Slavs and Tatars »Figa«, 2016 Siebdruck auf Edelstahl 198 × 76 cm Courtesy the artist; Kraupa-Tuskany Zeidler, Berlin Slavs and Tatars »Figa«, 2016 Siebdruck auf Edelstahl 198 × 76 cm Courtesy the artist; Kraupa-Tuskany Zeidler, Berlin - Mit freundlicher Genehmigung von: KunstvereinHannover

Wer: KunstvereinHannover

Was: Ausstellung

Wann: 17.11.2018 - 27.01.2019

Mit Slavs and Tatars stellt der Kunstverein Hannover ein Künstlerkollektiv vor, das die Individual- Autorenschaft zugunsten inhaltlicher Zusammenhänge untergräbt. Es geht den Künstler*innen um das Denken in Sprache und die hiermit einhergehende Frage nach Identitätsbildung sowie um kulturelle Kodierungen. Im Zentrum ihres Interesses steht das geografische Gebiet »Eurasien…
Mit Slavs and Tatars stellt der Kunstverein Hannover ein Künstlerkollektiv vor, das die Individual- Autorenschaft zugunsten inhaltlicher Zusammenhänge untergräbt. Es geht den Künstler*innen um das Denken in Sprache und die hiermit einhergehende Frage nach Identitätsbildung sowie um kulturelle Kodierungen. Im Zentrum ihres Interesses steht das geografische Gebiet »Eurasien«, das eine Vielzahl unterschiedlicher Ethnien, Sprachen und Kulturen umfasst und das Slavs and Tatars eher unorthodox als Areal »östlich der Berliner Mauer und westlich der Chinesischen Mau- er gelegen« definieren.

Vergessene Momente der slawischen, kaukasischen und zentralasiatischen Kulturgeschichte stel- len den Rohstoff für die Arbeiten dar. Aus intensiven wissenschaftlichen Recherchen, Forschungs- reisen, aber auch der Analyse von mündlich überliefertem Wissen und Spiritualität destilliert das Künstlerkollektiv Werke, die in verschiedenen Formen ihren Ausdruck finden: in Künstlerbüchern, performativen Vortragssituationen und in szenografisch angelegten Installationen.

Für die Räume des Kunstvereins wurde ein Parcours entwickelt, der die Besucher*innen sowohl zum realen und gedanklichen Flanieren als auch zum Lesen einlädt. Das Medium des Buches ist zentral in der Praxis des Kollektivs, das sich 2006 aus einem Lesezirkel formierte. So finden sich in der Ausstellung eine Reihe von Buchständern- bzw. -halterungen, die an einer Reihe von Skulpturen aus Stahlstangen befestigt sind. Die Besucher*innen können auf diesen wie an einer Bar ohne Tresen Platz nehmen und sich der Lektüre widmen. Bücher und Texte bevölkern die Ausstellung, da es Slavs and Tatars schließlich um das gemeinsame, das öffentliche Lesen geht, das sie reaktivieren möchten – eine Tradition in Form der gemeinschaftlichen Wissensaneignung und Debatte, die längst nicht mehr üblich ist.

