„... Die Werke von Gunter Damisch machen die lateinische ‚quaestio‘, aus deren Anfangs- und Endbuchstaben q und o sprachgeschichtlich das Interpunktionszeichen hervorging, zu einer bildimmanenten Formel ästhetischer Bildproduktion: Fragen statt antworten ist die Devise eines Kunst-machens, das sich nicht als ein statisches Feststellen auf der Bildoberfläche, sondern als ein Schaffensprozess begreift, der ständige Permutationen durchläuft. Seine Arbeit umkreist in einem asymptotischen Annäherungsprozess einen verborgenen Kern, der wie eine nie versiegende Quelle zu immer neuen Experimenten anregt.Bereits in der Serie Innenorte – Sao Paolo Zeichnungen aus dem Jahr 1984-1985 formuliert der 1958 in Oberösterreich geborene Künstler in Pastell und Kohle ein visuelles Programm, das gleichzeitig auf bestehende Serien zurückgreift, aber auch spätere Bildgruppen antizipiert. Zeitgenau zeugt die Serie Innenorte aber auch von der anarchischen Kraft der österreichischen Künstlergruppe der Neuen Wilden, die damals den künstlerischen Status quo definierte: flinke Striche und heftige, manchmal fast aggressive Linienführungen, eine grundlegende Vehemenz im Ausdruck, eine Manie, die sich im All-over der Bildkomposition und einem Horror Vacui verdeutlichte, den man aus der zustandsgebundenen Kunst kennt. Der schwunghafte künstlerische Duktus gliedert die Bilder lose in kompakte und locker gestaltete Teilbereiche, so als würde sich die Bildoberfläche rhythmisch bewegen. Figurative Einsprengsel wie Köpfe, Augen, Strichmännchen, abstrakte Elemente wie Kreise oder Muster stellen Kürzel einer menschlich-zivilisatorischen Existenz dar. Sie bewirken beim Betrachten eine Unmittelbarkeit, die für künstlerische Bewegungen der 1980er-Jahre charakteristisch ist und die bis zu einem gewissen Grad an die Kunst der Straße oder die Zeichenhaftigkeit von Graffiti denken lässt.
„Der Wesenszug meiner Arbeit ist, dass sie sich intuitiv handelnd abspielt“, bemerkt der Künstler heute retrospektiv. Dafür eigneten sich insbesondere die Zeichnung und das Arbeiten auf Papier. Damisch sammelte obsessiv handgeschöpfte Papiere etwa aus Hanf oder recycelten Textilien, die die Haptik und die Ästhetik des Materials betonten. Der ausgeprägte Hang zur Zeichnung, die neben der Malerei und der Skulptur als gleichberechtigtes Medium im Œuvre besteht, verdeutlicht sich auch im Lebenslauf: Gunter Damisch hat in der Meisterklasse für Grafik bei Max Melcher an der Akademie der bildenden Künste Wien studiert und ist dort seit Mitte der 1990er-Jahren selbst Professor für Grafik und druckgrafische Techniken.
Die Anfang Januar 1988 in nur wenigen Tagen entstandene Serie Der Kreis am Himmel, die der Künstler während einer Weltreise in Nepal machte, markiert eine Art Zäsur zu den wilden, fast psychedelischen Bildwelten der vorhergehenden Jahre.
Die hochformatigen Aquarelle auf Nepalbütten spiegeln eine meditative Ruhe wider, die vielleicht auch auf Damischs Auseinandersetzung mit den dort vorherrschenden synkretistischen Vermischungen von Buddhismus, Hinduismus, Tantra etc. zurückgehen. In ihrer Fremdartigkeit, archaischen Essenz und Symbolhaftigkeit kennzeichnen die Zeichnungen eine Suchbewegung „back to the roots“.
Sie bilden ein Gegenstück zu den späteren, äußerst komplexen und multimedialen Serien wie den Örtlerplätzen (1989) und den Art & Ort Übermalgeschichten und markieren dennoch immer auch einen Ausgangspunkt. Art & Ort erinnert an Palimpseste, Überschreibungen von Tiefdrucken mit Ölfarbe, Tusche und Stiften, welche die Selbstaneignung durch Neucodierung praktizieren und sich damit auch mit der Verletzlichkeit eines Untergrundes und dessen oberflächlicher Bearbeitung beschäftigen. Beide Serien greifen auf erprobte Formensprachen zurück wie sie sich in den viel reduzierteren Zeichnungen aus Spreu und Strich (1988) und Strichorte (1989) darstellen und variieren sie mittels zahlreicher Techniken.
„Generell ist die Betitelung mit immer wieder kehrenden Begriffen im Zusammenhang mit einem seriellen Denken zu sehen, das heißt, es soll dadurch unterstrichen werden, dass meine Bilder nicht der Versuch einer ständigen Neuerfindung sind, sondern dass ihnen vielmehr ein evolutionärer Prozess mit Vor- und Rückgriffen sowie Synthesen von verschiedenen Elementen zugrundeliegen. Somit ähneln sich manchmal sowohl die Titel als auch die Bilder.“ ...“
Auszüge aus dem Text von Angela Stief, Von Geflechtsköpfen, Silberflecken und Örtlerplätzen. Anmerkungen zum Werk und Werken von Gunter Damisch. 2016