Gregor Erhart (um 1470—1540), Christuskind aus dem Zisterzienserinnenkloster, Heggbach/Oberschwaben, Augsburg, um 1500 Farbfassung von Hans Holbein d. Ä. Lindenholz, H. 56,5 cm, Campe’sche Historische Kunststiftung, Foto: Hiltmann/Rowinski/Torneberg, MKG Gregor Erhart (um 1470—1540), Christuskind aus dem Zisterzienserinnenkloster, Heggbach/Oberschwaben, Augsburg, um 1500 Farbfassung von Hans Holbein d. Ä. Lindenholz, H. 56,5 cm, Campe’sche Historische Kunststiftung, Foto: Hiltmann/Rowinski/Torneberg, MKG - Mit freundlicher Genehmigung von: mkg

Was: Presse

Wann: 24.03.2013

Mit der Neupräsentation der Mittelalter-Sammlung setzt das MKG den Fokus auf eine weitere Weltreligion: das Christentum. Religion und Kunst sind in der christlichen Gesellschaft des Mittelalters besonders eng miteinander verbunden. In einer Zeit, in der nur wenige Menschen lesen und schreiben können, übernehmen Kunstwerke die wichtige Aufgabe, die zentralen Inhalte der…
Mit der Neupräsentation der Mittelalter-Sammlung setzt das MKG den Fokus auf eine weitere Weltreligion: das Christentum. Religion und Kunst sind in der christlichen Gesellschaft des Mittelalters besonders eng miteinander verbunden. In einer Zeit, in der nur wenige Menschen lesen und schreiben können, übernehmen Kunstwerke die wichtige Aufgabe, die zentralen Inhalte der christlichen Lehre zu vermitteln. Die rund 100 gezeigten Objekte – sakrale Bildwerke, Schatzkunst, liturgisches Altargerät und Devotionalien – ermöglichen auch aus heutiger Sicht einen emotionalen Zugang zum Weltbild, zu den Glaubensvorstellungen und -praktiken im Mittelalter. Sie erschließen die drei Grundpfeiler des christlichen Glaubens – die Menschwerdung Gottes, den Opfertod Christi und die Auferstehungsverheißung. Diese Grundsätze gelten bis heute für Christen aller Glaubensrichtungen und bilden die Schwerpunktthemen der neuen Sammlungspräsentation. Jeder der drei Hauptausstellungsräume ist ein Aspekt gewidmet und beinhaltet ein zentrales Werk: Das spätgotische Christuskind von Gregor Erhart (1470—1540) veranschaulicht die Geburt des Messias. Eine Gebetsnuss mit der Darstellung der Kreuzigung verweist auf den Tod Christi. Der berühmte Osterteppich aus dem Kloster Lüne schließlich, der erstmals der Öffentlichkeit dauerhaft präsentiert werden kann, steht für die Auferstehung Christi. Weitere Hauptwerke der Ausstellung sind die Thronende Madonna aus Elfenbein, die Muttergottes auf der Mondsichel von Tilman Riemenschneider (um 1460—1531), die Stehende Madonna mit Kind von Nikolaus Gerhaert von Leyden (1420—1473) und das Lektionar aus der St. Petrikirche in Hamburg von Hinrik Lampspring (Meister 1378—nach 1418). 

Geburt: Gott wird Mensch

Den Auftakt der Ausstellung bilden Objekte zur Geburt Christi. Am Anfang des Christentums steht die Geburt des Messias, die Inkarnation (Fleischwerdung) Gottes: Gott wird Mensch. Die Hauptfigur ist das Christuskind aus dem Zisterzienserinnenkloster Heggbach. In der Skulptur zeigt sich, dass Gott zum Menschen geworden ist, ein kleines Kind aus Fleisch und Blut. Weltkugel und Segensgestus deuten auf die göttliche Schöpfung und auf Christus als Heil bringenden Erlöser und künftigen Weltenrichter hin. So wird die Zwei-Naturen-Lehre anschaulich, die besagt, dass Christus Mensch und Gott zugleich ist.

 

Auch Christi Mutter Maria erfährt als Gottesmutter und Fürsprecherin für das Seelenheil der Gläubigen besondere Verehrung. Das Verhältnis von Mutter und Kind wird in seiner Entwicklung von der repräsentativen Haltung eines segnenden Gottes hin zur zärtlichen Mutter-Kind-Beziehung gezeigt anhand der beiden frühen Elfenbein-Madonnen, der spätgotischen Steinmadonna von Niklas Gerhaert van Leyden und der Maria auf der Mondsichel von Tilmann Riemenschneider. Das Überirdische, das Göttliche, wird im Laufe der Jahrhunderte in eine naturalistische Bildsprache umgesetzt und so für den Gläubigen nachvollziehbar. In der Ausstellung werden große Kultbilder aus dem Kirchenraum kleinformatigen Bildwerken der privaten Andacht gegenübergestellt.