Wörtern in verschiedenen Sprachen (in kyrillischen, arabischen oder lateinischen Schriftzeichen) begegnen die Besucher*innen innerhalb der gesamten Ausstellung. Aber auch das gesprochene Wort erhält angedeutete Sichtbarkeit: so tauchen neben teilweise lautmalerischen Texttafeln ebenfalls Mikrofone als Kollektoren von Gesprochenem oder Gesungenem auf, die wiederum In- formationen aufnehmen und übertragen. Gleich zu Beginn der Ausstellung befindet sich das Werk »Gut of Gab (Ha'mann)« (2018), das aus Mikrofonständer, Mikrofon und einem wie aus der Praxis des Bauchredens inspirierten Glasmund besteht. Diese und weitere Arbeiten verweisen nicht zufällig auf den Philosophen und Schriftsteller Johann Georg Hamann, der als radikaler Aufklärer für die Verbindung von Ratio und Emotionalität steht. Hamann veröffentlichte Zeit seines Lebens (1730 in Königsberg bis 1788 in Münster) nur kurze Schriften, die extrem dicht und mit unzähligen Fußnoten gespickt waren, welche wiederum zwischen den verschiedenen Sprachen und Alphabe- ten changierten – was der Praxis von Slavs and Tatars durchaus entspricht. Die Arbeitsweise des Künstlerkollektivs erstreckt sich über inhaltliche Werkserien, die wie einzelne Kapitel eines größeren, übergeordneten Buches zu verstehen sind. Das Organisationsprinzip be- steht darin, einzelnen Werken und Büchern bestimmte Themenkreise zuzuordnen, die wiederum in andere hineinwirken. Diese Zyklen reichen vom »Marsch der Alphabete« und von »Alphabet Politiken« (Language Arts) über mittelalterliche Unterweisungsliteratur (»Mirrors for Princes«) bis hin zu einer Untersuchung des Synkretismus. Die Kombination oder Verschmelzung bestimmter Glaubensansätze, Religionen, Bilder, Sprachen oder Politiken (»Not Moscow Not Mecca«) zieht sich wie ein roter Faden fast durch das gesamte Werk. Für die Ausstellung »Sauer Power« sind neue Werke im Kontext des aktuellen Werkzyklus’ »Pickle Politics« entstanden. Diese Werkreihe setzt sich mit Fragen des Fermentierens, einem gegenwärtigen (Detox-)Trend der westlichen Kultur, auseinander, der gleichzeitig eine bis 2000 Jahre v. Chr. zurückreichende Behandlung von Speisen und Getränken ist, um diese zu konser- vieren bzw. genießbarer zu machen. Das Fermentieren (von gesalzenem Kefir, Kohl oder Gurke) kommt ursprünglich aus zentralasiatischen Kulturen, aus dem Bereich der Turksprachen-Gebiete und mongolischen Steppen – somit eben genau von jenen Völkerstämmen, die als Gegenpol der westlichen Zivilisation gesehen wurden. Die Aktivierung der Enzyme, welche diesem Verfahren inhärent ist, ist als eine Substanzmanipulation zu sehen, aber auch die Historie steht hier stellver- tretend für den kritisch subversiven Gebrauch kulturhistorischer und aktueller Mechanismen, die Slavs and Tatars eklektisch miteinander verweben und wie immer auch sinnlich-ästhetisch buch- stäblich auf’s Tablett bringen, indem den Besucher*innen Ayran angeboten wird – umgeben von einer Posterwand, auf der die ironische Verbindung von Stief- bzw. Steppenmutterbild evoziert wird.

Nicht zuletzt bestechen die linguistisch und kulturhistorisch geprägten Werke von Slavs and Ta- tars immer auch durch Humor, Sprachwitz und durch installativ sehr sinnlich einladende Raumge- staltungen, die die Besucher*innen eintauchen lassen in gleich mehrere Welten und Zeiten – vom Gestern zum Heute und wieder zurück in unbekannte Steppen und Wüsten.

Anlässlich der Ausstellung »Sauer Power« sowie der Ausstellung »Made in Dschermany« in den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden entstand das facettenreiche Künstlerbuch »Wripped Scirpped« im Hatje Cantz Verlag in englischer und deutscher Sprache (25 € / für Mitglieder des Kunstvereins Hannover 20 €). Durch ein umfassendes Rahmenprogramm wird die Ausstellung ergänzt: Wie bei jeder ihrer Ausstellungen halten die Künstler*innen noch vor der Eröffnung und außerhalb des Ausstellungshauses eine Lecture-Performance: am Montag, 12.11. um 18.00 Uhr in der Leibniz Universität. Im Januar werden sie zudem mit der Direktorin und Kuratorin der Ausstellung Kathleen Rahn durch die Ausstellung gehen, und schließlich sprechen Professoren aus Münster (Prof. Dr. Reinhard Hoeps, Mittwoch, 05.12., 19.00 Uhr) und Hannover (Prof. Dr. Gabriele Diewald, 23.01., 19.00 Uhr) über die theologischen sowie linguistischen Zusammenhän- ge des Werkes der Slavs and Tatars.

