Yoshitomo Nara (*1959) zählt weltweit zu den bekanntesten Künstlerinnen und Künstlern seiner Generation. Ab den 1990er-Jahren erlangt er mit seinen „Angry Girls“, stark stilisierten Mädchendarstellungen mit grimmigem Blick, Vampirzähnen oder Messer in der Hand, internationale Aufmerksamkeit. Die Figuren im Kindchenschema, die an die Ästhetik von Comics und Cartoons erinnern, reichen von der rotzig-frechen Göre bis zu naiv und lieblich wirkenden Charakteren. Hinter den auf den ersten Blick naiv oder vielleicht sogar niedlich erscheinenden Wesen versteckt sich eine Punk-Attitüde. Nicht in einem zerstörerischen, aber in einem kritischen Sinn, in einer Weise, die hinterfragt, aufbegehrt und sich nichts gefallen lässt. Es sind starke kleine Persönlichkeiten, die sich der Erwachsenenwelt und irgendwo auch ihrem eigenen Erwachsenwerden widersetzen, die in einer Ehrlichkeit und Unverfälschtheit, wie sie nur Kindern eigen ist, ihre Meinung und ihre Gefühle offenbaren und denen zugestanden wird, eben diese zu haben.Der Schwerpunkt der Ausstellung, die seit über zehn Jahren die erste große Museumspräsentation des Künstlers in Europa darstellt, liegt auf Naras facettenreichem zeichnerischem Œuvre, das sich über einen Zeitraum von rund 40 Jahren erstreckt und in einer vom Künstler selbst zusammengestellten Hängung gezeigt wird. Die Zeichnungen, die er manchmal fast beiläufig auf Zetteln, Kuverts, Flyern oder Wellpappe umsetzt, lassen den direkten Einfluss von (Rock)Musik und Popkultur erkennen und bringen das gesellschaftspolitische Anliegen des Künstlers zum Ausdruck: Sie verhandeln auf eine leichtfüßige Art soziale Werte, Normen und Ideale. In der Zeichnung manifestiert sich Naras Meisterschaft, der Reichtum eines emotionalen Spektrums, das von Verletzlichkeit über existenziellen Tiefgang bis hin zu Rebellion und Widerspenstigkeit reicht.