Manfred Willmann Ohne Titel (aus "Das Land"), 1992, Abzug 2001 Albertina, Wien © Manfred Willmann Manfred Willmann Ohne Titel (aus "Das Land"), 1992, Abzug 2001 Albertina, Wien © Manfred Willmann - Mit freundlicher Genehmigung von: AlbertinaMuseum

Wer: AlbertinaMuseum

Was: Ausstellung

Wann: 25.05.2016 - 30.10.2016

Ob als ästhetisierte Kunstfotografie oder im gesellschaftspolitischen Kontext, ob zur wissenschaftlichen Dokumentation oder als idealisierte Heimatfotografie – Landschaften und ihre BewohnerInnen stehen seit jeher im Fokus zahlreicher Fotografinnen und Fotografen. Die zweite Sammlungspräsentation der Fotosammlung der Albertina widmet sich diesem spannenden sowie…
Ob als ästhetisierte Kunstfotografie oder im gesellschaftspolitischen Kontext, ob zur wissenschaftlichen Dokumentation oder als idealisierte Heimatfotografie – Landschaften und ihre BewohnerInnen stehen seit jeher im Fokus zahlreicher Fotografinnen und Fotografen. Die zweite Sammlungspräsentation der Fotosammlung der Albertina widmet sich diesem spannenden sowie vielseitigen Thema: Über 100 Meisterwerke geben einen Überblick über zentrale Strömungen der Fotogeschichte und spannen den Bogen von namhaften KünstlerInnen des 19. Jahrhunderts bis hin zu zeitgenössischen Positionen.

Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Fotografie ein völlig neues Medium, das dokumentarisch eingesetzt wird. Es entstehen sowohl detaillierte Aufnahmen der heimischen Alpen wie die großformatigen Aufnahmen des Großglocknermassivs von Gustav Jägermayer als auch malerische Aufnahmen ferner Länder und ihrer BewohnerInnen wie die Fotografien Japans von Raimund Stillfried von Rathenitz.

Mit der Entstehung des internationalen fotografischen Piktorialismus verschiebt sich um die Jahrhundertwende der Schwerpunkt der Fotografie auf die künstlerische Wiedergabe stimmungsvoller Landschaften. Heinrich Kühn, Hans Watzek u.a. verbinden ein starkes Interesse an fotografischen Techniken mit einem an der zeitgenössischen bildenden Kunst geschulten ästhetischen Anspruch. Ihr Hauptanliegen ist es, die Fotografie zu einem künstlerischen Medium aufzuwerten und der Malerei gleichzustellen. Diese Ambition manifestiert sich in großen Formaten sowie einer raffinierten Farbgebung, die durch komplizierte Techniken wie Gummidruck, Gummigravüre oder Ölumdruck ermöglicht werden.

Anfang der 1930er-Jahre rücken die ländlichen, alpinen Gebiete Österreichs in den Fokus: Das thematische Spektrum der österreichischen Heimatfotografie umfasst idyllische Ansichten von schöner Landschaft, traditioneller bäuerlicher Arbeit & Architektur und Menschen in Tracht. Die idealisierten Bilder von Rudolf Koppitz und Peter Paul Atzwanger sollen der jungen Republik Österreich nach dem Zerfall der Monarchie eine Identität geben und werden zur Zeit des Nationalsozialismus, durch die Ideologie des austrofaschistischen Ständestaats unterstützt, als Propagandamittel eingesetzt.

US-amerikanische Fotografen wie Joel Sternfeld, Stephen Shore und William Eggleston erneuern ab den 1960er-Jahren die traditionelle Landschaftsfotografie, welche die Natur bis dahin als erhaben und unberührt dargestellt hatte. In der American Social Landscape werden bisher nicht als darstellungswürdig erachtete Sujets wie alltägliche, urbane und vom Menschen geprägte Landschaften fotografiert und dadurch soziale und gesellschaftspolitische Themen der Zeit thematisiert. Im Zuge dessen entwickelt sich ebenfalls die New Color Photography , die die Farbe, bis dahin wegen ihrem Einsatz in Werbung und Mode verpönt, als anerkanntes Stilmittel der künstlerischen Fotografie etabliert.

