„Wieviele Maler tragen falsche Flügel: Geflügel, sonst nichts. Wieviele meinen hochgestiegen zu sein, wie Ikarus, liegen längst am Boden – oder sind noch nie gestiegen? Guter Klinkan, er hat sein kurzes Leben lang keine Schwierigkeiten mit dem Finden gehabt, mit dem Erfinden. Denn er hatte seine Phantasie.“Diese Sätze schrieb Josef Mikl in jenem Katalog, der 1996 anlässlich einer Ausstellung im Kulturhaus der Stadt Graz erschien. Es war eine viel beachtete Personale, die von der Galerie bei der Albertina • Zetter übernommen wurde. Alfred Klinkan erlebte diese Ausstellung nicht mehr. Im September 1994 war er in Wien gestorben.
Wenn nun die Galerie bei der Albertina • Zetter zu seinem 20. Todestag die Ausstellung „Alfred Klinkan. Wien Antwerpen München“ zeigt, dann, um auf das immens reiche Schaffen des so früh Verstorbenen hinzuweisen, und diese singuläre künstlerische Position erneut ins Bewusstsein zu rücken. Anhand von vierzig Gemälden ermöglicht die Präsentation, auf ein Werk zu blicken, das sich in seiner subjektiven Ausprägung gängigen Strömungen und einer eindeutigen Einordnung weitgehend entzieht.
Bereits im Frühwerk aus den 1970er Jahren, das einen Schwerpunkt der Ausstellung bildet, erkennt man Klinkans Sonderposition. Es ist die Zeit als der Künstler noch an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert, zunächst bei Josef Mikl, später bei Wolfgang Hollegha. 1974 beendet er, ausgezeichnet mit dem Abgangspreis der Akademie, dieses Studium.
Klinkan geht dabei in seiner Kunst auf Distanz zu dem abstrakt expressionistischen Stil seiner Lehrer. Die in dieser Zeit gemalten und heute immer noch zu wenig bekannten Werke sind stark grafisch bestimmt. Wie ein Wollgarn windet sich die gemalte Linie in Klinkans Bildern, formt auf Leinwand gestrickte Jacken, Westen, Handschuhe und Hauben. Es ist die Zeit seiner Krampusbilder, in denen er den Gehilfen und Widersacher des Nikolaus malerisch auf monochrome Hintergründe spinnt. „Die Knäuellinie ist die prägende Konstante in Alfred Klinkans Schaffensphase der 1970er Jahre. Mit ihr umgeht er eine Wirklichkeit, die an der klassischen Imitation festhält und dennoch nicht abstrakt ist“, schreibt Florian Steininger im Katalog.Klinkans ironisch-sarkastische Fabulierlust, ebenso seine Affinität zur Sprache und zur Literatur manifestieren sich in dieser Frühzeit auch in Bildern, in denen er auf große weiße Leinwände Schulaufsätze in kindlich naivem Duktus schreibt.
In der zweiten großen Werkgruppe der Ausstellung, Gemälde vor allem aus der ersten Hälfte der 1980er Jahre, begegnet Klinkan dem Betrachter nunmehr als „hintergründiger Alchemist der Farbe“, wie ihn Wilfried Skreiner 1985 bezeichnet hat. Zwischen die Entstehung der beiden gezeigten Werkkomplexe fällt Klinkans Auslandsstipendium, das ihn von 1976-77 nach Antwerpen an die Koninklijke Academie voor Schone Kunsten führte. Eine wichtige Phase. Nicht nur liebte Klinkan die Stadt Antwerpen, in die er später immer wieder zurückkehrte. Hier lernte er auch den Galeristen Adriaan Raemdonck kennen, der ihm mit seiner Galerie „De Zwarte Panter“ eine bedeutende Ausstellungsplattform bot. Ab 1977 wendet sich Klinkan in seiner Kunst dann von der bisher vor allem subtil eingesetzten Farbigkeit ab und einer kräftigeren Koloristik zu. Besonders in der ersten Hälfte der 1980er Jahre perfektioniert er seinen Umgang mit der Farbe. Seine Gemälde werden bunter, leuchtender, greller, glühender in einer beinahe psychedelischen Farbpalette.Tierfiguren und Fabelwesen bevölkern oft Seite an Seite mit menschlichen oder menschenähnlichen Kreaturen seine Bildräume. Es sind fantastische, narrative, märchenhafte Bildwelten die der unermüdlich, geradezu rastlos arbeitende Klinkan seiner Imagination entspringen lässt.
Es ist jene Zeit, in der „in Österreich die subjektiv gemalte Figur als Angelpunkt einer vitalen, farbintensiven Malerei proklamiert wurde,“ schreibt Andrea Schuster im Katalog und nennt als signifikante Vertreter dieser Richtung Siegfried Anzinger, Hubert Schmalix, Alois Mosbacher und Alfred Klinkan. Es sind die „Neuen Wilden“, die hier auf den Plan treten und in der Kunstlandschaft Österreichs kräftige neue Impulse setzen. Auch Klinkan wird dieser Strömung immer wieder gerne und schnell zugerechnet. Doch Alfred Klinkan bleibt in seiner Kunst ganz bei sich selbst. So schreibt Florian Steininger: „Klinkans Position in der Malerei ist wie eine Insel. Er lässt sich schwer schubladisieren, wenngleich er oft als Scharnierfigur zwischen Wirklichkeiten und Neuen Wilden instrumentalisiert wurde. Klinkan steht paradigmatisch für die Lust und Sinnlichkeit zu Malen, das Bild als imaginative Projektionsfläche zu definieren und asketische Konzeptionalismen hinter sich zu lassen. Im Zentrum steht die Pracht der Malerei als fantastische Reise in eine wundervolle Bilder-Welt.“
Kurzbiografie Alfred Klinkan:1950 in Judenburg in der Steiermark geboren1970-1974 Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Josef Mikl und Wolfgang Hollegha1976-1977 Auslandsstipendium für die Koninklijke Academie voor Schone Kunste1977 Österreichisches Staatsstipendium für Bildende KunstVon 1979 bis 1981 und 1984 lebt und arbeitet Alfred Klinkan vorwiegend in Antwerpen.1981 Klinkan wird mit dem ersten Otto-Mauer-Preis ausgezeichnet.1985 Übersiedlung nach Freising, Atelier in München, Heirat mit Hedwig Abert, Geburt der Söhne Adrian (1985) und Tobias (1987)1991-1994 neben der Arbeit im Münchner Atelier auch längere Aufenthalte in Wien und Antwerpen1994 stirbt Alfred Klinkan am 17. September in Wien.