Die Geschichte des „fürstlichen Hofmohren“ Angelo Soliman ist Teil der Wiener Stadtmythologie, nicht zuletzt durch die Schändung und Präparierung seiner Leiche für das kaiserliche Naturalienkabinett: Ein Mann mit außergewöhnlicher Karriere im aufgeklärten Wien wurde im Museum als halbnackter „Wilder“ mit Federn und Muschelkette präsentiert. Um 1721 in Afrika geboren, wurde Soliman als Kindersklave nach Sizilien verkauft und kam als Diener, Soldat und enger Vertrauter zunächst in den Dienst von Feldmarschall Lobkowitz. Ab 1753 lebte er in Wien, wo er im Hofstaat der Fürsten Liechtenstein eine wichtige Rolle spielte – als Kammerdiener und Erzieher der Fürstenkinder, aber auch als exotisches „Prunkstück“ für höfische Repräsentation. Gegen den Willen des Fürsten heiratete er und lebte einige Jahre als Privatier und Hausbesitzer in der Vorstadt. Als Freimaurer verkehrte Soliman auch mit Mozart und bedeutenden Wissenschaftlern seiner Zeit. Nach orientalischem Geschmack gekleidet, war er eine bekannte und geschätzte Wiener Persönlichkeit.
Zwischen Fakten und Anekdoten
Soliman ist der erste nichteuropäische Zuwanderer in Wien, dessen Leben ausreichend dokumentiert ist, um ihn als Person zu erschließen. Doch die Grenze zwischen Fakten und anekdotischer Überlieferung sind fließend. Soliman bleibt Projektionsfläche, je nach Perspektive der Betrachtung: Er ist Kuriosum und erfolgreicher Migrant, ewiger Sklave und bürgerlicher Aufsteiger, Vorbild und Opfer. In seiner Biografie sind Emanzipation und Zwangsassimilierung eng miteinander verwoben.
Neben der Biografie von Angelo Soliman und deren historischem Umfeld behandelt die Ausstellung auch die Rezeptionsgeschichte: Idyllische Einordnungen ins alte Wien finden sich ebenso wie phantasievolle Variationen von Musil oder Herzmanovsky-Orlando und antirassistische Kritik der Legendenbildung um den prominenten Afro-Österreicher. Ein weiteres Thema ist die Fortschreibung von Afrikaner-Stereotypen und latentem Rassismus bis heute. Den Abschluss bilden Video- Statements von heute in Wien lebenden Menschen mit afrikanischem Migrationshintergrund. Die Idee und das Konzept zur Ausstellung stammen von dem bekannten Historiker und Publizisten Philipp Blom, zu sehen sind rund 250 Objekte, darunter berühmte zeitgenössische Ölbilder (unter anderem von Canaletto), Lebensdokumente Solimans sowie Darstellungen von Afrikanern vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Gestaltet wird die Ausstellung vom Architekten Luigi Blau.
Rundgang durch die Ausstellung
Afrika war ein Fantasiegebilde: Das zeigt die Ausstellung zu Beginn mit flämischen und italienischen Stichen sowie Landkarten aus dem 17. und 18. Jahrhundert, als die Neugierde für den „wilden“ Kontinent groß, die tatsächlichen Kenntnisse jedoch äußerst gering waren – die Erforschung Afrikas mittels Expeditionen setzte erst später ein. Woher Soliman kam und welcher Ethnie er angehörte, ist bis heute nicht gesichert. Bekannt sind jene Routen, über die Sklaven von Afrika nach Europa kamen, wie in Kapitel 2 zu sehen ist. Als junger Bub wurde Soliman nach Messina verschifft, wo er im Dienste einer aristokratischen Dame gestanden haben soll. Messina war wichtiger Umschlagplatz für den Sklavenhandel, wie im dritten Kapitel zu erfahren ist – und dort gab es auch eine Familie Sollima, von der der Versklavte seinen Namen erhalten haben könnte.
