Die umfangreiche Ausstellung von Josef Váchal demonstriert auf 1000 m² dessen künstlerische Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung von bisher selten präsentierten und oft unterschätzten Teilen seines Schaffens, die seine künstlerische Entwicklung, seine Techniken, Stile und Themen besonders deutlich zeigen. Vorgestellt werden Holzschnittzyklen, Malerei und ein Ensemble von Zeichnungen, darunter Váchals bekannteste Arbeit, die von Fachleuten zu den bedeutendsten Werken des 20. Jahrhunderts gezählt wird: Der sterbende und romantische Böhmerwald. Dieses auf 11 Exemplare limitierte und zwischen 1928 und 1931 herausgegebene Druckwerk Váchals ist mit seinen großformatigen Farbholzschnitten, die den Eindruck von Malerei evozieren, nicht nur ein künstlerisches Kleinod, es handelt sich dabei zugleich um ein kulturhistorisch und naturwissenschaftlich höchst bedeutendes Werk.
Váchal war ein großer Kenner des Böhmerwaldes, er hat ihn vielmals durchwandert, erforscht und auch seine abgelegensten Ecken gekannt. Der sterbende und romantische Böhmerwald ist ein Ausdruck seiner großen Liebe zu dieser Region, zur wilden Natur und gleichzeitig auch eine Äußerung seiner Befürchtungen, dass dieser Wald durch die Zivilisation vernichtet werden könnte. Als Bewunderer William Blakes (1757–1827) war Váchal in seinem künstlerischen Schaffen bald von der Tschechischen Sezession beeinflusst, für welche die Annäherung zur literarischen Strömung des Symbolismus wie auch zur Musik und vor allem zur Buchgestaltung typisch war. Die gedankliche Tiefe und auch die originelle Form seines Werkes wurden zu seinen Lebzeiten allerdings nur sporadisch geschätzt. Er arbeitete bis zu seinem Tode, war aber ziemlich vereinsamt. Josef Váchal hat zwar eine erste Wiederentdeckung sowohl seiner Persönlichkeit als auch seines Werks in den 1960er Jahren noch wahrgenommen – 1968 erwarb das Nationalmuseum etliche seiner Arbeiten und fünf Tage vor seinem Tod im Mai 1969 erhielt er sogar den Titel eines Nationalkünstlers –, die folgende Zeit der „Normalisierung“ stürzte sein Werk aber nachhaltig in die Vergessenheit. Es sind die bewundernswerten Taten jener, welche Váchal nicht vergaßen, sein Werk sammelten und aufbewahrten, damit er in der neuen freien Zeit wiederentdeckt, verstanden und bewundert werden kann.
Die Fotodokumentation Josef Seidel und František Seidel ist eine weitere Einzelausstellung, die das Egon Schiele Art Centrum in der Hauptsaison 2015 vorstellt. Genau vor 110 Jahren begann in Krumau der Aufbau des damals modernsten Fotoateliers in Südböhmen. Zugleich ist es 2015 zehn Jahre her, dass der Krumauer Entwicklungsfonds mit dem Aufbau des heutigen Museums im Gebäude des ehemaligen Fotoateliers Seidel begonnen hat. Die aktuelle Präsentation ist die bisher umfangreichste Ausstellung von Seidels fotografischem Werk. Seidels Blicke auf den Böhmerwald sind ein fotografischer Schatz, der in Europa sein Äquivalent sucht: 140.000 ungefähr 100 Jahre alte Aufnahmen auf Glasplatten sowie Negative und Postkarten sind hier zu besichtigen. Diese Bilder rufen Orte in Erinnerung, die aufgrund des Eisernen Vorhangs schon lange nicht mehr existent sind und bilden zugleich eine außergewöhnliche Chronik des Lebens im Böhmerwald: Josef und František Seidel haben in ihren Schwarzweiß-Fotografien weniger die bedeutendsten Ereignisse ihrer Zeit als vor allem alltägliche, scheinbar einfache und somit besonders typische Dinge des Lebens in diesem Landschaftsraum festgehalten. Die Motive aus dem Alltag im Böhmerwald zählen daher zur wichtigsten Hinterlassenschaft des Fotoateliers Seidel.
Um außerordentliche Exponate handelt es sich desgleichen bei František Seidels edlen Autochromen – eine Aufnahmetechnik, die 1903 von den Brüdern Lumière in Frankreich erfunden wurde. Seidel hat als einer der ersten professionellen Fotografen in Böhmen begonnen, diese Technik für die Erzeugung von Postkarten zu nutzen. Er fotografierte in dieser Technik ganze Serien von Krumau und dem Boubín-Urwald, und die Besucher der Ausstellung können zum ersten Mal diese 100 Jahre alten Originale, die bislang nicht öffentlich zugänglich waren, sehen.
