Welch ein Schock muss es für die drei jungen Utrechter Maler Hendrick ter Brugghen (1588-1629), Gerard van Honthorst (1592-1656) und Dirck van Baburen (um 1595-1624) gewesen sein, als sie in Rom erstmals auf die atemberaubenden und unkonventionellen Gemälde Caravaggios trafen. Seine Werke, von neuartigem Realismus und mysteriösem Licht gekennzeichnet, waren stilprägend für viele Künstler aus Italien, Frankreich, Spanien und den Niederlanden. Die Ausstellung widmet sich der Kernperiode des europäischen Caravaggismus, der Zeit von 1600-1630. Es werden diejenigen Maler gezeigt, die in Rom mit dem Werk Caravaggios in Kontakt gekommen sind. Die Werke der Utrechter Caravaggisten stehen dabei im Fokus. Durch eine direkte Gegenüberstellung mit den Bildern ihrer europäischen Kollegen wird der besondere Stil der holländischen Maler auf eindrucksvolle Weise sichtbar. Unverkennbar sind die mit Kerzen und Fackeln dramatisch ausgeleuchteten und bühnengleich inszenierten Figurenbilder von Gerard van Honthorst. Vielfach nachgeahmt und erfolgreich, erhielt er in Italien den Beinamen „Gherardo delle notti“ (Gerard der Nachtstücke). Dass die Gemälde der Utrechter eindeutig als holländisch zu erkennen sind, liegt auch daran, dass Baburen und ter Brugghen den Realismus Caravaggios noch weiter entwickelten und sogar vor der Darstellung hässlicher Details nicht Halt machten. Aufgrund ihrer eigenen kulturellen Identität differieren ihre Bilder signifikant von denen der französischen, flämischen, italienischen und spanischen Caravaggisten. Im Gegensatz zu vorangegangenen Ausstellungen geht es in der Münchner Schau neben den Gemeinsamkeiten primär um die Unterschiede zu dem großen italienischen Barockmaler Caravaggio.
Die dramatische, bühnengleich inszenierte Kunst der Caravaggisten ist Ausgangspunkt für ein umfangreiches Rahmenprogramm, bei dem die Malerei mit ihren Schwesterdisziplinen Musik und Theater auf einzigartige Weise in Dialog tritt. Die in der Ausstellung gezeigten Künstler suchten mit ihren Gestaltungsmöglichkeiten der Malerei, mit Pinsel und Farbe, Emotionen, Affekte und Bewegungen in Momentaufnahmen auf die Leinwand zu bannen, Mitgefühl zu erzeugen und den Betrachter ihrer Arbeiten in den Bann zu reißen. Gleiches gilt wohl für den Komponisten, den Musiker und den Schauspieler. Aber mit welchen Gestaltungsmitteln tut er dies? Wie würde ein Komponist, ein Regisseur, ein Dramaturg oder auch ein junger Maler die caravaggesken Bildthemen heute umsetzen? Diesen Fragen geht das Projekt „Utrecht, Caravaggio und Europa“ mit seinen Partnern, dem Opernstudio der Bayerischen Staatsoper, der Hochschule für Musik und Theater in München und der Akademie der Bildenden Künste, nach.
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