Was mich sofort an den beiden Werken von Josef Sudek in unserer Ausstellung faszinierte, ist deren Leichtigkeit und Zartheit. Sie sind verträumt oder erinnern an einen leicht nebelverhangenen Tag. Ein feiner Rosenzweig und ein Ensemble weißer Kirschblüten, wahrscheinlich aus dem Garten des Künstlers, stehen in einfachen Gläsern auf einem Tisch oder auf einer Fensterbank mit Blick in einen Garten. Es sind wunderschöne, poetische Kompositionen in Schwarzweiß, die in Sudeks bescheidenem Gartenatelier in Prag entstanden. Der Zyklus „Das Fenster meines Ateliers“ ist einer der bekanntesten des Künstlers, an dem er zwischen 1940 und 1954 arbeitete.Josef Sudek, eigentlich gelernter Buchbinder, wird im Ersten Weltkrieg schwer verletzt, sodass sein rechter Arm amputiert wird. Er muss sich neu orientieren. Die Fotografie faszinierte ihn schon lange, und er experimentierte mit verschiedenen Kameras bereits vor dem Krieg. Trotz seines Handicaps beschließt er, professionell zu fotografieren, studiert und zieht mit einer alten, schweren Plattenkamera durch sein geliebtes Prag. Interessant ist, dass ein Großteil seiner Aufnahmen mit großformatigen Kameras entstand und er Großnegative verwendete, die er bis zum Format 30 × 40 cm belichtete.
Mich fasziniert die Leidenschaft Josef Sudeks für die Fotografie, für das Experimentieren und Erarbeiten neuer Techniken, trotz seines Schicksals und der Kriegszeiten, die sein Leben prägten. Das eigentlich Unspektakuläre wird in seinen Arbeiten einzigartig, und die Liebe für die einfachen Dinge ist sichtbar. Er zählt zu Recht zu den bedeutendsten Fotografen der Fotogeschichte.
Katja OttGallery Director