 

 

Einen kleinen Exkurs zur Marienverehrung bildet die Rosenkranztafel. Besonders im Spätmittelalter ist die Praxis des Rosenkranzgebets zur Fürbitte der Muttergottes beliebt. Ein Gebet vor dem Bild der heiligen Maria, die hier zusammen mit dem Christuskind und den Engeln Rosenkränze an geistliche und weltliche Würdenträger verteilt, bietet Schutz vor der Pest und anderen Krankheiten. Doch Gebeten müssen auch gute Taten folgen: das französische Minnetäschchen dient zur Aufbewahrung von Münzen für mildtätige Zwecke. Gebete allein reichen für das Seelenheil nicht aus. Es ist der konsequente Sinneswandel, der in guten Werken – wie Almosen für die Armen – seinen Ausdruck finden muss, denn neben der Liebe zu Gott ist die Nächstenliebe zum  Mitmenschen zentral für das christliche Handeln. Der französische Klappaltar aus Elfenbein leitet über zum nächsten Thema. Auf dem kleinen Hausaltar sind in der Mitte die Anbetung des Christuskindes durch die heiligen drei Könige und die Kreuzigung dargestellt.

 

Tod: Die Kreuzigung – Der Opfertod Christi

Hier wird das nächste christliche Dogma thematisiert: Der Opfertod des Gottessohnes. Der Raum ist auf wenige Objekte reduziert. Ein gotisches Kruzifix mit dem leidenden Gekreuzigten wird einer Abfolge von zehn kleinen Gekreuzigten gegenübergestellt, die ursprünglich vergoldete Altar- und Vortragekreuze geziert haben. Sie verdeutlichen die Entwicklung des Christusbildes vom triumphierenden Gott mit Königskrone am Kreuz hin zum leidenden Menschen Jesus Christus mit der Dornenkrone, der qualvoll stirbt. Im Zentrum des Raumes steht eine kleine aufklappbare Gebetsnuss ein. Filigrane Mikroschnitzereien im Innern zeigen die historische Kreuzigung auf dem Kalvarienberg und die liturgische Gregorsmesse. Betnüsse werden für die private Andacht genutzt und sind zugleich ein beliebtes Sammelobjekt. Die Betrachtung des Gekreuzigten gehört zu den wichtigsten Mitteln der Passionsandacht. Man räumt ihr im Mittelalter einen hohen Stellenwert für die Kontemplation ein. Die Intimität des kleinen, in Dunkelheit getauchten Ausstellungsraumes und die Konzentration auf wenige, aussagekräftige Werke erzeugt eine Art kontemplative Situation.

 

Auferstehung: Die christliche Paradiesverheißung

Den Abschluss und Höhepunkt der christlichen Glaubenslehre bildet die Auferstehung Christi. Der Raum wird durch den Osterteppich aus Kloster Lüne erfüllt, auf dem Christus siegreich seinem Grab entsteigt. So hat der Besucher hat die christliche Paradiesverheißung unmittelbar vor Augen. Zahlreiche Symbole, die auf den Teppich gestickt sind, beziehen sich auf Christus und die grundlegenden Dogmen. Der Teppich wir ergänzt durch weitere Objekte mit Symbolkraft: Aquamanile (Gießgefäße für die Handwaschung) in Tierform, ein Kästchen mit dem Heiligen Grab und ein Weihrauchgefäß, dessen Architektur ein Abbild des Himmlischen Jerusalem ist. Ein kleines byzantinisches Gefäß etwa trägt eines der ältesten Christussymbole, den Fisch, der besonders zur Zeit der Christen-verfolgung als verstecktes Erkennungszeichen der Anhänger Jesu bedeutsam ist.

 

Glaubenspraxis

Während in den drei Haupträumen der Fokus auf einzelnen, ausgewählten Bildwerken liegt, in denen sich die zentralen Inhalte des christlichen Glaubens widerspiegeln und somit die mittelalterliche Vorstellungswelt erfahrbar wird, liegt der Fokus in der Galerie auf der Ausübung der Religion. Prunkvolle Artefakte erzählen von der Ausübung der alltäglichen Glaubenspraxis in der Liturgie, in der Heiligenverehrung und im Reliquienkult.