Vertretene Fotografinnen und Fotografen:Fratelli Alinari | Wilhelm Angerer | Peter Paul Atzwanger | Adolphe Braun | Wilhelm Burger | William Eggleston | Seiichi Furuya | John H. Gear | Jitka Hanzlová | Gustav Jägermayer | Franz Knebel | Rudolf Koppitz | Paul Kranzler | Heinrich Kühn | Joel Meyerowitz | Boris Mikhailov | Henry Peach Robinson | Stephen Shore | Giorgio Sommer | Joel Sternfeld | Raimund Baron Stillfried von Rathenitz | Ferenc Veress | Hans Watzek | Mario Wiberal | Hans Graf Wilczek | Manfred Willmann E x p e d i t i o n i n d i e A l p e n Der Fotograf und Kunstverleger Gustav Jägermayer unternimmt 1863 eine mit Eigenmit teln finanzierte zweimonatige Expedition, um das Großglocknergebiet zu dokumentieren. Neben einem Maler, der die Auswahl der Aufnahmepunkte trifft, werden fünf Bergführer und zwölf Träger zum Transport der umfangreichen Ausrüstung beschäftigt. Die Negative müssen vor Ort sensibilisiert und in feuchtem Zustand belichtet und entwickelt werden. Zurück in Wien werden die Aufnahmen als Kontaktkopien vervielfältigt: die Größe des Abzuges entspricht der Größe des Glasplattennegativs. Jägermayer legt die Serie unter dem Titel Oesterreichische Alpen für den Verkauf auf. Doch obwohl seine Aufnahmen durch ihre Qualität, Detailtreue und fein abgestuften Tonwerte bestechen, wird sein Vorhaben zum kommerziellen Misserfolg und sein Unternehmen geht kurz darauf in Konkurs.

R a i m u n d S t i l l f r i e d v o n R a t h e n i t z Offizier Raimund Baron Stillfried von Rathenitz lässt sich 1868 in Japan nieder und eröffnete 1871 ein Fotoatelier in Yokohama. Die ersten Aufnahmen von Yokohama und der Landschaft der Umgebung, die Stillfried anfertigt, wenden sich an eine lokale Klientel. In diesen manifestiert sich das durch seine malerische Ausbildung geschulte Gespür für Komposition und Räumlichkeit. Später bedient er mit seinen inszenierten Atelieraufnahmen von traditionell gekleideten Menschen vor allem ein wachsendes touristisches Publikum und prägte so die visuelle Wahrnehmung des Landes in Europa. Nach seiner Rückkehr nach Wien wird er ab 1885 vom k.k. Ministerium des Innern beauftragt, einzelne Kronländer fotografisch zu dokumentieren. Die momenthaft wirkenden Straßenbilder, die sich von den statischen Atelieraufnahmen aus Asien unterscheiden, wurden durch die Weiterentwicklung der fotografischen Apparate und Materialien – die Kameras werden kleiner und leichter, die Negative lichtempfindlicher – möglich.

H e n r y P e a c h R o b i n s o n Für die Generation der Piktorialisten um 1900 stellen das Werk und die Schriften des englischen Fotografen und Theoretikers Henry Peach Robinson eine bedeutende Inspirationsquelle dar. Robinson wendet Grundsätze der bildenden Kunst wie Kompositionslehre und Lichtverteilung auf die Fotografie an. Um eine malerische Stimmung zu erzeugen, sieht er die Manipulation der Fotografien in Form von Montagen als legitimes Mittel an. Neben der Kombination eines Landschafts- und eines Wolkennegativs zu einem Bild – aufgrund der unterschiedlichen Belichtungszeiten ist das Material noch nicht imstande, beides gleichzeitig korrekt wiederzugeben – montiert er szenische Tableaus aus bis zu fünf verschiedenen Negativen.

H e i n r i c h K ü h n Heinrich Kühn gehört zu den Begründern des internationalen fotografischen Piktorialismus um 1900. Die diesen Ansatz verfolgenden AmateurfotografInnen verbinden ein starkes Interesse an fotografischen Techniken mit einem an der zeitgenössischen bildenden Kunst geschulten ästhetischen Anspruch. Ihr Hauptanliegen ist es, die Fotografie zu einem künstlerischen Medium aufzuwerten und der Malerei gleichzustellen. Die PiktorialistInnen wenden sich von der konventionellen Atelierfotografie sowie der klassischen, dokumentarisch genauen Landschaftsfotografie ab. Sie wählen intime Naturausschnitte, die sie in malerischer Unschärfe wiedergeben. Drucktechniken wie Gummidruck, Gummigravüre oder Ölumdruck ermöglichen die Umsetzung ihrer Vorstellungen durch d ie freie Wahl von Bildgröße und Farbgebung. Gerade Kühn setzt sich gezielt mit den Hell- Dunkel-Kontrasten des Lichtbildes auseinander und beschränkt sich auf wenige Themen wie Stillleben, Porträt und Aufnahmen seiner Kinder. Im Motiv der Wanderer kombiniert er Mitglieder seiner Familie in immer neuen Varianten aus ungewöhnlichen Blickwinkeln in der Landschaft und schafft zuweilen beinahe abstrakte Kompositionen.

