Ob im Schwarzwald oder in China, ob Bollenhut oder Silberschmuck, was die Menschen auf dem Kopf tragen, ist meist mehr als reine Zierde. Oft haben Hauben, Hüte, Totenkränze oder Diademe eine bestimmte Bedeutung. Sie sagen etwas aus über die Stellung innerhalb der Gesellschaft, zeigen, ob die Trägerin verheiratet ist oder noch auf Suche nach dem richtigen Bräutigam.Wie verändert das Tragen von Kopfschmuck eine Person und deren Haltung? Mit diesem Thema beschäftigt sich die Sonderausstellung »Erhobenen Hauptes — Kopfschmuck aus aller Welt« im Schmuckmuseum Pforzheim. Vom 30. November 2014 bis zum 22. Februar 2015 sind etwa 120 Objekte vom Hellenismus bis ins 20. Jahr-hundert zu sehen. Sie stammen aus unterschiedlichen Nationen und Stämmen weltweit, aber auch aus der Nähe, wie die Schäppele und Bollenhüte aus dem Schwarzwald oder der schwarze Zylinder, den der ehemalige Pforzheimer Oberbürgermeister Johann Peter Brandenburg trug.
Von der bäuerlichen Krone bis zum glitzernden Diadem zeigt die Ausstellung facettenreich das Erhöhen einer Person durch den jeweiligen Kopfschmuck und thematisiert auch ethnografische Aspekte. Noch vor knapp hundert Jahren wäre kein Bürger ohne Hut auf die Straße gegangen. Das Tragen von Kopfschmuck hat sich im Laufe der Zeit gewandelt, doch in vielen Regionen gehört es nach wie vor zur Tradition und sagt viel über Bräuche und Sitten aus. Kopfschmuck ist aber nicht nur ein Standesmerkmal, sondern vor allem ein wunderbares Schmuckstück. Aus kostbaren Materialien gefertigt, farbenfroh und in erstaunlichen Formen präsentiert diese Ausstellung besondere Exponate.
Gezeigt werden die Vielfalt des Kopfschmucks und seine Variationsbreite in Farben und Formen von abendländisch-höfisch bis volkskundlich- ethnografisch. Museumsleiterin und Kuratorin Cornelie Holzach hat die Präsentation chronologisch und in Gruppen angeordnet. Der Besucher kann dabei mannigfache Bezüge selbst entdecken.
Im Kunstverein ist im Dialog dazu »Michaela Tröscher — Der Chlausenhut« zu sehen.
Ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Vorträgen und Workshops geht den Veränderungen der Kopfbedeckungen im Laufe der Jahrhunderte nach.
Unter der HaubeKopfschmuck und TrachtDer Bollenhut gehört zum Schwarzwald wie die Kirsche auf die Schwarzwälder Kirschtorte. Die 14 roten Wollkugeln (Bollen) und der dazugehörige Strohhut sind nicht nur Kopfschmuck und Bestandteil der Schwarzwälder Tracht, sondern längst zum Signet der gesamten Schwarzwaldregion geworden.
Durch verschiedene Kopfschmuckformen konnte eine schnelle regionale Zuordnung erreicht werden und es wurden Informationen über die gesellschaftliche Stellung der Trägerinnen übermittelt. Im Fall des Bollenhuts ist insbesondere die Farbe der Wollbollen entscheidend, die auf einem mit weißer Leimmasse gegipsten Strohhut aufgebracht sind, der dadurch bis zu zwei Kilo schwer wird. Ledige Frauen tragen von der Konfirmation bis zur Hochzeit die Variante mit den roten Bollenkugeln, verheiratete Frauen den schwarzen Bollenhut, der in beiden Fällen auf einer kleinen Seidenkappe aufliegt und mit zwei Bändern eng um den Kopf geschlungen wird. Dass der Bollenhut darüber hinaus zu einer Marke geworden ist, liegt auch an der visuellen Verbreitung der Tracht durch Künstler, die nach dem Anschluss der Schwarzwaldtäler an die Schwarzwaldbahn Ende des 19. Jahrhunderts Exkursionen unternahmen, um das »ursprüngliche, unverfälschte Landleben« zu studieren und in Gemälden festzuhalten. Gewichtigen Anteil an dieser Entwicklung hat der Künstler Wilhelm Gustav F. Hasemann (1850-1913). Wie sein Weggefährte, der Schriftsteller Heinrich Hansjakob (1837-1916), gilt er als früher Förderer der badischen Volkstrachtenbewegung.
Größte Aufmerksamkeit schenkten die Haubenmacherinnen dem eigens für die Hochzeitsfeierlichkeiten gefertigten Exemplar. Seien es kunstvoll bestickte oder mit Klöppelspitze verzierte Hauben oder die je nach Region als Schappel oder Schäppel bezeichneten imposanten Beispiele des Kopfschmucks, welche die Braut zieren. In Form und Bedeutung geht die Schäppel — wie beeindruckende Beispiele aus St. Georgen zeigen — auf die bereits im Mittelalter gebräuchlichen Brautkronen zurück. Meist dient ein einfaches Drahtgestell als Unterbau. Dieser Drahtkorb wird von der Kappenmacherin, auch Schäpplerin genannt, mit kleinsten Glasperlen, Silberplättchen, Fädeln und Kügelchen überzogen. So entstanden Kunstwerke von unermesslichem Wert, die sich nicht jeder leisten konnte. Daher war es üblich, sich zur Hochzeit eine Schäppel aus Gemeindebesitz auszuleihen. Schaut man genau hin, lassen sich unter den bunten Perlen auch Fruchtbarkeitssymbole wie kleine Eicheln und Kränzchen entdecken. Vor allem aber werden unzählige kleine Spiegelchen integriert, die alles Böse von der Braut fernhalten sollten.
Julia Kleinbeck
LeihgeberSchwarzwälder Freilichtmuseum VogtsbauernhofTrachtenverein St. Georgen
Sammlung PaysanVerschiedene Privatsammlungen