Otto Beckmann, Architektonisches computergeneriertes Objekt, 1973   Aus der Serie "Metropolis", Fotomontage mit computergenerierter Figur, Silbergelatine, © Neue Galerie Graz/UMJ Otto Beckmann, Architektonisches computergeneriertes Objekt, 1973 Aus der Serie "Metropolis", Fotomontage mit computergenerierter Figur, Silbergelatine, © Neue Galerie Graz/UMJ - Mit freundlicher Genehmigung von: museumjoanneum

Wer: museumjoanneum

Was: Ausstellung

Wann: 27.02.2014 - 11.06.2014

Die Ausstellung Matheliebe im Naturkundemuseum des Universalmuseums Joanneum (05.09.2013-29.06.2014) gab den Anlass, eine korrespondierende Schau in der Neuen Galerie Graz zu präsentieren, die einen Überblick über die vielfältigen Auswirkungen des vernunftorientierten Denkens auf Kulturgeschichte, Kunst und Wissenschaft gibt. Zu sehen sind rund 200 Exponate aus den…
Die Ausstellung Matheliebe im Naturkundemuseum des Universalmuseums Joanneum (05.09.2013-29.06.2014) gab den Anlass, eine korrespondierende Schau in der Neuen Galerie Graz zu präsentieren, die einen Überblick über die vielfältigen Auswirkungen des vernunftorientierten Denkens auf Kulturgeschichte, Kunst und Wissenschaft gibt. Zu sehen sind rund 200 Exponate aus den Sammlungen der Neuen Galerie Graz, der Alten Galerie und der Kulturhistorischen Sammlung, ergänzt durch Handschriften und Drucke der Universitätsbibliothek und des Instituts für Mathematik der Karl-Franzens-Universität Graz, der Steiermärkischen Landesbibliothek und des Archivs der Diözese Gurk in Klagenfurt. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter konnte der Weltraumforscher und Astrophysiker Bruno Besser gewonnen werden, der den historischen Teil der Schau inhaltlich und konzeptionell mitgestaltete.

Der Mathematik als „Sprache der Naturwissenschaften“ kommt hier eine Schlüsselrolle zu: Mit ihrer Hilfe konnten Naturereignisse ebenso beschrieben werden wie Probleme einer immer komplexer werdenden Alltagskultur. Mithilfe der Mathematik war der Bau des Universums erforscht worden, sie war aber auch an wesentlichen kulturgeschichtlichen Leistungen beteiligt, wie beispielsweise dem Zählen und Rechnen der Kaufleute, der Zeitmessung oder der Kartografierung der Erde und des Himmels.

Im ersten Teil der Ausstellung werden diese Erkenntnisse und Leistungen behandelt. Mittelalterliche Handschriften und Inkunabeln aus der Universitätsbibliothek Graz und der Steiermärkischen Landesbibliothek sind mit Messinstrumenten und astronomischen Geräten aus der Kulturhistorischen Sammlung des Joanneums in einem aus sieben thematischen Kapiteln bestehenden Überblick über mehr als 500 Jahre Wissenschafts- und Kulturgeschichte kombiniert.Viele mathematische und naturwissenschaftliche Erkenntnisse gehen auf die griechische Antike zurück, aber auch im christlichen Mittelalter wurden wesentliche Eigenleistungen auf dem Gebiet der Mathematik erbracht. Dazu zählt etwa die Komputistik: die astronomische Zeitrechnung, die für die Berechnung der „beweglichen“ Termine des Osterfestes notwendig war. Der Begriff leitet sich von computare (zusammenrechnen, an den Fingern abzählen) her.

Die nächste große Herausforderung war die Ablöse der antiken Zahlzeichen durch die sogenannten indisch-arabischen Ziffern, die wir heute noch verwenden. Römer und Griechen hatten keine eigene Zahlschrift, sondern drückten Zahlen mit Buchstaben ihrer Alphabete aus. Rechnen mit Buchstaben war allerdings kompliziert, sodass sich im Laufe des späten Mittelalters das moderne Zahlensystem durchsetzte. Dieser Teil der Ausstellung zeigt historische Anwendungen mathematischer Methoden auf, beispielsweise anhand der Vermessung des Raumes, der Zeitmessung oder der Astronomie. Zu sehen sind Arbeiten und Schriften von Albrecht Dürer, vom bekannten deutschen Rechenmeister Adam Ries und von Peter Apian, dem Hofastronomen Kaiser Karls V. Arbeiten der drei berühmten Mathematiker Hieronymus Lauterbach, Johannes Kepler oder Paul Guldin, die alle drei in Graz gelehrt haben, ergänzen diesen Themenbereich.