H e i m a t f o t o g r a f i e Das thematische Spektrum der österreichischen Heimatfotografie umfasst idyllische Ansichten von schöner Landschaft, traditioneller ländlicher Arbeit, bäuerlicher Architektur und Menschen in Tracht. Entstanden nach dem Ersten Weltkrieg und durch die Ideologie des austrofaschistischen Ständestaats unterstützt, sollen diese Bilder dabei helfen, eine neue nationale Identität zu konstituieren. Zugleich ist die Heimatfotografie integraler Bestandteil des offiziell geförderten österreichischen Tourismusprogramms. Sie wird durch Ausstellungen, wie z. B. Land und Leute von Rudolf Koppitz 1936, Bildbände und Zeitschriften popularisiert. Die Fotografen orientieren sich anfangs an der piktorialistischen Kunstfotografie und übernehmen trotz der konservativen und ein rückwärtsgewandtes Weltbild vermittelnden Motive stilistische Elemente des Neuen Sehens. Nach dem Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland 1938 werden Inhalte sowie Ästhetik nahtlos weitergeführt.

D e u t s c h e T r a c h t e n Erich Retzlaff publiziert 1936 im Verlag Karl Robert Langewiesche den Band Deutsche Trachten . Der Fotograf kollaboriert mit dem NS-Regime, für das er als Porträtfotograf arbeitet. Die Porträtierten monumentalisiert Retzlaff mithilfe von Elementen der modernen Fotografie wie geringer Tiefenschärfe, untersichtigen Aufnahmepunkten und engen Bildausschnitten. Die Objekte aus dem Fotoarchiv des Verlages zeigen als Vorstufe zum Druck die Retuscheanweisungen des Verlegers, der die Bildwirkung beeinflusst. Bereits nach dem Ersten Weltkrieg beginnt die zunehmend nationalistischere Ausrichtung der Inhalte der Bildbandreihe Die Blauen Bücher , die sich seit 1902 durch hohe Auflagen und moderate Preisgestaltung etabliert hatte.

T h e A m e r i c a n S o c i a l L a n d s c a p e Beeinflusst von Walker Evans und Robert Frank erneuern US-amerikanische Fotografen ab den 1960er-Jahren die traditionelle Landschaftsfotografie, welche die Natur bis dahin als erhaben und unberührt dargestellt hatte. Nun halten die Künstler bisher nicht als darstellungswürdig erachtete Sujets wie alltägliche, urbane und vom Menschen geprägte Landschaften fest, durch die sie soziale und gesellschaftspolitische Themen der Zeit verhandeln. Die problematische Nutzung der Natur steht etwa im Zentrum von Joel Sternfelds Serie American Prospects , die er über Jahre hinweg während eines Road-Trips durch die USA aufnimmt. Die Motive werden durch einen neuen – subjektiven – dokumentarischen Stil festgehalten. Stephen Shore und Sternfeld fotografieren etwa mit großformatigen Plattenkameras, deren Kompositionen im Vorfeld präzise durchdacht werden müssen. William Eggleston und Joel Meyerowitz fotografieren im Unterschied dazu auf spontane, geradezu beiläufige Weise, wodurch fragmentierende Bildausschnitte eine intuitive und dynamische Sichtweise auf die Welt suggerieren und die Momenthaftigkeit der Fotografie unterstreichen.

N e w C o l o r P h o t o g r a p h y Joel Sternfeld, Joel Meyerowitz, William Eggleston und Stephen Shore zählen zu den wichtigsten Vertretern der New Color Photography , einer äußerst heterogenen Gruppe von Fotografen und Fotografinnen, die ab den 1970er-Jahren Farbe als Stilmittel der künstlerischen Fotografie einsetzen. Heute ein völlig selbstverständliches Ausdrucksmittel, ist Farbe damals verpönt, da sie im Bereich der populären Fotografie, wie etwa in Werbung und Mode, verwendet wird. Die Bilder der klassischen Kunstfotografie sind hingegen schwarz-weiß. Als wegweisend für die Etablierung der Farbfotografie erweist sich William Egglestons Ausstellung im Museum of Modern Art New York 1976 – eine Schau, die bei ihrer Eröffnung als skandalös empfunden wird. In seinen Bildern rhythmisieren und strukturieren Farbflächen nicht nur den Bildaufbau, sondern stellen eigenständige Bildwerte dar.