Drei parallele Einzelausstellungen präsentieren dazu je eine zeitgenössische, von der Natur des Böhmerwaldes inspirierte Künstler-Position: Ölmalerei, Gouachen, eine Installation und eine Video-Animation der österreichischen Künstlerin Karin Pliem, Ölmalerei der deutschen Künstlerin Katharina Dietlinger und Malerei des tschechischen Künstlers Ondřej Maleček. Diese Arbeiten beziehen sich auf das gemeinsame Thema Natur, allerdings mit unterschiedlichen Herangehensweisen: von der einfachen Linie der Zeichnung über monumentale, pastose Malerei bis zu dynamischen Bildern mit fast kinetischen Illusionen.
Zu ihren teils großformatigen Ölbildern sagt Karin Pliem: „Auf meinen Leinwänden erörtere ich potenzielle Übereinkünfte von Natur und Zivilisation, indem ich bildlich transformierte Darstellungen verschiedenartiger Lebewesen aus unterschiedlichen Ökosystemen und Weltregionen in jeweils differente Konstellationen bringe. Die Organismen in meinen Bildern mutieren, konkurrieren und interagieren, bilden neue Formen und Konstellationen und finden im Gesamten – im Bild und als Bild – letztlich immer zu einem Verbund. Der Mensch tritt in meinen Bildern nicht sichtbar auf, aber ich lade ihn ein, visuell, gedanklich und emotional in diese Szenarien einzusteigen, auch, um sich womöglich irgendwo darin zu finden.“ (www.karinpliem.at)
„Wiese und Wald liegen vor meiner Haustür“, sagt Katharina Dietlinger, wenn sie über ihre in grünen Farbtönen pastos gemalten Waldlandschaften spricht. Ihre Haustür befindet sich im oberpfälzischen Wildeppenried, ihre Landschaftsbilder geben aber weniger einen konkret bestimmbaren Naturabschnitt wieder als aus distanzierter Sicht ein Bild von Natur zu liefern, die in ihrer geregelten Strukturierung den Blick des Menschen reflektiert, der sich ihr längst entfremdet hat. „Als Malerin bin ich immer auf der Suche nach guten Bildern. In meiner Malerei verarbeite ich das, was ich gesehen und erlebt habe: entweder Eindrücke aus der Umwelt oder Details aus vorangegangenen Bildern. Ein Bild ist für mich gelungen, wenn ich das Gefühl habe, den Wind im Wald rauschen oder die Fangeräusche im Stadion zu hören. Wir simulieren die Utopie und lenken uns ab in unseren Spielen.“ (www.dietlinger.com)
Ondřej Maleček thematisiert in seiner Malerei den Böhmerwald als eine Metapher der Geschichte des aus der Natur geborenen Menschen: „Von Anbeginn an lebt und bewegt sich der Mensch in seiner ihm eigenen Umgebung. War es am Anfang die Natur, in der er hauste, schuf er sich im Laufe der Entwicklung der Zivilisation die Stadt als seine kulturell und industriell gefertigte Höhle. Ab und zu aber blitzen auch hier noch Erinnerungen an das frühere Zuhause durch seinen Kopf – an die Natur, an die Urlandschaft, aus der wir entstanden sind. Es ist ein nebulöses Bild, das jedoch schärfere Konturen annimmt, sobald wir alleine und ziellos durch Regionen weitgehend unberührter Natur streifen. Da spüren wir Harmonie, ein altes bekanntes Gefühl – es kommt uns der Gedanke, dass es um ein Zurückkehren, Verschmelzen und auch Zerfließen geht, es kommt die Sehnsucht auf, sich in den Blättern einzugraben oder in den abgeworfenen Nadeln der Bäume unterzutauchen und einzuschlafen, um eine Weile nicht präsent zu sein. Ich möchte über meine Arbeit den Betrachter auf einen imaginären Spaziergang mitnehmen – nicht nur durch die Natur, sondern auch durch sich selbst.“
Das Thema Natur, vor allem die weltberühmte Region Šumava/Böhmerwald, ist in einer Zeit, in der sich die Medien ununterbrochen mit Krieg und Terror beschäftigen, in höchstem Maße geeignet, uns an die Schönheit dieser Region und ihrer Geschichte als ewige Inspiration für Kunst und Alltag zu erinnern.
Die Ausstellungen wurden dank der großzügigen Unterstützung von Leihgebern und dank der finanziellen Unterstützung von staatlichen und privaten Förderern aus der Tschechischen Republik und dem Ausland möglich.
JOSEF VÁCHAL (1884–1969), Malerei, Zeichnung, Druckgraphik, Skulptur, Bücher JOSEF SEIDEL (1859–1935) und František Seidel (1908 –1997), Photographie KARIN PLIEM (geb. 1963), Malerei, Gouache, Video, Installation KATHARINA DIETLINGER (geb. 1983), Malerei ONDŘEJ MALEČEK (geb. 1977), Malerei, Zeichnung
Ausstellungsdauer: 3. 4. bis 1. 11. 2015.
Geöffnet täglich von 10 bis 18 Uhr
Tel.: +420 380 704 011; office@schieleartcentrum.cz; www.schieleartcentrum.cz
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