Welche Funktionen, Aufgaben und Rollen hatten dunkelhäutige Menschen in Mitteleuropa zu erfüllen? Antworten darauf findet man in Kapitel 3. Zum einen dienten sie als prestigeträchtige Diener und „Kaffeemohren“, die als exotischer Aufputz das modische Getränk zu servieren hatten – eine aberwitzige Vermischung von Afrika und Orient übrigens, die sich nicht zuletzt im „Meinl-Mohren“ mit seinem türkischen Fez als Kopfbedeckung niederschlug. Schwarze hatten zum anderen auch das Image, besonders tapfere und kräftige Krieger zu sein, und wurden daher gerne in der Armee eingesetzt. Angelo Soliman geriet als junger Soldat in den Dienst des Fürsten Lobkowitz, wobei nicht klar ist, ob er schon während dieser Zeit nach Wien kam.
Im Dienst des Fürsten Liechtenstein: Soliman in Wien
Das zentrale vierte Kapitel der Ausstellung widmet sich dem Leben Solimans in Wien. Mindestens 40 Afrikaner gab es in der Stadt im 18. Jahrhundert, allerdings ist nur Angelo Solimans Leben gut dokumentiert. Dunkelhäutige Menschen waren also im Stadtbild zwar auffällig, aber keineswegs unbekannt – man findet sie auf Stadtansichten, etwa auf denjenigen von Carl Schütz und Salomon Kleiner, auch Relikte wie das Hauszeichen „Zum Schwarzen Mohren“ (aus der Sammlung des Wien Museums) geben Hinweise darauf. Aus Archivalien des Fürsten Liechtenstein kann man auf das Leben Solimans als Kammerdiener des Fürsten schließen: Wie kostbar er eingekleidet wurde, auf welchen Reisen und politischen Missionen er den Fürsten begleitete etc. „Für die Wiener High Society fungierte Soliman aufgrund seiner Hautfarbe, aber wohl auch infolge seiner Gewandtheit, seiner Sprachkenntnisse und seines Talents im Kartenspiel als auffälliger exotischer Referenzpunkt“, so der Historiker Walter Sauer in seinem Beitrag zum Ausstellungskatalog.
Als Soliman beim Glücksspiel einen hohen Geldbetrag gewann, versuchte er, aus seiner bisherigen Rolle des Dieners auszubrechen, heiratete heimlich die Witwe Magdalena Kellermann, wurde aus dem Dienst entlassen und zog in die Vorstadt „Unter den Weißgärbern“, ein eher derbes Viertel, wo er im Laufe der folgenden Jahre verarmte. Die Rückkehr an den Liechtenstein´schen Hof rettet ihn finanziell, Soliman wurde Erzieher des Erbprinzen Alois Joseph. Als Mitglied der Freimaurerloge „Zur Wahren Eintracht“ verkehrte er mit den Größen seiner Zeit wie Mozart, Joseph von Sonnenfels oder Ignaz von Born. Über sein Privatleben ist wenig bekannt, ebenso über seine Beziehung zur Freimaurerei oder seine politischen Ansichten. Im Alter soll er zurückgezogen gelebt haben, seine letzte Wohnung befand sich auf der Freyung, d. h. in einem bürgerlichen Wohnviertel.
Legendenbildung nach dem Tod
Kapitel 5 der Ausstellung widmet sich der Schaustellung Solimans. Soliman starb 1796, ein Jahr später eröffnete das kaiserliche „Physikalische und astronomisches Kunst- und Natur-Tier-Cabinet“, wo der ausgestopfte Körper Solimans aufgestellt wurde. Es ist unklar, wie viel die Öffentlichkeit darüber wusste und wer genau diese Maßnahme veranlasst hatte. Belegt ist jedenfalls der heftige Protest von Solimans Tochter Josepha. 1806 wurde das Präparat – gemeinsam mit anderen präparierten Leichen – ins Depot geräumt, wo es im Revolutionsjahr 1848 beim Hofburgbrand zerstört wurde.
