Loredana Nemes, Fatih, Kreuzberg, 2009, aus der Serie: beyond, 2008-2010  © Loredana Nemes Loredana Nemes, Fatih, Kreuzberg, 2009, aus der Serie: beyond, 2008-2010 © Loredana Nemes - Mit freundlicher Genehmigung von: berlinischegalerie

Wer: berlinischegalerie

Was: Ausstellung

Wann: 22.06.2018 - 15.10.2018

Loredana Nemes (*1972) traut sich etwas – Zeit für eine Entdeckung. Entdeckungslust und Künstlerinnen haben einen hohen Stellenwert im Programm der Berlinischen Galerie. Schon lange ist Ulrich Domröse, Leiter der Foto- grafischen Sammlung, mit Nemes im Dialog. Das Landesmu- seum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur besitzt bereits 23 Werke der deutschen…
Loredana Nemes (*1972) traut sich etwas – Zeit für eine Entdeckung. Entdeckungslust und Künstlerinnen haben einen hohen Stellenwert im Programm der Berlinischen Galerie. Schon lange ist Ulrich Domröse, Leiter der Foto- grafischen Sammlung, mit Nemes im Dialog. Das Landesmu- seum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur besitzt bereits 23 Werke der deutschen Fotokünstlerin mit rumäni- schen Wurzeln. Mit dieser ersten, großen Einzelausstellung in einem Kunstmuseum geht zugleich ein wichtiger Wunsch von Nemes in Erfüllung. Nachdem sie 2001 von Aachen nach Berlin gezogen war, besuchte sie 2004 erstmalig die Berlinische Galerie und wusste: „Hier will ich ausstellen“.

Zunächst hatte Loredana Nemes Mathematik und Germanis- tik studiert, in Berlin entschied sie sich dann für einen radi- kalen Neuanfang: eine Laufbahn als freie Fotografin. Cartier- Bresson, Friedlander, Sugimoto und Frauke Eigen wurden zu wichtigen Leitfiguren der Autodidaktin. Inzwischen gab es zahlreiche Galerie-Ausstellungen und Publikationen zu Nemes, deren Werke sich bereits in verschiedenen Sammlungen befinden: Folkwang Museum Essen, Deutsches Historisches Museum, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, DZ Bank Kunstsammlung Frankfurt und Cleveland Clinic Art Collection.

Gezeigt werden ab dem 21. Juni 2018 sechs Fotozyklen aus Nemes‘ letzten zehn Schaffensjahren, drei davon wurden gerade erst abgeschlossen und sind damit zum ersten Mal in der Berlinischen Galerie zu erleben: beyond (2008-10, türkische und arabische Männerwelten in Berlin), Blütezeit (2012, Portraitexpe- riment mit Jugendlichen), Der Auftritt (2014, Karneval, Masken, Modelle) - Premieren: Gier (2014- 17, verkeilte Flugkörper), 23197 (2017-18, Permutationen der Angst), Ocna. Eine Annäherung (2017-18, morbid-lustvolle Körperfragmente).

Die Ausstellung umfasst ca. 120 fotografische und poetische Werke – im Zentrum stehen Men- schenportraits, die Poesie und der Surrealismus des Alltags. Loredana Nemes fokussiert schon lange auf soziale und heute hochpolitisch relevante Themen wie Identität und Persönlichkeit. Mit den Stilmitteln der Farb- und Schwarz-Weiß-Fotografie, der Schärfe, Unschärfe und Abstraktion reflektieren ihre Bilder zum Teil auch Unsicherheiten, Unwissen und Ängste der Betrachter*innen.

Nemes‘ Vorteil und Motor sind ihre Erfahrungen aus drei verschiedenen Kulturkreisen: Rumänien, ihr Geburtsland, Iran, ein Zwischenaufenthalt in ihrer Kindheit und die Bundesrepublik. Jeder Neu- anfang im Leben stärkt die Sensibilität, die Offenheit und Neugier. Wo ihr künstlerisches Werk seitdem auftaucht, hinterlässt es „Spuren“.

„So wie die Begegnung enthält auch die Fotografie das Magische, das Unbeschreibbare, das Ein- zigartige. Was gewiss ist, ist unser Bildgedächtnis, aus dem sich vieles speist. Sowohl in der Ent- stehung als auch im Betrachten bedienen wir uns dieses Pools an Bildern, sortieren, variieren und schaffen, wenn möglich, Neues. Wie das geschieht, sollte jedoch unbeschrieben bleiben, denn Worte werden diesem Suchen und Finden auf so vielen Ebenen nicht gerecht.“ (L. Nemes) Ausstellungskurator Ulrich Domröse zu den einzelnen Werkzyklen: Das Thema der Serie Gier (2014-17) ist die ungezügelte Begierde. Anhand von in sich verknäulten Möwenleibern beschreibt Nemes den affektbesetzten Energieausbruch als eine archaische und lebensbejahende Kraft.

Angst ist das Thema der Werkgruppe 23197 (2017-18). Nemes hat Lkws als unscharfe „Portraits“ fotografiert, die seit Neuestem mit terroristischen Gewaltakten assoziiert werden. Ihre Be- drohlichkeit entsteht dadurch, dass sie aus der Perspektive des möglichen Opfers im Augenblick der unmittelbaren Gefahr aufgenommen worden sind.

Die Serie Ocna. Eine Annäherung (2017-18) zeigt verschiedene männliche Körperfragmente, die wie Treibgut auf einer spiegelglatten, beinahe schwarzen Wasseroberfläche zu schwimmen scheinen. Hier wird mit Neugier und Präzision ein Körper untersucht und auf seine Besonderheiten und Lebensspuren hin betrachtet.

beyond (2008-10) ist eine Arbeit über Fremdheit und die Wahrnehmung einer anderen Kultur. Hier ist es die geheimnisvoll erscheinende Männerwelt der türkischen und arabischen Lokale in Berlin. Dokumentarische Bilder vom Äußeren treffen auf unscharfe Portraits aus dem Inneren. Die Serie hat eine hohe Aktualität, da sie etwas über unsere Ängste und Projektionen erzählt.

Mit der Serie Blütezeit (2012) geht es um die aufreibenden und tiefgreifenden Wandlungen in der Adoleszenz. Es sind tableauartige filmisch wirkende Gruppenportraits über Identitätsbildung, Zusam- menhalt und emotionale Beziehungen.

Der Auftritt (2014) entstand am Rande des rheinischen Karnevals. Zu sehen sind Portraits von kos- tümierten Menschen, die so wirken, als könnten sie sich nicht entscheiden, welches Gesicht der Rolle und welches der eigenen Identität entspricht. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog: 128 S., dt./engl., ISBN 978-3-96070-018-0, € 24,80. Ausstellung und Katalog werden unterstützt durch den Förderverein Berlinische Galerie e.V. und die Rudolf Augstein Stiftung.

Tags: Kunstfotografie, Schwarzweißfotografie‎

ÖFFNUNGSZEITENMittwoch–Montag 10:00–18:00 UhrEINTRITTSPREISETageskarte 8 EuroErmäßigt 5 Euro (gilt auch für Gruppen ab 10 Personen)

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