Vom 15. bis zum 17. November 2016 wird das Taunusstädtchen Königstein wieder zum Ziel von Buch- und Kartenfreunde aus aller Welt, wenn im Haus Reiss & Sohn die diesjährigen Herbstauktionen stattfinden. Mehr als 2.100 wertvolle Drucke und Handschriften und über 1.000 seltene Landkarten, Ansichten und graphische Blätter kommen unter den Hammer.Ein Wiegendruck mit Verweis auf die Erfindung des BuchdrucksZu der überschaubaren Zahl von deutschen Bibliophilen, die bedeutende Inkunabelsammlungen angelegt haben, zählt der Verleger Kurt Wolff. Seine exquisite Sammlung von Wiegendrucken wurde 1926 in Frankfurt versteigert. Aus jener Sammlung stammt die berühmteste biblische Exegese des Mittelalters, die gleichzeitig einer der ersten gedruckten Bibelkommentare überhaupt darstellt, die "Postilla super totam Bibliam" von Nicolaus de Lyra. Das selten komplett vorkommende Buch im schönen Druck von Johann Mentelin aus dem Jahr 1472 wird auf 15.000 € taxiert.
Reformation und HumanismusDer Auktionskatalog verzeichnet mehr als 300 Drucke des 16. Jahrhunderts. Allein 40 Lose fallen dabei dem Themengebiet Reformation zu, darunter 10 Lutherschriften, meist in ersten Ausgaben, mit Luthers Tischreden von 1567 (Schätzpreis 600 €), seiner "Vermahnung zum Frieden", 1547 (600 €) und dem "Sermon von dem neüwen Testament", 1520 für 1.500 €. Ulrich von Hutten ist sowohl mit einem Erstdruck seiner berühmten Satiren in Dialogform von 1520 vertreten, dessen Titel ein superber karikierender Holzschnitt ziert (1.200 €), als auch mit deren Fortsetzung von 1521, den "Dialogi nuovi", mit Hutten in Rüstung als Titelholzschnitt von Baldung Grien (1.200 €). Voller düsterer Prophezeiungen ist das Hauptwerk des Humanisten Josef Grünpeck, der zeitweise Hofhistoriograph Kaiser Maximilians I. war. Für seinen astrologischen "Speculum naturalis coelestis & propheticae visionis" in der seltenen Erstausgabe von 1508, der später auf den Index gesetzt wurde, werden 4.500 € erwartet.
Monumentale Atlanten und ein Reiseglobus im TaschenformatEin Glanzpunkt bei Reiss & Sohn sind traditionell die frühen und seltenen Atlanten, von denen diesmal über 100 zum Ausruf kommen. Zu den schönsten Stücken zählt dabei zweifelsohne Ortelius’ "Theatrum orbis terrarum" in einem altkolorierten Exemplar der ersten, 1579 bei Plantijn gedruckten Ausgabe (Schätzpreis 30.000 €). Prächtig ist ebenfalls der 1633 erschienene seltene Ergänzungsteil zu Mercators "Atlas Maior" mit 104 doppelblattgroßen kolorierten Kupferkarten, edel gebunden in Pergament mit gepunztem Goldschnitt (50.000 €). Der China-Atlas von Martino Martini aus dem Jahr 1655 vermittelt das kartographische Bild des China der Ming-Zeit (15.000 €). In der sehr ansehnlichen Reihe von bedeutenden und schönen See-Atlanten sticht der "Zeespiegel" von Willem Blaeu hervor, hier in der äußerst seltenen frühen Ausgabe von 1631 (geschätzt auf 30.000 €). Gleichauf mit dieser Taxe ist der nicht minder schöne "Neptune françois" von 1693, seinerzeit der teuerste in Amsterdam gedruckte Seeatlas. Eine beeindruckende Riege von weiteren Kartographen großen Ranges ist in der Auktion vertreten, mit ihren Karten die Vermessung der Welt bis zum Ende des 17. Jahrhunderts eindrucksvoll dokumentierend. Nicht zwischen Buchdeckeln, sondern auf einer Pappkugel bildet ein reizvoller kleiner Taschenglobus von ca. 1775 die damalige Welt ab. Die kugelförmige, mit Haifischleder bezogene Büchse, die das Kleinod von 7 cm Durchmesser umschließt, birgt auf den Innenseiten zusätzlich einen Himmelsglobus (6.000 €).
Reisewerke und Fotoalben – auf den Spuren von Forschern und EntdeckernAuf der südlichen Hemisphäre jenes Taschenglobus ist der Verlauf von James Cooks erster Reise von 1760 linear abgebildet. Wer hingegen alle drei berühmten Entdeckungsreisen Cooks genau verfolgen möchte, der findet in der Reiseabteilung des Auktionshauses die reich illustrierten Erstausgaben der Berichte samt Atlasband (erschienen 1773–1784), in 9 Bänden (fast) uniform in hübsche Lederbände gebunden, zum Schätzpreis von 12.000 €. Für die Erstausgabe von Cooks dritter Reise werden 3.000 € erwartet, hier wie selten ganz komplett in 5 Bänden. Großartige visuelle Eindrücke anderer Art vermittelt das frühe, künstlerisch wertvolle Fotografiewerk über den Nahen Osten von Francis Frith, der zwischen 1856 und 1860 drei Mal die Levante bereiste (15.000 €).
Russlands schönste SeitenRusslands Geschichte und Kunstgeschichte wurde in dieser Auktion ein eigenes Kapitel gewidmet, von seltenen Reisebeschreibungen über prachtvolle Ansichtenwerke bis hin zu Kinderbüchern mit den berühmten russischen Jugendstil-Illustrationen. Herausragend sind darin das prächtige Werk über den Bau der St. Petersburger Alexander-Säule, entworfen von dem französischen Architekten Auguste de Montferrand aus dem Jahr 1836 (6.000 €) und der seltene, 1877 erschienene Band von A. A. Martynow mit 40 Ansichten der hervorragendsten russischen Baudenkmale (7.500 €).
Die erste gedruckte Karte von JapanMit 1666 Positionen entfallen auf die Geographie in der Herbstauktion noch rund 200 Positionen mehr als auf den Buchkatalog. Somit behauptet Reiss & Sohn souverän die bundesweite Spitzenstellung bei Auktionen mit den Themengebieten Geographie, Reisen und Topographie. Enthalten sind darunter eine größere Menge von Landkarten des Nahen Ostens und der Arabischen Halbinsel, die aus einer Privatsammlung stammen und das große Osmanische Reich abbilden, das sich im gesamten östlichen Mittelmeerraum über drei Kontinente erstreckte. Aufmerksamkeit dürften auch die mehr als 30 Japan-Karten erzeugen, die von verschiedenen Kartographen stammen und in einem Zeitraum von rund 200 Jahre entworfen wurden, darunter die seltene, erste gedruckte Karte von Japan aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (1.000 €).
Reiss & SohnBuch- und Kunstantiquariat – Auktionen e.K.