Chaos und Ordnung, Faszination und Fadesse – das sind häufig gesetzte Kontrapunkte, die Philosophen zum Nachdenken anregen und Künstler zu Kunstwerken inspirieren. Faszination und Chaos ist eine neue Themenstellung, die impliziert: Faszination des Chaos'. Gilt deshalb auch der Umkehrschluss: Fadesse der Ordnung? Verena Prandstätter und Ernst Zdrahal haben sich diese Fragen gestellt und 17 faszinierende Gemeinschaftsarbeiten dazu geschaffen, Stephanie Morawetz hat mit fotografischen Verfremdungen das Chaos verarbeitet, das ein Taifun auslösen kann.Ordnungsprinzipien dominieren die Werke von Verena Prandstätter und Ernst Zdrahal. Prandstätter arbeitet mit Stoffen, deren Herstellung jahrhundertealten Techniken und Regeln folgt. Ernst Zdrahal arbeitet mit eigenen Monotypien, die auf Verfahren jahrhundertealter Drucktechniken aufbauen. Der exakte Scherenschnitt bei Prandstätter und die strenge grafische Linie bei Zdrahal verbindet ihre Werke formal. In der Serie Faszination + Chaos haben sie ihre formalen Überschneidungen inhaltlich erweitert.
Verena Prandstätter hat von ihren Weltreisen hunderte Stoffe mitgebracht, Möbelstoffe, Seide, Leinen, Gobeline. Was sie daraus macht ist weniger als „Textilkunst“ zu bezeichnen, als vielmehr Malerei mit Stoffen. Sie setzt die Stoffe nicht einfach nach Mustern und Farben nebeneinander, sondern überlagert oft grobe und feine Stoffe ähnlich wie bei lasierender Malerei. Bei Bedarf übermalt sie die Stoffbilder mit Acryl-Farben, Ölkreide und Leim.
Aus Stoffen, die Materialien für Blusen oder Hemden sein könnten, komponiert Prandstätter Formen und Strukturen, die Zdrahal zu völlig unterschiedlichen Geschichten inspirieren. „Ende der Vorstellung“ und „Die Klavierspielerin“ sind Beispiele aus dem Zyklus, die zeigen, welche Assoziationen die Vorlagen von Verena auslösen. Für „Alfred Hrdlicka und das Trojanische Pferd“ und andere Bilder hat Zdrahal die Vorlage geliefert. Pathetisch formuliert: in jeder Vorlage eröffnet sich eine eigene Welt. Wie ein Trabant umkreist das Trojanische Pferd die Erde bzw. die Welt des Bildhauers Alfred Hrdlicka, der aus einer Felswand Menschen formt. Die aus dem Chaos geformten Felsschichtungen transformiert der Bildhauer zu Menschenbildern, die stärker faszinieren als manche lebende Individuen unserer Zeit.
Während die Faszination in den Gemeinschaftswerken von Prandstätter+Zdrahal dominiert und mögliche chaotische Anfänge und Zusammenhänge überlagert, konfrontiert Stephanie Morawetz den Betrachter direkt mit dem Chaos. Ganz konkret verarbeitet sie in der Serie Haiyan die menschlichen Katastrophen und das Chaos, das der Taifun Haiyan im November 2013 auf den Philippinen hinterlassen hat. Als Medienkonsumentin war die junge Künstlerin konfrontiert mit Fotos aus Hochglanzmagazinen und HD-TV. Durch optische Filter für den Rest der Welt sozial verträglich aufbereitet.
„Ich schaute mir diese Bilder an und entdeckte eine faszinierende Farbpalette. In meinen Bildern habe ich die Katastrophen-Fotos auf Farben reduziert, einerseits um auf die Gewalt der Natur hinzuweisen, die durch Zerstörung etwas völlig Neues schaffen kann, anderseits um die Sichtweise der Hochglanzmagazine zu kritisieren. Meine Bilder vermitteln den Effekt eines TV-Screens, womit ich die aufbereiteten Fotos der Katastrophen-Journalisten relativieren will“, so die Absolventin der Kunstuniversität Linz, die nun an der Fachhochschule für Technik und Gestaltung in Trier einen Masterstudiengang absolviert.
Mit der Ausstellung Faszination + Chaos feiert Morawetz im Kunstraum ihre Wien-Premiere, wobei sie hier ausschließlich fotografische Werke zeigt. Ihre „Stephiestones“ - spezielle Materialien mit Einschlüssen von Plastikmüll – stellte sie im Sommer in der New Yorker Ornamentum Gallery aus. Der zeitkritische Aspekt – Kritik an der Naturkatastrophe, der Mensch mit Plastikmüll verursacht – findet sich auch in den zu Schmuck verarbeiteten „Stephiestones“.
Marina und Hubert Thurnhofer