In ihrer medialen Ausstellung Ich und die Anderen im Bildraum 01 setzt sich Annja Krautgasser mit der Frage vorgegebener Rollenzuschreibungen innerhalb des familiären Systems auseinander. Wer bin ich innerhalb der Familie und wie begegne ich den anderen?Der für die Ausstellung erstellte, gleichnamige Kurzfilm Ich und die Anderen bildet den Mittelpunkt der Ausstellung. „Beziehungen als Nährboden von Fremdbestimmung, Abhängigkeit, Verlustangst. Vater, Mutter, Kind. Es geht um enge Bande, um Pflicht, um Beziehung und darum, wie sich Menschen aneinander binden, ohne dass es ihnen bewusst zu sein scheint. Und auch ohne, dass sie daraus flüchten könnten.“ (Barbara Kaufmann)
Drei formale Elemente spielen die Hauptrollen in der Ausstellung & dem Film — die klassische Therapiesitzung, die systemische Familienaufstellung und das „Theater der Unterdrückten“ von Augusto Boal. Diese Elemente werden in einer raumgreifenden Installation für die Betrachter:innen zugänglich, spürbar und greifbar gemacht.
Das filmische Exzerpt, präsentiert auf einem Screen in einer raumteilenden Holzkonstruktion, deutet einen Raum im Raum an und gewährt hier anfänglich dem Privaten seinen Platz. Mit einem textilen Objekt, einem Teppich mit eingewobenen Positionspunkten, transportiert die Künstlerin den privaten Wohnraum direkt in den Ausstellungsraum und erinnert an die längst verhallten Rufe der Frauenbewegung der 70er Jahre „das Private als etwas Politisches anzusehen“ („The personal is political“, Carol Hanisch, 1970). Diese Forderung scheint nach wie vor höchst aktuell. „It really seems to me that as soon as a child is there, all the ambitions of a couple to live in equality, disintegrate. As if there had never been such a thing as emancipation“ (Textauszug Beziehungs:szenen (2024, R: Annja Krautgasser, 80 min). Annja Krautgasser erschafft eine feministisch-selbstreflexive Auseinandersetzung, die nicht urteilt oder anprangert, sondern vielmehr ein System aufzeigt, auf das sich jeder einlassen und in dem sich jeder wiedererkennen kann.
Handgemachte Keramikscheiben, die auf den Markierungen am Teppich abgelegt sind, laden dazu ein, sich aktiv mit der eigenen Familienkonstellation auseinanderzusetzen und sich — im besten Fall — mit sich selbst zu konfrontieren. Denn nicht zuletzt geht es Annja Krautgasser in ihrer Vertiefung um das Aufspüren des subjektiven ICHs als eigenständige Person.
http://Finissage & Buchpräsentation: Donnerstag, 4. April, 19 Uhr
https://annjakrautgasser.net/