Die Einladungskarte zur vierten Einzelausstellung von Thomas Zipp in der Galerie Krinzinger zeigt ein Foto aus den fünfziger Jahren einer Konferenz der „Organisation Mondiale de la Santé“ (World Health Organisation) zum Thema Mental Health. Die Jahreszahl 2020 fügte Thomas Zipp dem Foto hinzu, um mit seiner Ausstellung „world health. Mental health 2020“ der Frage nachzugehen, wie es um den Status Quo der seelischen Gesundheit der Menschen steht.THOMAS ZIPP. World health. Mental health 2020Galerie Krinzinger, Seilerstätte 16, 1010 Wien21. Februar – 27. März 2020www.galerie-krinzinger.atDi–Fr 12–18 Uhr, Sa 11–16 UhrEINTRITT FREI
Stress wird von der Weltgesundheitsorganisation als eine der größten Gefahren des 21. Jahrhunderts gesehen. Es kann demnach kein Zufall sein, dass im Internet und in diversen sozialen Foren neue Lifestyle-Coaches einen unglaublichen Erfolg verzeichnen. Sie versprechen Millionen von Followern (AnhängerInnen) Zufriedenheit, Geborgenheit und seelischen Ausgleich durch Spiritualität zu erlangen. Unter ihnen ist Deutschlands erfolgreichste Achtsamkeitstrainerin Laura Malina Seiler, die als „Coach für Mindful Empowerment und moderne Spiritualität“ Menschen aus allen Altersgruppen zu ihren begehrten Workshops in Berlin einlädt. Was für den Einen den Weg zu mehr Glück ebnet, mag dem Anderen unseriös und lächerlich erscheinen. Thomas Zipp setzt sich in seiner Ausstellung mit dieser Frage auseinander: Was sucht der Mensch auf, um seine Seele zu befriedigen?
Stellvertretend für jede Form von Spiritualität, hat Thomas Zipp im rechten Raum der Galerie Krinzinger eine Kapelle nachgebaut. In der Mitte beleuchtet ein großes Kreuz aus Neonröhren den ganzen Raum, das von Gemälden mit Szenen aus dem Neuen Testament flankiert wird. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich eine Art psychedelisches Kabinett, welches dem Thema der Psychologie gewidmet ist. An die 200 Zeichnungen zieren dessen Wände. In ihrer Reduziertheit und Spontanität erinnern sie an ein freies Zeichnen, das vom Unbewussten geleitet wird. Auch hier platziert Thomas Zipp ein starkes Symbol ins Zentrum des Raumes – eine überdimensionale Pille. In der gesamten Galerie sind zudem zwölf Holzfiguren aufgestellt, die Zipp als die zwölf Apostel tituliert. Diese schönen und kuriosen Puppen sammelt der Künstler seit Jahren und integriert sie in seine Performances und Gemälde oder bearbeitet sie plastisch.
Formal sollen die zwei Räume Spiritualität und Psychologie einander gegenüberstellen, als könnte die BesucherInnen, indem er einen der beiden Räume wählt, zwischen der Beichte und dem Psychotherapeuten entscheiden. Tatsächlich verfließen aber in der Kunst von Thomas Zipp diese Grenzen. Die eine Seite soll die andere nicht ausschließen. Seit Jahren interessiert sich der Künstler für Wissenschaften, die psychische Erlebnisse empirisch zu messen versuchen. Die Lehre der Psychophysik, welche die Beziehung zwischen äußerem Reiz und psychischen Erlebnis untersucht, begleitet den Künstler seit Jahren. Seine Malerei symbolisiert dieses Interesse. So kombiniert Zipp häufig mathematische Raster, Schrift und eine formale Strenge mit spontanen und freien Elementen und psychologischen Portraits. In der Regel werden auf einem dunklen Hintergrund Schicht für Schicht Zeichnungen und Farbakzente aufgebaut. Durch diese collageartige Technik verbindet Zipp viele Ebenen miteinander und stellt somit neue Bezüge her.