Provenienz, also die Vorbesitzer und -geschichte eines Kunstwerkes, sind manchmal fast so bedeutend wie das Kunstwerk selbst. Es zählt zu den seltenen Glücksfällen, dass gleich zwei bedeutende Provenienzen, beide berühmte Schauspielerinnen, vorzuweisen sind wie bei einer Sitzgarnitur, die am 26. April 2018 im Dorotheum bei der Auktion „Möbel und Antiquitäten“ versteigert wird: Katharina Schratt, Kaiser Franz Josephs Freundin, sowie Senta Berger-Verhoeven, Hollywood-erprobter Publikumsmagnet.Eine Sitzbank, sechs Sessel aus dem 1. Viertel des 19. Jahrhunderts und einen Tisch hatte einst Kaiser Franz Joseph seiner Freundin, der Schauspielerin Katharina Schratt geschenkt. Bewertet werden sie mit je 10.000 bis 12.000 Euro, der Tisch mit 2.000 bis 3.000. In den 1960er Jahren wurde diese Garnitur aus Schratt-Besitz im Dorotheum angeboten. Die junge angehende Schauspielerin Senta Berger erstand sie.
In ihren eigenen Worten klingt dies wohl interessanter und charmanter. Senta Berger-Verhoeven schildert den Kauf in einem Brief im März 2018:
„Das Dorotheum war in den 60er Jahren eine geheimnisvolle Insel mitten in Wien. Eine Insel mit dunklen und hellen Ecken, in denen man die schönsten Entdeckungen und Funde machen konnte. Das Dorotheum war mein bester Unterricht in Kunstgeschichte.
Ich kam als sehr junges Mädchen ans Theater in der Josefstadt. Dort hörte ich von meinen Kollegen zum ersten Mal von dem Auktionshaus Dorotheum. Bis dahin hatte ich gedacht, in einem Auktionshaus könne man, wenn man müsse, seine Pelzstola versetzen. Meine Schauspiellehrerin, die auch noch am Theater ihre Hand schützend über mich hielt, Melanie Horeschovsky, nahm mich also eines Tages ins Dorotheum mit. Ihr Begleiter - und also auch meiner bei diesem Besuch und bei späteren, - war der Burgtheaterschauspieler Josef Meinrad, der mit mir durch die Säle ging und mich auf dieses und jenes aufmerksam machte. Ich war eine gute Schülerin, und doch habe ich einige unverzeihliche Fehler gemacht und bin an Aquarellen von Schiele vorbeigegangen, gerufen für 10.000 Schillinge, - hatte manches noch nicht begriffen und doch damals den Grundstein gelegt für mein Interesse und Verständnis für Kunst und ihre Geschichte. Ich komme aus einer kleinen Handwerkerfamilie, die sich immer schon für Theater und Musik interessiert hat. Der Name "Katharina Schratt" war mir vertraut, als jener Schauspielerin, die die Geliebte von "unserem" Kaiser Franz Joseph war, ausgesucht für ihn von seiner Frau Elisabeth, "unserer Sissi". Der Name war mir vertraut durch die Nähe des "Schratt"-Hauses in der Gloriettegasse in Hietzing. Ich bin ja in Hietzing geboren.
Und da waren also eines Tages im Jahre 1966 diese Empire Möbel im Dorotheum angeboten, und man konnte deren Geschichte nicht nur erahnen, sondern sie wissen. Die Möbel sind ein Geschenk des Kaisers an die Schauspielerin. Sie sind laut einer Expertise des damaligen Niederösterreichischen Museums in der Herrengasse in Wien von einem französischen Tischler gefertigt. Ich habe, nach den vielen Umzügen in meinem Leben, diese ganz spezielle Expertise nicht mehr. Die bourbonische Biene auf der Empirebank weist darauf hin, dass sie eine der vielen Möbelstücke war, die Marie-Louise von Österreich nach ihrer Scheidung von Napoleon nach Wien gebracht hat. Dass das Handwerkermädel aus Lainz, die kleine Senta, sich diese eleganten, exklusiven Möbel der Hofschauspielerin plötzlich hat leisten können, hat sicher für mein Interesse und Mitbieten eine Rolle gespielt.
Die Garnitur ist mit mir durch die Welt gereist und ist nun dorthin zurückgekehrt, wohin sie gehört: nach Wien.“