Den Ausgangspunkt für die künstlerische Praxis von Henrike Naumann (*1984) bildet die »deutsch-deutsche Wiedervereinigung« und deren Folgen, die die Künstlerin aus dem Blick des Jahres 2000 betrachtet. Was passierte nach 1989, wie sah das alles im Jahr 2000 aus, und wie prägten diese Jahre unsere Gegenwart? Anhand von Möbeln, die manchmal mehr »sagen« können als Worte, inszeniert Naumann die Postwendezeit mit all jenen Objekten und Schrankwänden, die als Billigvarianten das Design der Postmoderne widerspiegeln und die nach der Wende dann auch die Wohnzimmer der »Neuen Bundesländer« überfluteten. Bis ins kleinste Detail plant die Künstlerin, die zunächst Bühnenbild in Dresden und Szenenbild in Potsdam studierte, ihre Installationen, die uns in die 1990er-Jahre führen. Ihre Settings bewegen sich zwischen Concept Store, Wohnzimmer und Ruinen einer gefühlt soeben erst vergangenen Zeit. Mit ihren Installationen arbeitet Henrike Naumann wie kaum eine andere Künstlerin ihrer Generation am Puls der Zeit, um zu fragen, wo wir letztendlich heute stehen. Was passierte damals und was passiert heute hinter den Türen der Wohnungen in Ost- und Westdeutschland und mit welchen Konsequenzen? Zwischen lilafarbener Kuhfelldecke und Sperrholzmobiliar zeigt Henrike Naumann auf Röhrenfernsehgeräten Filme über sich radikalisierende Jugendliche bei konspirativen Treffen, die auf entsprechenden Sofas sitzen – ähnlich wie etwa damals NSU-Angehörige in Naumanns Geburtsort Zwickau, die die Republik durch ihre Anschläge erstarren ließen.Als Henrike Naumann Bildmaterial zur »Treuhand-Abwicklung« in den ostdeutschen Ländern suchte, stieß sie auf Birgit Breuel und damit auf die Expo 2000, während derer zudem erstmalig Deutschland als Ganzes im Kontext »Mensch, Natur, Technik« präsentiert wurde. Ihre Recherchen führten sie schließlich zum EXPOSEEUM, einem Verein, der unzählige nach der Weltausstellung in Hannover verbliebene Relikte versammelt: Gastgeschenke, Reste von Pavillons, Tausende von Filmbändern, die all die Ereignisse dokumentieren, die man als Besucher*in mehr oder weniger erinnert. Mit ihrer politisch ambitionierten Erinnerungsarbeit trifft Henrike Naumann in den letzten Jahren international so sehr den Nerv der Zeit, dass ihre mediale- sowie Ausstellungspräsenz beeindruckend ist (Museum Abteiberg, Mönchengladbach; Busan Bienniale; MMK, Frankfurt; Haus der Kunst, München). Im Kunstverein Hannover wird sie erstmalig zwei lange Recherchestränge zusammenführen und durch eine umfangreiche neue Inszenierung der EXPOSEEUMs-Sammlung im Kunstverein zwei Vereine miteinander zu einer sozialen Plastik verbinden.