Das Rheinland war in den 1960er-Jahren ein wichtiger Schauplatz für die Umwälzungen in der zeitgenössischen Kunst. Damals brach eine neue, international vernetzte Generation von Künstler_innen mit dem traditionellen Kunstverständnis. Inspiration lieferte der Alltag. Alltagsgegenstände bildeten das Material. Diese Künstler_innen arbeiteten zudem im städtischen Umfeld. Sie durchbrachen die Grenzen der Disziplinen und kollaborierten mit Musiker_innen, Literat_innen, Filmemacher_innen und Tänzer_innen. Am Puls dieser ungewöhnlichen Zeit begann der Kölner Restaurator Wolfgang Hahn (1924–1987), die neue Kunst zu erwerben. Über die Jahre trug er eine der heute bedeutendsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst mit Werken des Nouveau Réalisme, Fluxus, Happening, der Pop Art und Konzeptkunst zusammen. Nach einer erfolgreichen ersten Station der Ausstellung im Kölner Museum Ludwig wird die Sammlung des passionierten Kunstliebhabers ab 10. November 2017 auf zwei Ebenen im mumok zu sehen sein. Teil des Projektes in Wien ist eine Re-Invention von Allan Kaprows Push and Pull durch die Künstler_innen Eva Chytilek und Jakob Neulinger.Hahn war Chefrestaurator am Wallraf-Richartz-Museum und später am Museum Ludwig in Köln. Vor seiner Ausbildung zum Restaurator hatte er fünf Jahre Kunstgeschichte studiert. Doch bekannt wurde er vor allem durch seine Tätigkeit als Sammler, Vermittler und insbesondere Gastgeber. Hahn lebte nach der Forderung der Avantgarden: Kunst und Leben bildeten für ihn eine Einheit. Seine Beschäftigung mit der Kunst endete nicht mit getaner Arbeit. Sie wurde bei Galerienrundgängen und bis zu später Stunde im eigenen Haus weitergeführt. Künstler_innen gingen dort ein und aus. „Das war unser Alltag, unsere Normalität. Derartige Abende waren zahlreich; interessant und belebend waren sie alle“, erinnert sich die Witwe Hildegard Helga Hahn an das Leben mit der Kunst. Und so füllte sich die Doppelhaushälfte der Hahns nach und nach mit heute Arbeiten der wichtigsten Künstler_innen der 1960er-Jahre. Treppenhaus, Wohn- und Schlafzimmer, Abstellräume, selbst Keller und Garten bis hin zum eineinhalb Quadratmeter großen Gäste-WC wurden zu Ausstellungsräumen für die von ihnen erworbenen Werke, darunter Arbeiten von Arman, Joseph Beuys, George Brecht, John Cage, Christo, Jim Dine, Robert Filliou, Allan Kaprow, Yayoi Kusama, Gordon Matta-Clark, Claes Oldenburg, Yoko Ono, Nam June Paik, Niki de Saint Phalle, Daniel Spoerri, Paul Thek, Jean Tinguely, Franz Erhard Walther, Andy Warhol, Lawrence Weiner, Wolf Vostell und vielen mehr.
1978 konnte ein Großteil der Sammlung vom mumok angekauft und 2003 durch einen weiteren Ankauf vervollständigt werden. Dazu kam 2005 die Schenkung der Bibliothek Hahn durch Hildegard Hahn. In der Gesamtheit bildet sie die ganze Komplexität der Kunst der 1960er-Jahre ab. In Zusammenarbeit mit dem Museum Ludwig Köln kann die Sammlung 2017 erstmals in vollem Umfang der Öffentlichkeit präsentiert werden. Veröffentlicht Montag, 16. Oktober 2017