In d e r D ä m m e r u n g Politische Umbrüche, Geschichte und Erinnerung sind Themen von Boris Mikhailovs Serie In der Dämmerung . Der Künstler zeigt alltägliche Szenen aus seiner Heimatstadt Charkiw, durch die er die gesellschaftlichen Veränderungen der Ukraine nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einfängt. Die charakteristische blaue Farbe der Fotos, die er durch Tonung des Negativs erreicht, dient ihm zur Visualisierung seiner subjektiven Erinnerungen an die politische Entrechtung der Ukraine während des Zweiten Weltkrieges. Die Farbigkeit ist Anspielung auf die sogenannte blaue Stunde nach dem Sonnenuntergang, als der Künstler während des Krieges seine dramatische Evakuierung in den Ural erlebte. Aus der Sowjetzeit haben sich Mikhailov zufolge – auch aus Gründen der Zensur – nur wenige Fotografien von der Ukraine erhalten, weshalb der Künstler durch den scheinbar ‚alten‘ Charakter der Fotos die Konstruktion seiner eigenen Geschichte als Ersatz einbringt.

W a l d In der Werkserie Wald setzt sich die Künstlerin Jitka Hanzlová mit ihrer eigenen Geschichte auseinander. In der Tschechoslowakei aufgewachsen, flüchtet die Künstlerin 1982 nach Westdeutschland und studiert Fotografie in Essen. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes 1989 kehrt sie in ihre Heimat zurück und schafft Fotografien, die ihre Erfahrung und Zugehörigkeiten zu zwei Kulturen und unterschiedlichen politischen Systemen thematisieren. Aufgenommen über einen Zeitraum von fünf Jahren in den Wäldern ihrer böhmischen Heimat nahe den Karpaten, untersucht Wald, wie Heimat und das räumliche Umfeld die eigene Identität und kulturelle Zugehörigkeit prägen. Durch die subtile Farbigkeit und scheinbar beiläufige Kompositionen hält Hanzlová den Wald gleichermaßen als konkrete Landschaft und persönliche Metapher fest.

D i e F o t o s a m m l u n g d e r A l b e r t i n a Die Fotosammlung der Albertina umfasst im Wesentlichen vier Bestände: Den Grundstock bildet der historische Altbestand des Museums, der bereits seit 1850, der Frühzeit des fotografischen Mediums, ein integraler Teil der grafischen Sammlung war. Die historische Sammlung der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt Wien, der 1888 gegründeten, weltweit ersten auf Fotografie spezialisierten Schule, stellt den umfangreichsten Bestand der Fotosammlung dar. Das Bildarchiv des Fotobuchverlags Karl Robert Langewiesche, der mit seinen Bildbandreihen neue buchpublizistische Maßstäbe setzte, vereint Landschafts- und Architekturfotografien. Eine intensive Sammlungstätigkeit ermöglichte darüber hinaus die Etablierung eines umfangreichen Bestandes von Streetlife- Fotografien.

Joel Sternfeld Rastplatz im Red Rock State Park, Gallup, New Mexico, September 1982, Abzug 2010 Dauerleihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung für Kunst und Wissenschaft © Joel Sternfeld; Courtesy of the artist and Luhring Augustine, New York Joel Sternfeld Rastplatz im Red Rock State Park, Gallup, New Mexico, September 1982, Abzug 2010 Dauerleihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung für Kunst und Wissenschaft © Joel Sternfeld; Courtesy of the artist and Luhring Augustine, New York - Mit freundlicher Genehmigung von: AlbertinaMuseum Boris Mikhailov Ohne Titel (aus der Serie "In der Dämmerung"), 1993 Albertina, Dauerleihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung für Kunst und Wissenschaft © Bildrecht, Wien, 2016 Boris Mikhailov Ohne Titel (aus der Serie "In der Dämmerung"), 1993 Albertina, Dauerleihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung für Kunst und Wissenschaft © Bildrecht, Wien, 2016 - Mit freundlicher Genehmigung von: AlbertinaMuseum Jitka Hanzlová Ohne Titel (aus der Serie "Wald"), 2005 Albertina, Wien © Bildrecht, Wien, 2016 Jitka Hanzlová Ohne Titel (aus der Serie "Wald"), 2005 Albertina, Wien © Bildrecht, Wien, 2016 - Mit freundlicher Genehmigung von: AlbertinaMuseum
Tags: Farbfotografie, Menschen, Schwarzweißfotografie‎

Täglich 10.00 bis 18.00 UhrMittwoch 10.00 bis 21.00 Uhr
 
Erwachsene 11,90