Als ich vor einem Jahr begann an diesem Zyklus zu arbeiten, war mein Kopf voll mit wunderbaren Erinnerungen, die ich aufarbeiten wollte. Es entstanden Bilder von Reisenden – zumeist Frauen – aus und in verschiedenen Welten. . . Seit einigen Tagen träume ich intensiv wie nie zuvor vom Reisen. Jetzt, da eine unheimliche Magie unsere Welt vorübergehend zum Stillstand gebracht hat. Ingrid BrandstetterMit „En Voyage – Allegro con spirito“ widmet die Galerie Kovacek & Zetter der Künstlerin Ingrid Brandstetter bereits zum dritten Mal eine große Einzelausstellung.
Thema der aktuellen Werkfolge ist das Reisen. Wobei das im wortwörtlichen, aber durchaus auch im übertragenen Sinn zu verstehen ist. Es sind Frauen, die als Tramperin die Welt erforschen, die im Transitraum auf ihren Flug warten oder am Busterminal in einem fernen Land der Abreise entgegenfiebern, Momente des Abschiednehmens und der Wiedersehensfreude. Es sind aber auch jene mutigen und offenen Frauen, die bereit sind, Neues zu wagen, sich auf Abenteuer einzulassen, die mit offenen Augen und Herzen durch die Welt gehen und manchmal auch an einen Scheideweg geraten, an dem es innezuhalten gilt und es vielleicht nötig ist, eine neue Richtung einzuschlagen.
Ingrid Brandstetter gelingt es, diese Szenen mit einer spielerischen Leichtigkeit und Unmittelbarkeit festzuhalten. Die Bilder verführen und lassen uns die emotionalen Stimmungen der Protagonistinnen nachvollziehen. Sie generieren eine Geschichte, in der das Davor und Danach der Szene in unseren Assoziationen weitergesponnen wird. Somit entstehen narrative Bildkonzeptionen, denen man sich kaum entziehen kann. Dabei erschafft sie mit einer unglaublich leuchtenden Farbpalette, mit ihrer kraftvollen, gestischen Malweise eine Atmosphäre voll Lebensfreude und Zuversicht.
Durch die aktuelle Situation werden diese Bilder aber auch zu Sehnsuchtsmomenten. Die Gewissheit zu jeder Zeit an jeden Ort der Welt reisen zu können, ist uns auf einmal genommen worden. Eine Pandemie hat uns einen nie dagewesenen Stillstand aufgezwungen. Wir merken wie labil ein System ist, das wir als selbstverständlich hingenommen haben. Umso mehr erfreuen wir uns an den Geschichten, die von dieser unbeschwerten Reiselust, dem Fernweh, von der Lust auf Abenteuer, auf Neues und Unbekanntes erzählen und die Ingrid Brandstetter in malerischer Form meisterhaft für uns festgehalten hat.
Silvie Aigner im Katalog:Dem Aufbruch wohnt ein Zauber inne, eine Erwartung, eine Vorfreude, jedoch auch eine gewisse Melancholie über den Abschied, eine leise Einsamkeit oder ein banges Gefühl, weil man Vertrautes verlässt. Ingrid Brandstetter hält in ihren Bildern diese Stimmungen fest – macht sie zu deren Leitenergie und mobilisiert damit unsere Vorstellungskraft. Sind wir nicht alle stets auf der Suche nach Erkenntnis, nach Neuem, nach Entdeckungen und Begegnungen? Wir wissen nicht, wohin die Protagonistinnen in Ingrid Brandstetters Bildern aufbrechen, ob zu einer großen Reise, zu einem kleinen Ausflug oder zu einem Besuch bei der Freundin. Fröhlich, lachend, die Reisetasche schwungvoll über die Schulter geworfen, aber auch nachdenklich, in sich versunken, wartend, stellt die Künstlerin die Frauen dar. Ein kurzer Augenblick, der so, in dieser Form unwiederbringlich ist. Die Reisende ahnt, dass etwas in Bewegung kommt und in Bewegung bleibt – bis hin zu einer vielleicht einschneidenden Veränderung. „Manchmal bekommt man das, was man will, erst, wenn man der Welt den Rücken kehrt“, erklärt der Schriftsteller Paul Theroux in seinem Buch „Mein anderes Leben.“ Ein flüchtiger Moment im Leben dieser Frauen wird festgehalten, er wird aus seiner Beiläufigkeit herausgeholt und in den Bildern von Ingrid Brandstetter auf die Bühne gestellt.
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