 

Liturgie – Der Gottesdienst als Himmelsschau: Der christliche Glaube findet im Mittelalter seinen besonderen Ausdruck in der Feier des Gottesdienstes. Die Ordnung und Gesamtheit der religiösen Zeremonien und Riten bezeichnet man als Liturgie. „Zur höheren Ehre Gottes“ werden für liturgische Kultgeräte die edelsten Materialien verwendet, um die heiligen Handlungen im Kirchenraum in ihrer Bedeutung und Würde zu steigern. Sie bilden den Kirchenschatz. Ein Hauptwerk in dieser Gruppe ist das Lektionar (lat. lectio >Lesebuch 

Heiligenverehrung und Reliquienkult: Die ausgestellten kostbaren Hüllen der Reliquien, die Reliquiare, bergen für den Christen des Mittelalters ein überaus kostbares Gut, das sich in den wertvollen Materialien der Gefäße widerspiegelt. Sie werden nur zu speziellen religiösen Anlässen aus der kirchlichen Schatzkammer geholt und den Gläubigen präsentiert. Besonders kostbare Zeugnisse sind die Servatiusplatten von der Reliquienbüste des heiligen Servatius in Maastricht – ein Hauptwerk der Goldschmiedekunst um 1400 im Stil der erzählerischen Kunst Jan van Eycks – und das Georgsreliquiar aus dem Besitz der Elbinger Georgsbruderschaft.

 

Die Neueinrichtung der Sammlung Christentum im Mittelalter wird ermöglicht durch die großzügige Unterstützung von Saalpaten: Georg W. Claussen, Helga Krause und die Justus Brinckmann Gesellschaft, Freunde des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg

 

Eröffnungsprogramm am Sonntag, 24. März 2013

 

KURZFÜHRUNGEN

14.00 Uhr Nähe im Leiden. Passionsfrömmigkeit im Mittelalter

15.00 Uhr Wertvoll und heilig. Schatzkunst im Mittelalter

16.00 Uhr Maria, in Demut mächtig. Bilder mittelalterlicher Marienverehrung

17.00 Uhr Schutzpatron und Fürsprecher. Heiligenverehrung im Mittelalter

 

MUSIK IM MITTELALTER

14.30 Uhr Bausatz Gregorianik / Prof. Frank Böhme, Hochschule für Musik und Theater Hamburg

15.30 Uhr Die Schönheit der Notenschrift / Olaf Kirsch, Kurator der Sammlung Musikinstrumente

16.30 Uhr Aus der Hand singen / Prof. Frank Böhme, Hochschule für Musik und Theater Hamburg

17.30 Uhr Magister Cerasus legt auf / Olaf Kirsch, Kurator der Sammlung Musikinstrumente

 

FÜR KINDER

14.00 Uhr Zeitreise in die Welt der Ritter und Burgfräulein mit historischen Kostümen (ab 8 Jahren)

15.00 Uhr Kinderbuchautorin Kirsten Boie liest aus ihrem Bestseller „Der kleine Ritter Trenk“

 

KURATORENFÜHRUNGEN ÜBER OSTERN

Ostersonntag, 31. März 2013, 14.00 Uhr

Der Osterteppich in der neu eröffneten Sammlung Christentum im Mittelalter /

Angelika Riley, Kuratorin der Sammlung Mode und Textil

Ostermontag, 1. April 2013, 12.00 Uhr

Rundgang durch die neu eröffnete Sammlung Christentum im Mittelalter /

Dr. des. Christine Kitzlinger, Kuratorin der Sammlungen Europäisches Kunsthandwerk und Skulptur

 

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Kuratorin: Dr. des Christine Kitzlinger

 

 

Öffnungszeiten: Di –So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 21 Uhr

Eintrittspreise: 10 € / 7 €, Do ab 17 Uhr 7 €, bis unter 18 Jahre frei

Silbervergoldete Reliefplatten v. d. Reliquienbüste des Hl. Servatius in Maastricht, 1403 Silber, vergoldet, H. 10,7 cm; B. 13,8 – 16,2 cm, Erworben mit Mitteln aus dem Vermächtnis von Johann Jacob David Neddermann, Hamburg, MKG, Foto: Maria Thrun Silbervergoldete Reliefplatten v. d. Reliquienbüste des Hl. Servatius in Maastricht, 1403 Silber, vergoldet, H. 10,7 cm; B. 13,8 – 16,2 cm, Erworben mit Mitteln aus dem Vermächtnis von Johann Jacob David Neddermann, Hamburg, MKG, Foto: Maria Thrun - Mit freundlicher Genehmigung von: mkg / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Tags: Christentum, Gemälde, Hamburg, Mittelalter, Sammlung, Schatzkunst