Georg Baselitz (geb. 1938 in Deutschbaselitz, Sachsen) gilt als einer der größten Meister gegenständlicher Malerei weltweit. Diese Meisterschaft spiegelt sich besonders subtil auch in seiner Grafik. Aus Anlass seines 80. Geburtstages präsentiert das Kupferstich-Kabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in einer großen Ausstellung eine Auswahl seiner grafischen Arbeiten der vergangenen fünf Jahrzehnte im Kontext mit deutschen, italienischen und niederländischen Altmeisterblättern – fokussiert auf den Manierismus, aber nicht darauf beschränkt.Die Ausstellung „Maniera Baselitz – Das Nonkonforme als Quelle der Phantasie“ zeigt insgesamt 143 Werke aus den eigenen Beständen des Kabinetts, aus der Sammlung von Günther und Annemarie Gercken, aus der Stiftung G. und A. Gercken an den SKD sowie aus der Staatlichen Graphischen Sammlung München. Anhand dieser konzentrierten Auswahl wird nachvollziehbar, wie Baselitz auch in seinem grafischen Werk einerseits bewusst dem Gegenständlichen verpflichtet blieb, es andererseits aber hinterfragte und neu definierte, indem er dessen Grenzen weit zur Abstraktion hin verschob.
Schon in den Anfängen seiner Laufbahn interessierte sich Baselitz als Künstler und als Sammler für die grafischen Künste in all ihren Facetten. Ein Studienaufenthalt an der Villa Romana in Florenz 1965 bestärkte ihn in dieser Affinität und lenkte zugleich ein Hauptinteresse auf die Kunst des Manierismus; manieristische Druckgrafik sammelt er seitdem mit hoher Kennerschaft und Konsequenz. Für seine eigene künstlerische Arbeit wurde diese Begegnung prägend. Im Blick hat Baselitz vor allem die ungewöhnlichen altmeisterlichen Bildthemen jenseits klassischer Kompositionen. Sie dienen ihm als Anregung der eigenen Phantasie, doch sie spiegeln sich in seinen Arbeiten nie als bloße Motivzitate; vielmehr fließen sie vielschichtig und subtil in die eigenen Bildfindungen ein. Die Ausstellung wird diese Bezüge zwischen Werken aus dem Œuvre von Baselitz und altmeisterlicher Grafik zeigen – als motivischen Dialog und als stilistische Konfrontation zugleich.
Baselitz entschloss sich bereits früh, mit seiner Kunst gegen die rasch wieder auferstandene Selbstgewissheit der jungen Bundesrepublik zu rebellieren. Darin lag gleichermaßen eine künstlerische Abrechnung mit der Vätergeneration, die in ihrer radikalen Form zuweilen schockiert und dazu zwingt, sich von Sehgewohnheiten zu lösen und Motive zu hinterfragen. Provokant, radikal und unangepasst, dabei immer bereit zu Disharmonien, zu Regel- und Tabubrüchen; drastisch changierend zwischen Form und Nichtform – so ließe sich die (Anti-) Ästhetik des Georg Baselitz vielleicht beschreiben. Damit wird er im kritischen, also besten Wortsinne als „deutscher“ Künstler wahrgenommen – gerade auch in der internationalen Rezeption seiner Arbeiten.
Hinsichtlich der von ihm bevorzugten klassischen druckgrafischen Techniken ging Georg Baselitz eigene Wege. Während in den 1960er-Jahren mit Sieb- und Offsetdruck in hohen Auflagen eine neue Ära in der Reproduktionsgrafik begann, lehnte Baselitz solche Massenvervielfältigungen ab. Stattdessen experimentierte er mit Zustandsdrucken und produzierte kleinere Auflagen, die er bisweilen nach dem Abzug noch individuell bearbeitete. Mit diesem kreativen Beharren hat Baselitz die traditionellen druckgrafischen Techniken für die zeitgenössische Kunst wieder ins Bewusstsein gebracht, sie wesentlich erneuert und dabei zu einer ganz eigenen, unverwechselbaren Bildsprache gefunden – der „Maniera Baselitz“.
Zur Geburtstagsausstellung des Dresdner Kupferstich-Kabinetts erscheint ein umfangreicher Katalog. Dankenswerterweise entschloss sich Georg Baselitz, der sich auch an den Ausstellungsvorbereitungen beteiligt hat, eine Original-Radierung exklusiv für eine limitierte Sonderedition des Katalogs zur Verfügung zu stellen.