Emil Nolde: Zwei am Meeresstrand, 1903, Nolde Stiftung Seebüll, Öl auf Leinwand, 73,5 x 88,5 cm, Fotocredit: Fotowerkstatt Elke Walford, Hamburg, und Dirk Dunkelberg, Berlin, Fotobesitz: Nolde Stiftung Seebüll © Nolde Stiftung Seebüll Emil Nolde: Zwei am Meeresstrand, 1903, Nolde Stiftung Seebüll, Öl auf Leinwand, 73,5 x 88,5 cm, Fotocredit: Fotowerkstatt Elke Walford, Hamburg, und Dirk Dunkelberg, Berlin, Fotobesitz: Nolde Stiftung Seebüll © Nolde Stiftung Seebüll - Mit freundlicher Genehmigung von: buceriuskunstforum

Was: Ausstellung

Wann: 16.10.2021 - 23.01.2022

Wo liegen die Anfänge des weltbekannten, in seiner Heimat tief verwurzelten und wegen seiner Anhängerschaft zum Nationalsozialismus kritisch zu betrachtenden Künstlers Emil Nolde? Die Ausstellung Nolde und der Nordengeht dieser Frage nach und beleuchtet die weitgehendunerforschtenArbeitendes Künstlers, diein seiner Zeit in Dänemark von 1900 bis 1902entstanden sind. Die…
Wo liegen die Anfänge des weltbekannten, in seiner Heimat tief verwurzelten und wegen seiner Anhängerschaft zum Nationalsozialismus kritisch zu betrachtenden Künstlers Emil Nolde? Die Ausstellung Nolde und der Nordengeht dieser Frage nach und beleuchtet die weitgehendunerforschtenArbeitendes Künstlers, diein seiner Zeit in Dänemark von 1900 bis 1902entstanden sind. Die Schaudeckt Motive und stilistische Elemente auf, die in den darauffolgenden Jahren charakteristisch für Nolde wurden. Erstmals wird der Einfluss der dänischen Künstlerinnen und Künstler auf Noldes Schaffen systematisch aufgezeigt. Rund 80 Werke Noldes stehen25 GemäldendänischerKünstlerinnen und Künstler der Zeit, wie Georg Achen, Anna Ancher, Vilhelm Hammershøi, Carl Holsøe, Peter Ilsted, Viggo Johansen, Peder Severin Krøyer, Julius Paulsen und Laurits Andersen Ring gegenüber.

Vom 16. Oktober 2021 bis 23. Januar 2022 zeigt das Bucerius Kunst Forum in Kooperation mit der Nolde Stiftung Seebüll eine umfangreiche Schaumit Werken Emil Noldes, die größtenteils zwischen 1900 und 1902entstanden sindunddie durch die dänische Kunstder Zeitund durch die Sagenwelt des Nordensinspiriert wurden.Die Ausstellung, die auf einer Idee von Magdalena M. Moeller basiert,weistin der Gegenüberstellung von NoldesWerke mit Arbeitendänischer Künstlerinnen und Künstler Parallelen in Motivik und Stil auf. Sie zeigt, wie prägend diese Werke für Emil Nolde waren und sogar bis in sein Spätwerk hinein Spuren hinterließen.Die dänische Kunst um die Jahrhundertwende war berühmtfür Interieursmit weiblichen Rückenfiguren und seitlich einfallendem Licht, stimmungsvolle Landschaften mit dem besonderen Licht des Nordens und Figurendarstellungen mit symbolistischemGehalt. Nolde griffdiese Motive während seinesAufenthaltsin Dänemark auf. Zudem beeinflussteihndie Sagenwelt Skandinaviens zu frei geschöpften Bildideenin der Welt des Fantastischen. Vor diesem Hintergrund gliedert sich die Ausstellung invier thematische Kapitel:Menschenbilder,Interieur, Landschaft, und Fantastik, die jeweils chronologisch angelegtsind.

Als Emil Nolde im Rahmen der Weltausstellung1900in Paris die von der Presse hoch gelobteund mit Medaillen ausgezeichneteKunst in der dänischen Sektionsah, muss ihn dies nachhaltig beeindruckthaben. Erzog nach Kopenhagenund schloss nach seinem Studiumin sehr renommiertenprivaten Malschulen in München und Paris ein weiteres Studienjahr inder besonders anerkanntenSchule von Kristian Zahrtmann in Kopenhagenim Oktober 1900an. Neben seinemAufenthalt in der Hauptstadt verbrachteer einige Monateauf dem Land:in Rungsted, in Hundested und längere Zeit in Lild Strand. In dieser Zeitlernteer auch seine Frau Ada Vilstrup kennen, die er kurz danachheiratete. Sie spielte eine maßgebliche Rolle in seiner zukünftigen Karriere. In Kopenhagen besuchteNolde zahlreiche Ausstellungen mit Werken dänischer Künstlerinnen und Künstlerund aucheinzelne, bedeutende Maler, namentlichVilhelm Hammershøi und Viggo Johansen,in ihren AteliersoderZuhause. Seine Begegnungen, Ausstellungsbesuche, alte und neue Erkenntnisse förderten seine Experimentierfreudigkeit.So wurdeder Aufenthaltin Dänemark für Nolde eine Zeit des Experimentierens, Ausschöpfensgesammelter Eindrücke undder Beginn seinesIndividualisierungsprozesses.

