Ab 16. September 2014 ist im Bröhan-Museum in einer veränderten Ausstellungsarchitektur eine Neupräsentation der reichen Bestände aus der Epoche des Jugendstil zu sehen. Gezeigt werden beispielsweise Werke von der Pariser Weltausstellung 1900, der Arts and Crafts-Bewegung, der Wiener Werkstätte, von Künstlern und Firmen wie Alfons Mucha, Alfred Grenander, Henry van de Velde, Johann Loetz Wwe., Peter Behrens und Bruno Paul. Die Ausstellung präsentiert Möbel, Grafik, Porzellan, Glas, Textilien und Metall.Der Jugendstil wird in der Neupräsentation als gesellschaftliches Phänomen dargestellt. Wie immer man die Bewegung bezeichnet – ob Jugendstil, Art Nouveau, Secessionsstil oder Stile Liberty – sie war mehr als nur eine Stilrichtung. Dahinter stand vielmehr der Versuch, eine neue, alle Lebensbereiche umfassende Ästhetik zu entwickeln. Es wurden gestalterische Antworten gesucht auf Widersprüche, die direkt oder indirekt mit der Industrialisierung zusammenhingen. Die Natur war nicht nur Inspirationsquelle für eine neue Ornamentik, sondern auch Leitbild für ein besseres Lebensmodell. Symbolismus, Traum- und Märchenwelten prägten die Motivik und ließen die oftmals wenig erfreuliche Realität des Alltags vergessen.
Der Rundgang beginnt mit den Zeitschriften „Jugend“ – die der Bewegung in Deutschland ihren Namen gegeben hat – und „Simplicissimus“. Beide Zeitschriften erschienen seit den 1890er Jahren. Sie hatten zum Ziel, neue, unverbrauchte Ausdrucksformen zu entwickeln und diese auch in der Gesellschaft zu verbreiten. Dialogisch dazu werden Beispiele moderner Möbel und Silberarbeiten aus Großbritannien gezeigt. Die englische Arts and Crafts-Bewegung kann als wichtiger Impulsgeber für die Erneuerung der Angewandten Kunst angesehen werden. Der zweite Raum ist der Pariser Weltausstellung von 1900 gewidmet. Historische Ansichten der gigantischen Ausstellungsbauten werden mit Jugendstilobjekten aus Glas, Porzellan und Zinn konfrontiert. Ein weiterer Themenschwerpunkt der Neupräsentation betrifft die Art Nouveau-Bewegung in Frankreich, für die die Pariser Galerie „L’Art Nouveau“ von Siegfried Bing namensgebend wurde. Das im Bröhan-Museum gezeigte Speisezimmermobiliar von Eugène Gaillard entstand im Auftrag von Bing. Die lothringische Variante des „neuen Stils“ wird mit Mobiliar von Louis Majorelle sowie Glasobjekten von Émile Gallé und Daum Frères veranschaulicht. Mit Hector Guimard und Alfred Grenander wird an zwei Gestalter erinnert, die sich nicht nur der Einrichtungskunst, sondern auch dem neuen Verkehrsmittel Untergrundbahn widmeten: der Métro in Paris und der U-Bahn in Berlin. Im Paris der Jahrhundertwende war neben Siegfried Bings Galerie „L‘Art Nouveau“ das Einrichtungshaus „La Maison Moderne“ eine bekannte Adresse. Eine Vorstellung von den Dingen, die man dort kaufen konnte, vermitteln verschiedene Porzellane, Metallobjekte und ein Plakat von Maurice Biais. Der flämisch-belgische Künstler Henry van de Velde ist in der Neupräsentation im Bröhan-Museum mit seinem sogenannten „Uccle-Mobiliar“ vertreten.
Dass der Jugendstil in seinen regionalen Varianten zu sehr unterschiedlichen Gestaltungsformen fand, wird bei der Auswahl von Werken der Wiener Werkstätte, der Darmstädter Mathildenhöhe und von Heinrich Vogeler aus Worpswede deutlich. Zwischen Handwerk und Industriedesign wiederum bewegen sich die Entwürfe von Peter Behrens, Richard Riemerschmid und Bruno Paul. Der Rundgang endet mit dem „Typenmöbel“- oder „Werkbundstreit“ der Kölner Werkbundausstellung von 1914 und weist damit bereits über die eigentliche Jugendstilepoche hinaus in die weitere Designgeschichte des 20. Jahrhunderts.