Salzburg, 23. April 2015. Wirkliches Leben? Ein Panorama der Sammlungen ist der Titel der dritten Ausstellung der neuen Serie mit Werken aus der…
Salzburg, 23. April 2015. Wirkliches Leben? Ein Panorama der Sammlungen ist der Titel der dritten Ausstellung der neuen Serie mit Werken aus der…
Salzburg, 23. April 2015. Wirkliches Leben? Ein Panorama der Sammlungen ist der Titel der dritten Ausstellung der neuen Serie mit Werken aus der Sammlung Generali Foundation, Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg. Diese werden im Dialog mit anderen Beständen, insbesondere den museumseigenen Werken der Druckgrafik und Fotografie, sowie mit Malerei und Skulptur aus der Sammlung MAP gezeigt. Seit Beginn der Partnerschaft mit der Generali Foundation zählen die auf Ebene 2 des Museums am Mönchsberg eingerichteten Sammlungspräsentationen zu den meistbesuchten Ausstellungen des Museum der Moderne Salzburg. In der neuen Rotation eröffnet ein Parcours aus 130 Werken von 26 Künstlerinnen und Künstlern aus sieben Ländern unterschiedliche Perspektiven auf Realitäten des Lebens. Direktorin und Ko-Kuratorin Sabine Breitwieser erläutert, dass „in dieser Schau Bezüge zur parallel laufenden Retrospektive von Andrea Fraser hergestellt werden, und anlässlich ihres 75. Geburtstags VALIE EXPORT, die mit zentralen Werken in der Sammlung Generali Foundation vertreten ist, ein eigener Raum gewidmet ist“. Petra Reichensperger, die neu bestellte Kuratorin der Sammlung Generali Foundation am Museum der Moderne Salzburg ruft in Erinnerung, dass EXPORT „über viele Jahre an der Sommerakademie in Salzburg unterrichtet hat. Als besonderer Höhepunkt werden wir eine Mitte der 1970er-Jahren konzipierte Videoinstallation erstmals realisieren.“
Sätze wie „(9) was machen Sie denn in Ihrem Leben? Glauben Sie, dass Ihre Arbeit, Ihr Leben, Ihre Gedanken etwas Besonderes oder Wichtiges sind?“ finden sich in der mehrteiligen Textinstallation Kunstvermittlung (1995) der Künstlerin Andrea Fraser, die an mehreren Stellen in der Ausstellung zu finden ist. Die darin enthaltene Frage nach dem Verhältnis von Leben und Kultur, von Arbeit und Freizeit spielt in der Sammlung Generali Foundation – die Äußerungen stammen von einem Mitglied aus der Belegschaft der Generali Versicherung in Wien – und ebenso in den beiden zentralen historischen Sammlungen des Museum der Moderne Salzburg, den Sammlungen Druckgrafik und Fotografie, eine herausragende Rolle. Diese Frage hat daher die Auswahl der Werke maßgeblich bestimmt.
Bei einem Thema, das nach der Wirklichkeit des Lebens fragt, steht nicht wenig auf dem Spiel. „Die Wirklichkeit ist in Wirklichkeit nicht wirklich wirklich, aber wirklich ist sie doch.“ In diesen Worten brachte der Dichter H. C. Artmann (1921–2000 Wien) die Fülle von Ansprüchen und Widersprüchen, denen jede und jeder von uns im Leben ausgesetzt ist, auf den Punkt. Er thematisiert damit indirekt auch die Schwierigkeiten, die mit der Idee der Selbstgestaltung in einer aufgeklärten Welt zunehmen. In VALIE EXPORTs Werk Zeitlücken – Raumspalten , einer Closed-Circuit- Videoinstallation, die nach ihrer Konzeption im Jahre 1975 nun im Aufgang des Museums erstmals zu erfahren ist, werden die Besucherinnen und Besucher gleich zu Beginn der Ausstellung unweigerlich auf ihre Kehrseite zurückgeworfen.
