Mit der Präsentation…
Mit der Präsentation…
Mit der Präsentation ausschließlich fotografischer Werke rückt das Wiener Fotomuseum WestLicht erstmals einen bisher kaum beachteten Aspekt im umfangreichen Schaffen des im Vorjahr verstorbenen österreichischen Künstlers Hermann Nitsch ins Zentrum einer Ausstellung.
Dabei, so das Kurator:innen-Duo Julia Moebus-Puck und Fabian Knierim, waren Fotografie und Film für das Orgien Mysterien Theater von Anfang an ein ebenso wichtiger Bestandteil wie Malerei, Zeichnung, Druckgrafik und Musik. „Nitsch wollte mit der Fotografie das unmittelbare sinnliche Erleben, das bei seinen Aktionen im Vordergrund stand, auch für die Nachwelt greifbar machen“, betont Moebus-Puck. In unserer heutigen Zeit, in der wir zunehmend auf Abstand zueinander gehen und die Alltagsfotografie oft nur schöne Scheinwelten produziert ist eine Auseinandersetzung mit diesem Teil seines Werkes aktueller denn je.“
Auch wenn es Nitsch in der Fotografie – anders als etwa den Aktionisten Rudolf Schwarzkogler oder Günter Brus – in erster Linie um die dokumentarische Wiedergabe seiner Aktionen ging, wurden die Aufnahmen dennoch sehr bewusst von ihm mitgestaltet. Nicht nur verfasste er detaillierte Anweisungen, nach denen die Fotograf:innen „das totale geschehen mit den darum herumstehenden zuschauern“ und „das unmittelbare aktionsgeschehen und die hantierenden akteure“ wie auch „bestimmte objekte und materialien oder körperteile von passiven akteuren“ aufnehmen sollten, wenn nötig hat der Künstler dabei auch selbst durchs Objektiv geblickt und die Bildausschnitte mitbestimmt.
Mitunter waren Nitschs Aktionen, wenn auch nicht ausschließlich aus künstlerischen Gründen, sogar explizit als Fotoaktion organisiert. So fand etwa die 4. Aktion nur für die Kameras und ohne Publikum statt, nachdem es bei den beiden vorausgegangenen zu heftigen Protesten, Polizeieinsätzen und einer Reihe von Anzeigen gekommen war.
Gerade Mitte der 1960er-Jahre hat Nitsch immer wieder Aktionen durchgeführt, deren Inszenierung auf das fotografische Abbild ausgerichtet war. Die vor allem in den Jahren 1963 bis 1966 entstandenen Werke dienten dem Künstler als Motivstudien für sein Orgien Mysterien Theater und machen die Herkunft des Aktionsgeschehens aus der informellen Malerei nachvollziehbar. „Diese Aufnahmen schaffen für uns heute die einmalige Gelegenheit, einem der vielschichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts beim Denken und Entwickeln seines Opus Magnum zusehen zu können“, so Kurator Fabian Knierim. Für WestLicht-Gründer Peter Coeln, der aus seiner Sammlung die meisten der rund 120 ausgestellten Exponate beigesteuert hat, war das mit ein Grund, dem fotografischen Werk Hermann Nitschs erstmals eine eigene Ausstellung zu widmen. „Bei all der Aufregung, die das Orgien Mysterien Theater bis heute hervorruft, weiß kaum jemand wirklich über die Hintergründe und das konkrete Geschehen Bescheid“, so Coeln. „Die fotografisch eingefrorenen Momente legen viele Details offen und machen mit ihrer sehr prägnanten Bildsprache die wahren Intentionen von Hermann Nitsch sichtbar.“
Die Ausstellung im Fotomuseum WestLicht präsentiert Nitschs Aktionsfotografien aus den Jahren 1963 bis 1984. Neben der beachtlichen Auswahl an teils großformatigen Originalabzügen sind auch seltene Kontaktbögen zu sehen, die selbst Laien die Kompositionsvorstellung des Künstlers intuitiv nachvollziehbar machen. Unter den vertretenen Fotograf:innen sind Ludwig Hoffenreich, Siegfried Klein, Kurt Nievers, Franziska Cibulka und Heinz Cibulka die zentralen Positionen, deren Wege und Zugänge zu dieser Aufgabe sehr unterschiedlich waren. Darüber hinaus finden sich aber auch Aufnahmen von international namhaften Fotografen wie Stefan Moses.
Für diese Avantgarde der österreichischen Fotografiegeschichte bedeutet die bemerkenswerte Ausstellung im WestLicht eine Art späte Würdigung. Denn anders als heute, wo die Fotografien der Wiener Aktionisten als gefragte Sammlerobjekte gelten und bei Auktionen immer wieder Rekordpreise erzielen, galten sie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung auch unter aufgeschlossenen Kunstliebhaber:innen als kaum verkäuflich. So endete etwa der Versuch von Hermann Nitsch, seine fotografischen Werke in der Künstler-Sprechstunde des österreichischen Industriellen und Mäzens Manfred Mautner Markhof anzubieten, mit einem hochkantigen Rauswurf und brachte Günter Brus dazu, seine ebenfalls mitgebrachten Fotos gar nicht erst herzuzeigen.
Täglich 11–19 Uhr donnerstags 11–21 Uhr
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