Unter dem Titel „the good enough mother “ zeigt die Otto Mauer Preisträgerin 2017 Toni Schmale im JesuitenFoyer ausgewählte Werke.Bevor sich die geborene Hamburgerin der Kunst widmete, war sie Profifußballerin. Von 1994 bis 2002 spielte sie in der Regional- und Bundesliga sowie zuletzt in der deutschen Frauen-Nationalmann-schaft. Nach Beendigung ihrer Karriere als Fußballerin begann sie 2003 ein Studium der Medienkunst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. 2009 wechselte sie an die Akademie der bildenden Künste Wien in die Klasse Performative Kunst von Carola Dertnig und absolvierte 2013 in der Klasse Performative Bildhauerei bei Monica Bonvicini ihr Diplom.
Ihre Skulpturen, Performances, Zeichnungen, Animationen, Videos und Interventionen im öffentlichen Raum formulieren eine Kritik an den bestehenden sozialen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Schmales Werk hinterfragt stereotype Geschlechter-konstruktionen und Zuschreibungen. Ihre queer-feministische Sichtweise auf Macht, Kontrolle und Ordnung setzt sie selbstbewusst mit bildhauerischen Mitteln konsequent in Szene.
Ihre massiven, schwergewichtigen und meist monumental anmutenden Skulpturen entstehen in monatelanger Arbeit im Atelier. Zum Großteil aus Beton, Stahl, Edelstahl und Messing gefertigt, stehen sie als in sich geschlossene Werke, meist ohne Sockel frei im Raum. Die Skulpturen bestehen aus einzelnen Fragmenten, die durch unsichtbare, weil im Innenleben befindliche Verbindungen zusammengehalten werden. Ihre Titel eröffnen eine weitere, oft humorvolle Bedeutungsebene und heißen u.a. „the good enough mother“ (2017), „kontaktgrill“ (2013), „waltraud“ (2016), „lap“ (2013), „fisting“ (seit 2012, fortlaufende Serie), „streckbank martha“ (2014), „feuerbock“ (2015) oder „analdusche“ (2014).
Im klassischen Sinne ist Toni Schmale Bildhauerin und damit in einem Bereich tätig, der traditionell als „männlich“ gilt. Für die Selbstauslöser Fotoserie „zwischen-durch“ (seit 2010, fortlaufend) inszeniert sie sich in Arbeitshosen, in schweren Schuhen und mit Kappe und verweist damit auf die Skulptur, die heute immer noch als „männliche“ Kunstkategorie wahrgenommen wird.
Für ihre Werkserie „170 grad + 400 grad“ (2017) nutzt Schmale die Eigenschaft von Edelstahl, das unter Einfluss hoher Temperaturen seine Farbqualität verändert. Je nach Hitzegrad entstehen überraschende Farbkombinationen, von schimmerndem Kupfergold über Violett bis hin zu leuchtendem Blau. In dieser Werkserie spielt Schmale mit den Kräften der Physik. Die Materialoberfläche wird zur Membran, trennt den plastischen Körper vom Umraum und materielle Sinnlichkeit wird zum Ausdruck ihrer selbst. Auf den ersten Blick erinnert ihr Umgang mit industriell produzierten Materialien an die Herangehensweise der Vertreter der Minimal Art, die Material primär als ästhetische Qualität wahrnehmen. Ihre Skulpturen hingegen sind inhaltlich aufgeladene und komplexe Gestalten, die an Fetisch- und Folterinstrumente erinnern, aber im physikalischen und metaphorischen über die Verteilung von Kraft und der Ausbalancierung von Macht- und Spannungsverhältnissen sprechen. Ihre Skulpturen verhandeln die Verhältnisse von Macht und Gewalt, Dominanz und Unterwerfung, Mensch und Maschine.
Bildlegende: Toni Schmale, 170 grad 400 grad, 2017, Edelstahl angelassen auf 170° und 400°, Edelstahl, Messing, Beton, 300 x 10 x 20 cm, BALTIC Centre for Contemporary Art, Gateshead/UK, Foto: John McKenzie@BALTIC, Courtesy die Künstlerin und Christine König Galerie