Um Wirklichkeit zu verändern, müssen bestehende Probleme und Konflikte mit allen ihren Ambivalenzen und Selbstentwürfen bewusst wahrgenommen werden. Dies gelingt Adrian Piper in ihrer zweiteiligen Installation Black Box/White Box (1992), die einen buchstäblich zum Weinen bringt. Darin konfrontiert die Künstlerin uns mit der Brutalität des Rassismus und der Diskriminierung von Afroamerikanern in den 1990er-Jahren in Los Angeles, während die Soulnummer What’s Going On? (1971) von Marvin Gaye zu hören ist. Diese vielschichtige Arbeit bildet den Auftakt des ersten Raums. Sie wird flankiert von Sanja Iveković’ Bild- und Textmontagen aus der Mitte der 1970er-Jahre, die nicht nur vom „bitteren“, sondern auch von einem „süßen“ Leben im ehemaligen Jugoslawien erzählen. Das Leben mit all seinen mannigfaltigen Facetten und historischen Bedingtheiten hat auch Jörg Immendorff in seinem berühmten Gemälde Café Deutschland – still (1984) aufgegriffen. In der Ausstellung wird es zusammen mit seinem Gemälde Der Maleraffe (Dogmatiker) (1990) und mit seinen Bronzeskulpturen Freunde der National-Galerie (2005) präsentiert. In den beiden letztgenannten Arbeiten kommen auf humorvolle Art verschiedene Rollen, die für bestimmte Situationen eingeübt werden, oder auch solche, die das eigene Leben maßgeblich bestimmen, zur Darstellung. Eine kraftvolle Matrix für den ersten Raum und die Ausstellung generell bildet Francisco de Goya mit seinem Zyklus Los Caprichos, der zwischen 1793 und 1799 entstanden ist. Obgleich die Titel der Werke „Augenblicke der unbeschwerten Laune“ und „Einfälle“ u. Ä. verheißen, zeigt Goya in diesen Radierungen Geschlechterkampf, Kuppelei und Machtmissbrauch. Aus Furcht vor Repressalien wurden bis 1803 nur 27 Exemplare der Auflage verkauft. Gezeigt werden alle achtzig Blätter des Zyklus, die eine Welt der Aufklärung und ihre Gegenwelt zeigen – ein Leben, das nicht in klaren Unterscheidungen aufgeht.
Mit diesem Thema setzte sich auch Maria Eichhorn in ihrem über viele Monate angelegten Projekt Arbeit/Freizeit (1994–1996) auseinander. Mitte der 1990er-Jahre, zu einem Zeitpunkt, als viel über die Gemeinsamkeiten von Ethik und Ästhetik nachgedacht wurde, hatte die Künstlerin den Auftrag, Kunst für die Büroräumlich- keiten der Generali Versicherung in Berlin zu schaffen. Sie startete mit der Belegschaft ein gemeinsames Projekt und stellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einige Fragen: „Was bedeutet Arbeit bzw. Freizeit für Sie? Sammeln Sie etwas? Was wollten Sie als Kind einmal werden?“ Entstanden ist eine „Ausstellung der Belegschaft“ aus rund fünfzig Beiträgen, die von Postkarten über Familienfotos bis hin zu Heftklammern reichen. Das Sammelsurium an mit Bedeutung aufgeladenen Gegenständen wird eindrucksvoll in einer an eine Drehtür erinnernden Vitrine präsentiert. Ergänzt wird diese von einer Pflanze und einem Aquarium mit Fischen. Farbige Fotografien von Birgit Jürgenssen zum Thema Interieurs (1997) aus den eigenen Beständen des Museum der Moderne Salzburg flankieren diese Auseinandersetzung mit den öffentlichen und privaten Sphären. Dan Grahams New Design for Showing Videos (1995) konfrontiert uns mit „Spiegel- und Geisterbildern“ von sich in dieser faszinierenden architektonischen Installation bewegenden Menschen, die gleichzeitig auf Monitoren zu sehende Videos von Dara Birnbaum, Paul McCarthy oder Tony Oursler