Die bedenkliche Herkunft der Pastellzeichnung Jeanne Pontillon à la capeline (1884) von Berthe Morisot wurde 2009 im Zuge der systematischen Überprüfung der Provenienzen eines Großteils der Sammlung entdeckt. „In sieben Jahren intensiver Provenienzforschung wurden am Museum der Moderne Salzburg der gesamte Bestand an Gemälden sowie rund 1 400 aus der Zeit vor 1945 stammende Grafiken einer systematischen Prüfung unterzogen. Dabei konnte die fragwürdige Herkunft dieses Werkes von Berthe Morisot geklärt werden”, unterstreicht Sammlungsleiterin Beatrice von Bormann.
Die Arbeit von Morisot war (mit anderen Kunstwerken aus der Sammlung David-Weill) 1940 in Frankreich während der Nationalsozialistischen Zeit von der deutschen Militärverwaltung beschlagnahmt worden. Kunsthändler Friedrich Welz erwarb das Pastell am 23. September 1977 bei einer Auktion im Dorotheum in Wien für die „Moderne Galerie und Graphische Sammlung Rupertinum“ (seit 2003 Museum der Moderne Salzburg).
Berthe Morisot (1841 – 1895, Paris, FR) gilt gemeinsam mit Mary Cassatt als eine der bedeutendsten Malerinnen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich. Sie malte bevorzugt Bildnisse, Interieurs und Landschaften im impressionistischen Stil und war Schwägerin des französischen Malers Éduard Manet. Von ihrer Nichte Jeanne Pontillon schuf sie neben dieser Pastellzeichnung mehrere Porträtzeichnungen sowie ein Gemälde. Der Wert des Werkes Jeanne Pontillon à la capeline wird von Experten mit 50.000 bis 80.000 Euro beziffert.
Zur Provenienz des KunstwerkesZur Provenienz des Gemäldes Jeanne Pontillon à la capeline von Berthe Morisot hat die Historikerin und Provenienzforscherin Susanne Rolinek im Auftrag des Museums der Moderne Salzburg ein Dossier erstellt, mit zusammengefasst folgendem Inhalt: Das Pastell stammt aus der Sammlung der jüdischen Bankiersfamilie David David-Weill und wurde im Oktober 1940 von der deutschen Militärverwaltung in Frankreich beschlagnahmt. Grundlage bildete die Kunstschatzverordnung, die von der deutschen Militärverwaltung herangezogen wurde, um Kunstsammlungen zu beschlagnahmen und ins Deutsche Reich zu überführen. Das Pastell galt in weiterer Folge als verschollen.
Nach Kriegsende stellte die Familie David-Weill Restitutionsansuchen an die Bundesrepublik Deutschland. Einige hundert Werke wurden restituiert, einige Kunstwerke, darunter das gegenständliche Pastell, blieben jedoch verschollen. Am 13. Dezember 1960 wurde zwischen den Erben nach David David-Weill (Flora David-Weill) und der Bundesrepublik Deutschland ein Vergleich geschlossen. Demzufolge leistete die BRD 1,149.000 DM für die nicht restituierbaren Gegenstände. Es wurde allerdings vereinbart, dass die damaligen Antragsteller (Erben nach David David-Weill) für den Fall der Rückerlangung bis dahin als verschollen geltender Kunstwerke einen bestimmten Betrag an die Bundesrepublik Deutschland rückersetzen müssten. Der Wert des Pastells wurde vom Sachverständigen im Restitutionsverfahren der Bundesrepublik Deutschland auf 2.125DM geschätzt. Das heute zuständige Deutsche Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen ist über das Auftauchen des Pastells in Kenntnis.
1977 erwarb Friedrich Welz das Pastell als Rektor des Rupertinum für die Moderne Galerie und Graphische Sammlung Rupertinum, sohin für das Land Salzburg, bei einer Auktion am 23. September im Dorotheum Wien zu einem Preis von 46.144 Schilling (Ausrufungspreis 9.000 ATS).
Das Pastell (und dessen Provenienz aus der Sammlung David-Weill sowie dessen Verschwinden während der Besatzung Frankreichs durch die Nationalsozialisten und der unbekannte Standort) ist im Werkverzeichnis von Bataille/Wildenstein (1961) unter Nr. 478 verzeichnet, worauf anlässlich der Auktion nicht erkennbar hingewiesen worden ist. Die Tatsache, dass dieses Werkverzeichnis jedoch als Standardwerk galt, lassen Zweifel an der Gutgläubigkeit von Friedrich Welz aufkommen.
Der Einbringer zur Auktion 1977 ist dem Dorotheum Wien bekannt, wird aber unter Berufung auf Datenschutz nicht preisgegeben.
Rund 20 Erben wurden ausgeforschtDie Salzburger Landesregierung hat bereits am 6. September 2010 ihre Bereitschaft bekundet, das Kunstwerk an die berechtigten Erben zurückzugeben. Infolge von Nachforschungen über das genealogische Bureau Andriveau in Paris konnten 18 Personen unterschiedlicher Nationalität (Frankreich, Belgien, USA) als Erben festgestellt werden. Diese haben die Pariser Pariser Kunsthändlerin Elizabeth Royer-Grimblat mit der Rückholung bevollmächtigt und beauftragt.
Gesetzliche RahmenbedingungenMehr als 40 Staaten – darunter auch Österreich – haben im Jahr 1998 wurden die „Washingtoner Erklärung“ unterzeichnet. Darin erklären sie ihre Bereitschaft, während der NS-Zeit entzogene Kunstwerke zu identifizieren, die Eigentümer oder deren Erben ausfindig zu machen und faire und gerechte Lösungen für Restitutionen zu finden. Die Salzburger Landesregierung hat mit Beschluss vom 9. Dezember 2002 die Voraussetzungen, unter denen eine Restitution erfolgen soll, festgelegt. Nach diesem Regierungsbeschluss sind die Voraussetzungen für eine Restitution im Fall des Bildes von Berthe Morisot nicht gegeben, da dieser nur Kunstwerke erfasst, die auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich entzogen wurden. Die „Washingtoner Prinzipien“ können dennoch als materielle Grundlage für eine freiwillige, auf moralische Erwägungen gründende Rückgabe herangezogen werden“, heißt es in dem Regierungsbeschluss.
„Ich freue mich, dass wir heute die langgeplante Restitution des Pastellgemäldes Jeanne Pontillon à la capeline von Berthe Morisot offiziell durchführen können. Ich möchte dem Honorarkonsul Peter Lechenauer für seine engagierte Unterstützung in der schwierigen Erbermittlung danken. Heute kann dieses „Kapitel“ mit einem, für alle Seiten befriedigendem Resultat abgeschlossen werden. Frau Royer-Grimblat übernimmt heute das Gemälde als Vertreterin der rechtmäßigen Besitzer.“
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