Sehr bald nach seinem Tod bildeten sich zahlreiche Legenden vom „Hofmohren“, die im Kapitel zur Rezeptionsgeschichte betrachtet werden. So schrieb etwa die Schriftstellerin Caroline Pichler bereits 1807 einen ersten biografischen Essay, der im Sinne der Aufklärung die „Zivilisationsfähigkeit“ von Afrikanern unter Beweis stellen sollte und Soliman als gebildeten, gottesfürchtigen „Neger“ pries. Die politisch heiklen Aspekte wie Solimans Mitgliedschaft bei den Freimaurern oder die Tatsache, dass er nach seinem Tod ausgestopft wurde, verschweigt Pichler. Soliman wurde zum exotischen Beispiel für die Toleranz der Gesellschaft im Falle einer geglückten „Integration“ stilisiert – eine äußerst einseitige Interpretation, die lange anhielt.
Nicht weniger brisant sind die Stereotypen und Afrika-Klischees, die sich bis ins 20. Jahrhundert hielten und zum Teil auch veränderten, wie in Kapitel 7 gezeigt wird. Das Spektrum reicht von Schaustellungen von Afrikanern im Prater um 1900 bis hin zu Images in der Werbung des 20. Jahrhunderts und dem Bild von afrikanischen Asylwerbern in heutigen Medien.
Der letzte Abschnitt der Ausstellung nimmt direkten Bezug auf die Gegenwart. Etwa 22.000 Afrikaner leben gegenwärtig in Wien, viele davon sind täglich mit Rassismus konfrontiert. Mit einigen von ihnen hat Gastkurator Blom Interviews über ihren Alltag gemacht: „Die negativen Klischees sind erstaunlich stabil geblieben, aber die positive Wahrnehmung von Afrikanern ist durch das intellektuelle Erbe von Kolonialismus und Rassismus fast völlig zerstört.“
Hochkarätiges Rahmenprogramm
Bezug zur Gegenwart nimmt auch das ambitionierte Rahmenprogramm. So gibt es eine Diskussion zur „Operation Spring“, moderiert vom Falter-Journalisten Florian Klenk, eine Präsentation zum Bild von AfrikanerInnen in den Medien (gestaltet von Simon Inou und Clara Akinyosoye, in Kooperation mit afrikanet.info), die bekannte deutsche Autorin und Musikerin Noah Sow (Bestseller: „Deutschland Schwarz Weiß“) hält einen Vortrag über den alltäglichen Rassismus, Wolfgang Kos spricht an einem Abend mit Mamadou Diabaté, Beatrice Achaleke und Chibo Onyeji über „Wege nach Wien“. Zu erwähnen ist weiters eine Lesung von Cornelius Obonya mit ausgewählten Texten über Soliman aus 200 Jahren (von Caroline Pichler bis Ilija Trojanow), Stadtexpeditionen und ein Kinderprogramm mit Babátólá Alóba runden das Angebot ab. Näheres dazu unter www.wienmuseum.at.
Eintritt: Erwachsene: 6 €. Ermäßigt 4 € (SeniorInnen, Wien Karte, Ö1-Club, Menschen mit Behinderung, Gruppen ab 10 Personen) bzw. 3 € (Lehrlinge, Studierende bis 27Jahre, Präsenz- und Zivildiener); Schüler und Jugendliche unter 19 Jahren - Eintritt frei! Jeden ersten Sonntag im Monat für alle BesucherInnen - Eintritt frei!
Sonntag, jeweils 11 und 16 Uhr Anmeldung für Gruppen: Tel.: (+43 1) 505 87 47- 85180; e-mail: service@wienmuseum.at Überblicksführungen:
Tel (+43 1) 505 87 47-0, www.wienmuseum.at; e-mail: service@wienmuseum.at BesucherInneninformation:
Philipp Blom Idee und Konzept:
Philipp Blom, Eva-Maria Orosz Kurator/In:
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