Genau 80 Jahre nach der verheerenden Reichspogromnacht zeigt die Synagogen-Gemeinde Köln 43 Gemälde der Kölner Künstlerin Ruth Rebecca Fischer-Beglückter, welche diese als Kind miterlebte und später u.a. in ihren Werken thematisiert hat. Zu verdanken ist die Ausstellung der großzügigen Schenkung an die Synagogen-Gemeinde Köln durch die Malerin selbst. Mit dieser ersten umfassenden Retrospektive wird das Oeuvre der außergewöhnlichen Künstlerin der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und zudem ihr 91. Geburtstag entsprechend gewürdigt. Ein aufwendiger Katalog mit umfangreichen Texten zum beeindruckenden Werk und bewegten Leben begleitet die Ausstellung.Ruth Fischer-Beglückter wurde am 6. November 1927 in Köln geboren. Sie besuchte zunächst die jüdische Volksschule Lützowstraße und anschließend das gegenüber gelegene jüdische Reformgymnasium Jawne. Knapp ein Jahr nach dem Pogrom vom 9. November 1938 gelang es ihrer alleinerziehenden Mutter mit ihr und ihren Geschwistern nach Chile zu fliehen.
In Chile mussten die drei Kinder neben der Schule arbeiten, um ihren Lebensunterhalt mit zu bestreiten. Später studierte Ruth Fischer-Beglückter Philosophie und Psychologie an der Universität in Santiago de Chile. 1948 meldete sie sich während des Studiums für den Krieg in Palästina, wo sie in der Palmach, einer jüdischen paramilitärischen Einrichtung, ihren ersten Mann Enrique Rothschild kennenlernte und im November heiratete. Keine zwei Monate später fiel er an der Front in der Wüste Negev, woraufhin Ruth Fischer nach Chile zurückkehrte.
1952 bekam sie eine Tochter von ihrem zweiten Mann und schloss 1970 alleinerziehend ihr Studium als Diplompsychologin und Künstlerin ab. 1981 kehrte sie der Diktatur von Augusto Pinochet den Rücken und siedelte sich 1982 wieder in ihre Geburtsstadt Köln an. Hier lebte und arbeitete sie bis 2017 in Rodenkirchen und stellte u.a. in der Kölner Artothek aus, bevor sie zu ihrer Tochter nach Spanien zog.
Das Werk von Ruth Fischer-Beglückter gilt als zentrale Position für die Kunst der Nachkriegsmoderne im Spannungsfeld zwischen Europa und Südamerika. Ihr umfangreiches Oeuvre an Gemälden zeichnet sich durch kräftige Farben und großformatige Werke aus, die in ihrer Abstraktion eine expressive Wirkung entfalten. Die Werke spiegeln sowohl die Naturerfahrung der Künstlerin, als auch Begegnungen im Alltag und erlebten Ereignisse - wie der Pogromnacht - wieder. Darüber hinaus bezieht sie sich auf literarische Quellen, wie alttestamentarische Psalmen und Musikerlebnisse. Bei signifikanten Einzelwerken und Werkzyklen kommt diese intensive Auseinandersetzung deutlich zum Tragen, die sie zu einer herausragenden künstlerischen Person nach den Erlebnissen des Krieges und der Emigration macht.
Mit dieser Retrospektive ehrt die Synagogen-Gemeinde Köln das Leben und Schaffen ihres ehemaligen Mitglieds. Zur Eröffnung spricht Frau Dr. Renate Goldmann, Direktorin der VAN HAM Art Estate. In der Ausstellung werden u.a. zwei Werke aus der Serie "Noce de cristal" (Kat.-Nr. 36-37) gezeigt, in der sich die Künstlerin intensiv mit der Reichspogromnacht und der NS-Zeit auseinandergesetzt hat. Zudem wird der vollständige, zwölfteilige Zyklus "Alturas de Macchu Picchu" (Kat.-Nr. 2-13) aus den Jahren 1975 - 1978 präsentiert. Ebenso ist ein Video-Interview der Künstlerin zu sehen, das vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln herausgegeben wurde. Der umfangreiche Ausstellungskatalog wurde mit freundlicher Unterstützung von Van Ham Kunstauktionen produziert und ist ab dem 29.10.2018 auch online einsehbar unter: www.van-ham.com sowie www.sgk.de.