Ein weiterer Teil der Ausstellung zeigt, wie mathematische Prinzipien Eingang in die bildende Kunst gefunden haben. Mit Werken aus der Sammlung der Neuen Galerie Graz wird ein Bogen gespannt, der von der Zeit um 1900 bis in die Gegenwart reicht.Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Kunst stark geprägt von den Naturwissenschaften, die bislang unbekannte Strukturen und Gesetzmäßigkeiten entdeckten. Künstler griffen diese Entdeckungen auf und unterzogen sie einer ästhetischen Interpretation. Gleichzeitig löste sich die bildende Kunst von ihrer traditionellen Zweckgebundenheit, was von Künstlern wie Adolf Hölzel, aber auch vom „Bauhaus“ und dessen Nachfolgern (Oskar Schlemmer, Johannes Itten, Joseph Albers, Max Bill u. a.) aufgegriffen wurde.

Waren Richtungen wie Expressionisumus oder gestische Abstraktion noch stark von der persönlichen Intuition des Künstlers geprägt, wurde der methodisch-logische Ansatz zu einem immer wichtigeren Prinzip im Schaffensprozess – schlagend wurde das z. B. im Konstruktivismus, der Konkreten Kunst, der Minimal Art, der Op Art und der Kinetischen Kunst (z. B. Lajos Kassak, Dora Maurer, Robert Mangold, Sol Lewitt, Walter De Maria sowie Peter Kogler, der mit einer eigens für die Ausstellung angefertigten, raumfüllenden Objektinstallation vertreten ist). Gemeinsam ist diesen Werken ihre klare Gesetzmäßigkeit im Entstehungsprozess, die Einfachheit und Transparenz der Mittel sowie die Ästhetik der elementaren Formen. Letztere bilden ein visuelles Grundvokabular, das seine Formen der Geometrie, einem Teilgebiet der Mathematik, entlehnt.

Auch abstrakte mathematische Vorgänge, wie beispielsweise permutative Prozesse (Hans Florey, André Cadere, Jörg Schlick u. a.) oder Algorithmen (Antonio Calderara, Mario Merz u. a.) spielen in der Kunst eine Rolle, wenn es um die Untersuchung oder Beschreibung visueller Phänomene oder gesellschaftlicher Fragestellungen geht. „Programmierte Prozesse“, wie die Computerkunst ab den späten 1960er-Jahren (Marc Adrian, Otto Beckmann u. a.) oder vergleichbare Ansätze einer kalkulierten, konzeptuell systematisierten Kunst (Richard Kriesche, Gustav Zankl, Giovanni Morandini u. a.) schließen die Schau ab. Gegenüberstellungen von Kunstwerken und historischen Schriften veranschaulichen die Wurzeln künstlerischer Denkprozesse.

Adolf Hölzel, Farbklänge, 1929,   Buntstift, © Neue Galerie Graz/UMJ Adolf Hölzel, Farbklänge, 1929, Buntstift, © Neue Galerie Graz/UMJ - Mit freundlicher Genehmigung von: museumjoanneum Greifzirkel mit Stellschraube,   Süddeutschland oder Österreich, 17./18. Jh., © Kulturhistorische Sammlung/UMJ Greifzirkel mit Stellschraube, Süddeutschland oder Österreich, 17./18. Jh., © Kulturhistorische Sammlung/UMJ - Mit freundlicher Genehmigung von: museumjoanneum Schinzeug,   Bezeichnet und datiert: HANS RESL 1586, H.G., © Kulturhistorische Sammlung/UMJ Schinzeug, Bezeichnet und datiert: HANS RESL 1586, H.G., © Kulturhistorische Sammlung/UMJ - Mit freundlicher Genehmigung von: museumjoanneum Hieronymus Lauterbach, Säulensonnenuhr, 1576,   © Kulturhistorische Sammlung/UMJ Hieronymus Lauterbach, Säulensonnenuhr, 1576, © Kulturhistorische Sammlung/UMJ - Mit freundlicher Genehmigung von: museumjoanneum Türmchenuhr,   Nürnberg, 1550–1560, © Kulturhistorische Sammlung/UMJ Türmchenuhr, Nürnberg, 1550–1560, © Kulturhistorische Sammlung/UMJ - Mit freundlicher Genehmigung von: museumjoanneum
Tags: Adolf Hölzel, Gregor Reisch, Katsushika Hokusai, Mathematiker, Naturwissenschaft, Otto Beckmann

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