„Es lebe die Mode – nieder mit der Kunst“Schon seit Baudelaire (1821–1867) gilt die Mode als Inbegriff des Modernen. Er verwendet die Begriffe „Mode“ und „Moderne“ nahezu synonym und bezeichnet sie als das Vergängliche, Flüchtige und Mögliche. Die Modernisierung der Gesellschaft spiegelt sich im fortschrittlichen Modebewusstsein von KünstlerInnen, die damit zugleich neue progressive Rollenbilder propagieren. Sonia Delaunay (1885–1979), russisch-französische Malerin und Designerin, verfolgt konsequent den Weg von der Kunst in die Mode, um das Image der modernen Frau zu verbessern. In der Ausstellung sind Entwürfe für ihre berühmten abstrakten Stoffe zu sehen. Mit den Futuristen – allen voran Giacomo Balla – und Sonia und Robert Delaunay oder Sophie Taeuber-Arp wird es sichtlich bunt in der Moderne. Balla etwa unterzieht den männlichen Anzug mit seinen schrill- dynamischen Neuinterpretationen einer grundlegenden Revision und produziert 1914 als Erster einen Overall.
Dass auch die Wiener Moderne an diesem Aufbruch wesentlich teilhatten, beweisen die Wiener Modeproduktion um 1900 mit Kolo Moser, Gustav Klimt und Emilie Flöge sowie einzelne Positionen der Wiener Werkstätte. Darüber hinaus veranschaulicht Reflecting Fashion die wesentliche Rolle des Surrealismus im Wechselspiel von Kunst und Mode. Max Ernst propagiert mit seiner Devise „Fiat modes – pereat ars“ („Es lebe die Mode – nieder mit der Kunst“) eine Vormachtstellung der Mode gegenüber der Kunst. Auch die legendären Modeschöpferinnen Elsa Schiaparelli (1890–1973) und Coco Chanel (1883–1971) sind eng mit der Kunst verbunden. Ein wesentliches Ausstellungsstück ist Schiaparellis berühmtes „Hummerkleid“ (Woman’s Dinner Dress, 1937), das sie zusammen mit Salvador Dalí entwarf und das auf dessen – in der Pariser Surrealistenausstellung (1938) gezeigtes – „Hummertelefon“ (Téléphone-homard, 1936) Bezug nimmt. Der spanische Künstler gestaltete zwischen 1939 und 1971 insgesamt vier Titelseiten der Vogue, die auch dem Kleid mit Hummerdruckmuster eine Fotostrecke widmete.
„Alles wird Kunst sein, und nichts wird Kunst sein ...“ In den Aufbruchsbewegungen der 1960er-Jahre – Pop Art, Fluxus oder Neodada – wird die Mode populär. Performative und medienübergreifende Ansätze bestimmen die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema. Besonders die Pop Art-Ikone Andy Warhol versteht es virtuos, Kunst, Mode, Glamour und Business zum Gesamtkunstwerk zu verbinden. Reflecting Fashion präsentiert Warhol als Modell und Trendsetter.
Ebenfalls in der Ausstellung vertreten sind beispielsweise Yayoi Kusamas teigwarenbesticktes Golddress (1966) oder Christos überdimensioniertes Wedding Dress (1967), das im Rahmen einer Modeschau anlässlich einer Ausstellungseröffnung in Philadelphia erstmals von einem Model durch den Raum gezogen wird und einen ebenso kritischen wie ironischen Beitrag zur Mode liefert. Einen wichtigen Themenbereich bilden nicht zuletzt die feministischen Arbeiten von Martha Rosler, Sanja Iveković oder VALIE EXPORT.
Kunst und Mode in der Gegenwart Wie die Präsentation im mumok dokumentiert, haben KünstlerInnen seit Beginn der Moderne mit DesignerInnen kooperiert. Ab den 1980er-Jahren entstehen immer engere Vernetzungen zwischen den Genres. Kunst- und Modewelt erobern einen festen Platz im Alltag und entwickeln sich immer mehr zu einem Big Business. Internationale Kollaborationen von KünstlerInnen, DesignerInnen oder anderen Kreativschaffenden machen Schlagzeilen. Die amerikanische Fotokünstlerin Cindy Sherman arbeitet mit unterschiedlichen Labels zusammen – darunter Comme des Garçons, Issey Miyake oder Balenciaga – und ist in der Ausstellung mit mehreren Arbeiten vertreten. Sylvie Fleury inszeniert mit ihrem Formula 1 Dress (1999), produziert von Hugo Boss, einen Rennanzug von Mika Häkkinen als Kultobjekt. Der österreichische Künstler Erwin Wurm realisiert eine Skulptur für Hermès, und Elfie Semotan – deren Modefotos Martin Kippenberger zu Bildern inspirierten – verbindet eine langjährige intensive Zusammenarbeit mit dem Modeschöpfer Helmut Lang.