Neben Teilnahmen an zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen und Biennalen wie Biennial of Graphic Arts, Ljubljana (2017), »Preis der Nationalgalerie« Hamburger Bahnhof, Berlin (2015), Biennial of Graphic Arts (Ljubljana), Berlin Biennale (2014), Manifesta (2014), »Neigh- bours« Istanbul Modern (2014), Venedig Biennale (2014) oder »Un Nouveau Festival« Centre Pompidou, Paris (2013) wurden seit 2008 die Werke der in Berlin ansässigen Slavs and Tatars in Einzelausstellungen weit über den Globus verteilt vorgestellt und 2018 nun endlich auch in Deutschland, so in Münster (Westfälischer Kunstverein) und Dresden (Staatliche Kunstsammlun- gen / Albertinum). Zuvor erhielten sie Einzelpräsentationen u. a. in Salt Galata, Istanbul (2017), Ujazdowski Centre for Contemporary Art, Warschau (2016), Blaffer Art Museum, Houston (2016),Trondheim Kunstmuseum (2015), Asia Art Archive, Hong Kong (2015), Kunsthalle Zürich (2014), im Museum of Modern Art, New York (2012) und in der Wiener Secession (2012).

Tags: Malerei, Skulpturen, Zeitgenössische Kunst

Dienstag–Samstag12.00–19.00 UhrSonn– und Feiertag11.00–19.00 Uhr
Eintritt6 € / ermäßigt 4 € / Mitglieder freiFreitags freier Eintritt

Archiv
Hannover, Ausstellung, 25.08.2018 - 04.11.2018
Roman Signer Blauer Rauch, Weissbad, 2016 Video Videoprint: Tomasz Rogowiec  Courtesy der Künstler
Hannover, Ausstellung, 25.08.2018 - 04.11.2018
Nevin Aladağ Best Friends Dortmund #1, 2012 C-Print 115 x 80 x 6 cm  Courtesy die Künstlerin und WENTRUP, Berlin
Hannover, Ausstellung, 18.08.2018 - 28.10.2018
88. Herbstausstellung des Kunstvereins Hannover  Installationsansicht im Kunstvereins Hannover, 2018 Foto: Raimund Zakowski
Foto: MWK/brauer.com
Hannover, Ausstellung, 26.05.2018 - 29.07.2018
Ausstellung Vorschau hk preimage 2017
Hannover, Ausstellung, 05.05.2018 - 29.07.2018
Christopher Williams Model-Nr.: 1740 Rotznasen - Kinder Model Agentur Liesegangstr. 7A 40211 Dusseldorf Studio Rhein Verlag, Dusseldorf January 28, 2016 2016 Inkjet print 50,8 x 50,8 cm paper 85,7 x 84,5 cm framed Courtesy the artist, Galerie Gisela Capitain, Cologne and David Zwirner, New York / London / Hong Kong The copyright is with the artist.
Hannover, Auktion, 16.06.2018
Oskar Moll 1875 Brieg - 1947 Berlin - "Schlafende Marg" Aufrufpreis:	12.000 EUR Schätzpreis:	18.000 EUR
Hannover, Ausstellung, 24.02.2018 - 06.05.2018
Plakat Alexander Lieck »La Nationale« 2013
Hannover, Ausstellung, 26.01.2018 - 08.04.2018
Christa Dichgans Mond Mondfahrt 1973, Foto Jochen Littkemann
Eingang zum Steinhaus in Bunderhee © M.L. Preiss/Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Hannover, Ausstellung, 09.12.2017 - 04.02.2018
Laura Bielau »o.T.«, 2017 aus der Serie »ARBEIT« Silbergelatineabzug 70,6 × 49,8 cm