Sie sind prächtig, aufregend und wertvoll: Schmuckstücke aus den Metropolen haben alle das besondere Etwas. In der Ausstellung »Stadtluft — Schmuck aus Zentren der Welt« im Schmuckmuseum Pforzheim sind vom 10. Juli bis 1. November Schmuckstücke von der Antike bis ins 20. Jahrhundert zu sehen, die alle in großen Städten entstanden sind. »Es braucht dafür das entsprechende Klima und die gesellschaftlichen Anlässe«, erläutert Cornelie Holzach, Leiterin des Schmuckmuseum Pforzheim und Kuratorin dieser Ausstellung. Die Ausstellung ist Teil des Kulturfestivals WerkSTADT der Stadt Pforzheim.Diamanten trugen die Damen nicht vor und Perlen nicht nach fünf Uhr. Wer zum Tee eingeladen wurde, brauchte die passenden Schmuckstücke. Doch nicht nur in London, auch in Paris verzierten spektakuläre Stücke Hals, Arm oder Finger der Frauen. Es gibt Schmuck, der nur in großen Städten entstehen und auch getragen werden kann, so die zentrale Aussage dieser Ausstellung.
In der Sonderausstellung sind rund 100 Exponate zu bestaunen. Beleuchtet werden Zentren vergangener Epochen wie Pompeji, Rom, Byzanz und Konstantinopel, aber auch die großen Handelsstädte der beginnenden Neuzeit von Florenz über Paris und Augsburg bis ins Hamburg und Berlin der 1920er Jahre. Das urbane Leben bringt zeittypischen Schmuck hervor, in dem sich die Mode und das Lebensgefühl spiegeln. In einem reichen gesellschaftlichen Leben entwickelt sich auch eine reichhaltige Schmuckkultur.
Zum Beispiel steht das goldene Armband aus Pompeji, das im ersten Jahrhundert nach Christus aus reinem Gold filigran gefertigt wurde, für solch kostbaren Schmuck, der in einem urbanen Umfeld getragen wurde. Der materielle Wert und die hochwertige Verarbeitung sind diesem Unikat anzusehen. Die Konkurrenz in den Metropolen ist groß, viele gute Handwerker siedeln sich in den Städten an, hier haben die oberen Schichten die Mittel, um sich kostbaren Schmuck zu kaufen.
Im Mittelalter bildeten sich die freien Städte aus, in denen eine reiche Bürgerschaft dominierte und Schmuck anfertigen ließ. Handwerker gingen auf die Walz, Unfreie entzogen sich unter dem Rechtsgrundsatz »Stadtluft macht frei« ihren Grundherren. Ein Beispiel für Schmuck aus den großen Handelsstädten in der Renaissance ist ein kostbarer Papagei-Anhänger, der vermutlich aus Augsburg stammt. Er ist reich mit Gold, Perlen, Edelsteinen und Email verziert und diente als Hochzeitsschmuck.
Im Barock wurde die Architektur ganzer Städte auf ihre Schlösser ausgerichtet, die Zentren von Politik und Gesellschaft sowie des höfischen Lebens absolutistischer
Herrscher waren — seien es Versailles oder Schönbrunn bei Wien, Nymphenburg in München oder Karlsruhe. Ins dortige Leben war Schmuck vielfach die Eintrittskarte.
In den Varietés und Theatern wird zu Beginn des 20. Jahrhunderts avantgardistischer Jugendstilschmuck getragen. Zu sehen sind aus dieser Zeit unter anderem eine florale Brosche »Chrysanthemen«, deren Blüten aus gegossenem Glas von dem berühmten Schmuckgestalter René Lalique stammen; ebenso eine weitere Brosche aus Paris, ein großer, grün-blau glitzernder Fisch mit ausgebreiteten Flossen, klaren Augen und Naturperlen als Beute im Maul von Georges Fouquet. Er verwendete für diese besondere Corsage mit dem Titel »Poisson« einen sehr großen Perlmutt-Teil in Gestalt eines Fischleibes.
Im Art déco wird der Bergkristall hoch geschätzt und kombiniert mit in Platin gefassten Saphiren und Diamanten. Georges Fouquets Sohn Jean hat beispielsweise sehr edle und harmonische Broschen kreiert, etwa aus Bergkristall, Gold, hochwertigem Turmalin und Perlen. Anhand der technoiden Formensprache — den Kreisen — lassen sich Zahnräder assoziieren, die Verwendung von Zuchtperlen legt Zeugnis ab vom Beginn dieses Industriezweigs. Erstmals wird bewusst mit matten und glänzenden geometrischen Flächen gespielt. Die »Neue Sachlichkeit« hält Einzug in viele künstlerische Bereiche, wird zum Lebensgefühl.
Berühmte Goldschmiede und Juweliere arbeiteten in den großen Städten und reisten von Florenz nach London oder Neapel, ließen sich vom Flair der Metropolen anregen und tauschten sich aus. Es entstanden Anhänger aus Gold, Rubinen und Diamanten in aufwändigen Formen, vergoldete Gürtelschließen mit sanft schimmerndem Mondstein oder auch symbolträchtige Fingerringe.
Es wird viel und auch sehr auffälliger Schmuck getragen, die teils spektakulären Stücke sorgen in den Pariser Salons für Gesprächsstoff. Ob Halsketten, Broschen an Kragen oder Ausschnitt, Ringe oder Armreifen: Die ganze Palette möglicher Schmuckstücke wird ausgereizt. Gegen Mitte des 20. Jahrhunderts sind die Stücke in den Metropolen wieder dezenter: Die zwei Clip-Broschen aus Gold und Topasen von Cartier in London zeugen von einer schlichten Eleganz in Form und großen Wertigkeit im Material.
Ein Highlight der Ausstellung ist die orangerot funkelnde, fein geschliffene Tiffany-Brosche aus der Sammlung des Schmuckmuseums Pforzheim, die mit kleinen Diamanten verziert ist.
Ob zeitlos elegant, aufwändig, prachtvoll oder dezent: Alle Exponate zeugen von einer hohen Virtuosität und Kreativität, wie sie eben nur die pulsierenden Metropolen hervorbringen konnten. Den Besucher erwartet eine spannende Zeitreise durch die Epochen und die wichtigen Zentren der Welt, in denen Schmuckgeschichte geschrieben wurde.