,50 € | Kombiticket Dauer-/Sonderausstellung 12,50 €, ermäßigt 10 €, Familienarte 22 € | bis 14 Jahre und mit Museums-Pass-Musées frei | Gruppenführungen auf Anfrage | Öffentliche Führung durch die Dauerausstellung sonntags 15 Uhr, 6,50 €, ermäßigt 4,50 € | Förderverein ISSP | www.issp-schmuckmuseum.de | Medien- bzw. Kulturpartner des Schmuckmuseums sind Pforzheimer Zeitung und SWR2 | Weitere Informationen unter www.schmuckmuseum.de
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