Viele zeitgenössische KünstlerInnen, darunter Pawel Althamer, Milica Tomić oder Maja Bajević, begreifen Mode als eine „Kunst des Gedächtnisses“ – Kleidung ist für sie vor allem als Material oder Werkzeug interessant. Die 1967 in Sarajevo geborene Künstlerin Maja Bajević näht in Dressed up (1999) Jugoslawien als neues Kleid zusammen und übersetzt so Erinnerung ins Textile.
Die Ausstellung wurde von Susanne Neuburger in Zusammenarbeit mit Barbara Rüdiger konzipiert und wird parallel zum Summer of Fashion im MuseumsQuartier Wien eröffnet.
AusstellungskatalogDer Katalog zur Ausstellung widmet sich einzelnen Schwerpunkten wie Mode und Moderne, Surrealismus und 1960er-Jahre, Mode und Avantgarde sowie Kleidung und Architektur. Er enthält ein Vorwort von Karola Kraus und Texte von Hans-Georg von Arburg, Elena Esposito, Silvia Eiblmayr, Elfriede Jelinek, Susanne Neuburger, Barbara Rüdiger und Angela Völker.
AusstellungsdisplayAuch das Ausstellungsdisplay orientiert sich an Fragen der Mode und wurde von den beiden Künstlerinnen Julia Hohenwarter und Liesl Raff entworfen.
KünstlerInnen und DesignerInnen in der Ausstellung Vito Acconci / Fred Adlmüller / Pawel Althamer / Apparatus 22 (Erika Olea, Maria Farcas, Dragos Olea, Ioana Nemes) / Hans Arp / Maja Bajević / Giacomo Balla / Herbert Bayer / Hans Bellmer / Joseph Beuys / BLESS / Alighiero Boetti / Cosima von Bonin / André Breton / Kaucyila Brooke / Daniel Buren / Hussein Chalayan / Christo / Die Damen (Ingeborg Strobl, Ona B., Evelyne Egerer, Birgit Jürgenssen) / Sonia Delaunay / Marcel Duchamp / Ines Doujak / Madame d’Ora / Max Ernst / VALIE EXPORT / Alexandra Exter / The Factory of Found Clothes (Natalya Pershina- Yakimanskaya, Olga Egorova) / Marina Faust / Trude Fleischmann / Sylvie Fleury / Lucio Fontana / Marcus Geiger / Isa Genzken / Rudi Gernreich/ George Grosz / Maria Hahnenkamp / Raoul Hausmann / Tibor Hajas / Róza El-Hassan / Kurt Husnik / Sanja Iveković / Birgit Jürgenssen / Allen Jones / Tadeusz Kantor / Ellsworth Kelly / Martin Kippenberger / Gustav Klimt & Emilie Flöge / Jakob Lena Knebl / Milan Knížák / Daniel Knorr / Christof Kohlhöfer / Silvia Kolbowski / Germaine Krull / Elke Krystufek / Friedl Kubelka / Yayoi Kusama / Maria Likarz-Strauss / El Lissitzky / George Maciunas / René Magritte / Christopher Makos / Man Ray / Lucia Moholy / Regina Möller / Kolo Moser / Helmut Newton / Olaf Nicolai / Marzena Nowak / Meret Oppenheim / Ferhat Özgür / Mai-Thu Perret / Lil Picard / Liubov Popova / Stephen Prina / Florian Pumhösl / Felice Rix / Alexander Rodtschenko / James Rosenquist / Martha Rosler / Ed Ruscha / Wally Salner / August Sander / Hans Scheirl / Klaus Scherübel / Markus Schinwald / Elsa Schiaparelli & Salvador Dalí / Johannes Schweiger / Kurt Seligmann / Elfie Semotan / Cindy Sherman / Niki de Saint Phalle / Oskar Schlemmer / Nedko Solakov / Edward Steichen / Alfred Stieglitz / Warwara Stepanowa / Ingeborg Strobl / Struppi (Gerhard Stecharnig) / Sophie Taeuber-Arp / Atsuko Tanaka / Wladimir Jewgrafowitsch Tatlin / Wolfgang Tillmans / Milica Tomić / Rosemarie Trockel / Nadim Vardag / Andrea van der Straeten / Franz Erhard Walther / Andy Warhol / Karlheinz Weinberger / Vally Wieselthier / Stephen Willats / Wols / Erwin Wurm / Andrea Zittel / Heimo Zobernig
Unser Dank gilt dem Art Photography Fund, Hauptspnsor der Ausstellung, ebenso Backhausen und ERSTE Foundation, Sponsoren der Ausstellung, sowie den Medienpartnern Der Standard, FM4 und Wien live.
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