betrachten. Der Anspruch, Kunst zwischen visuellem Werk und konkreter Funktion changieren zu lassen, findet sich in den Passstücken von Franz West und seiner unbetitelten mehrteiligen Installation von 1989 wieder, die laut dessen Handlungsanweisung „erst durch Benützen zu Kunst werden“. Auch bei Edward Krasiński, der mit einer Werkgruppe vertreten ist, begegnen wir den Herausforderungen des wirklichen Lebens damit, das Leben im Werk selbst zu formen. Sowohl West als auch Krasiński stellen in ihren Arbeiten Gestaltung und die Formation des Selbst ins Zentrum – in einer Art und Weise, die den Betrachtern die Teilhabe ermöglicht. John Knights Project for Documenta 7 (1982), ein Neuankauf der Sammlung Generali Foundation, der erstmals ausgestellt wird, setzt Corporate Design, Branding und nationale Identität in Beziehung mit dem Streben der Moderne nach Autonomie und einer abstrakten universellen Sprache. Gerhard Rühms reduzierte zeitung (neue tageszeitung) (1962) und Fotografien der Hi-Fi Serie (1979) von Isa Genzken, die auch mit zwei großen Epoxidharz-Skulpturen auf Ebene 3 vertreten ist, bilden weitere Beiträge in dieser Sektion.
Im Gegensatz dazu konzentriert sich die Künstlerin Kerry Tribe in ihrer Videoinstallation Here & Elsewhere (2004) auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit, wie sie ein Mädchen namens Audrey erlebt. Die Künstlerin bezieht sich in dieser Arbeit auf eine Videoserie von Jean-Luc Godard, der darin zwei Kinder über Philosophie und Ethik befragt. In Kerrys Re-Inszenierung stellt der britische Filmtheoretiker und Filmemacher Peter Wollen seiner neunjährigen Tochter Fragen wie „Steht Licht still oder bewegt es sich? oder „Glaubst du, dass ein Bild existiert?“. Die Antworten und emotionalen Reaktionen des Mädchens sind dermaßen direkt und authentisch, dass sie imstande sind, uns zu berühren. Anstatt Eindrücke zu konsumieren oder Bildern vom „richtigen“ Leben hinterherzujagen, werden wir angeregt, über die Tücken der Wahrnehmung nachzudenken. Ein spezielles Split- Screen-Verfahren führt uns in dieser Videoinstallation dabei auch bildlich vor, wie unterschiedlich Wahrnehmung sein kann. Zur Ausstellung wird ein umfangreiches Begleitprogramm organisiert. Am 20. Juni 2015 wird ein „Expanded Cinema und mehr“-Abend mit VALIE EXPORT inszeniert, bei dem die Künstlerin auch selbst mitwirken wird.
Mit Werke von Dara Birnbaum, Maria Eichhorn, Isa Genzken, Francisco de Goya, Dan Graham, Jörg Immendorff, Sanja Iveković, Joan Jonas, Birgit Jürgenssen, John Knight, Eustachy Kossakowski, Edward Krasiński, Richard Kratochwill, Franz Xaver Kulstrunk, Elisabeth Kraus, Paul McCarthy, Tony Oursler mit Sonic Youth, Adrian Piper, Gerwald Rockenschaub, Martha Rosler, Gerhard Rühm, Kerry Tribe, Franz West, Heimo Zobernig und Special Features von VALIE EXPORT und Andrea Fraser Kuratorinnen: Sabine Breitwieser, Direktorin, Petra Reichensperger, Kuratorin Sammlung Generali Foundation, Museum der Moderne Salzburg
Dienstag - Sonntag 10 - 18 UhrMittwoch 10 - 20 UhrMontag geschlossenWährend derOsterfestspiele (28. März - 6. April 2015)Pfingstfestspiele (22. Mai - 25. Mai 2015)Salzburger Festspiele (18. Juli - 30. August 2015)Mozartwoche (22. - 31. Januar 2016)sind beide Häuser auch montags von 10 - 18 Uhr geöffnet.Kombiticket (Mönchsberg & Rupertinum)Regulär € 12Ermäßigt € 8Familien € 16
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