In der dänischen Kunst waren bereits Anfang des 19. Jahrhunderts Interieurszenen ein auffällig häufiges Bildmotiv. Hammershøi, als einer der bekanntesten dänischen Künstler der Zeit, war insbesondere für diese Motiveberühmt. Auch Viggo Johansens,Anna Ancher, Joakim Skovgaard, Georg Achen, Peter Ilstedund Carl Holsøe griffen dieses Themaauf.Nolde widmete sich dem Sujet erstmals in seiner Zeit in Lild Strand.In Skagen, einemFischerdorf, das sich zur Künstlerkolonie skandinavischer Künstlerinnen und Künstlerentwickelte, die am Aufbruch in die dänische Moderne mitwirkten, entsteht ein ähnlicher Umgang in der Darstellung der Interieurs. Dieser lässt sich auch in Noldes Werk beobachten:eine weibliche Figur als zentrales Motiv in Rückenansicht, ein seitlicher Lichteinfall und eineAtmosphäre, die auf das psychologische Befinden der Figur hinweist.

In den Landschaftsbildern der skandinavischen Künstlerinnenund Künstlern dieser Zeit spielt das nordische Licht eine herausgehobeneRolle. Eineblaue Tonalität erzeugt eine romantische oder gar mystische Stimmung und intensiviert die Bildaussage. Dies lässt sich beispielsweise auch in Noldes Gemälde „Zwei am Meeresstrand“ erkennen. Nolde malteinDänemark erstmals Meeresbilder, dieals „Samenkorn“ für sein Gesamtœuvre gesehen werden.Zudem ist eineSymbiose zwischen Natur und Mensch in der Formgebung und Farbigkeitin einigen seinerWerke zu erkennen.Es treten die realen Bezüge in den Hintergrund und Formen und Farben ordnen sich demGesamtgefügeunter. Sie machen einer größeren Offenheit Platz, diein den Folgejahren wichtigerBestandteil von Noldes Werken wird. Auch seineHinwendung zu intensiven, leuchtenden Farben und sein großes Interesse an den Lichtverhältnissen wird hier bereitssichtbar. Ein Grund für dieInspirationNoldesdurchKopenhagen mag auch in seiner dänisch-deutsch Prägungliegen, da er im Grenzgebiet zu Dänemark aufwuchs. Mit sämtlichen dänischen Künstlerinnenund Künstlerndieser Periode verbindet Nolde die tiefe Verwurzelung in der eigenen Heimat.Diese Verbundenheitzwischen Menschenund Umgebung, die einer geographischenund kulturellen Region zuzuordnen ist,stelltauch eine Parallele zur nationalromantischen Kunst der skandinavischen Länder und Island dar.

Bekannt für seine farbgewaltigen Landschaften und Blumenbilder, sah Nolde sich selbst als Figurenmaler:„Die Menschen sind meine Bilder. Lachet, jubelt, weinet, oder seid glücklich. Ihr seid meine Bilder, und der Klang Eurer Stimme, das Wesen Eurer Charaktere in aller Verschiedenheit, Ihr seid dem Maler Farben.“Auch in der Darstellung der Menschen findet Nolde Anregung in der Kunst der nordischen Malerinnen und Maler.

Im Bereich der Fantastik zeigt die Ausstellung, wiedie Sagenwelt des Nordens mit Wikingern, Kriegern und Königen Nolde schon früh und immer wieder als Quelle der Inspiration diente und ihn zu fantastischen Figurenbildern anregte. In Dänemark schuf er mit Vor Sonnenaufgangzwei frei erfundene, wurmartige Flugwesen und mit einer umfangreichen Werkgruppe zum Thema Räuber, Figuren, die in seiner Darstellung der Märchenwelt zugeordnet werden können. 1904, 1911/12, 1922 und ab den 1930er Jahren greift Nolde den Motivkreis erneut auf mit Werken wie Begegnung I(1904), Wiking (Halbfigur)(1912) und Gaut der Rote(1938).

Noldes Rolle im Nationalsozialismus wurde 2019 in der Ausstellung Emil Nolde –Eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismusin Berlin auf der Grundlage einer umfangreichen Recherchethematisiert. Die Ausstellung im Bucerius Kunst Forum konzentriert sich nun aufdie weitgehend unerforschten Arbeiten Noldesim Zeitraum von 1900 bis 1902. Vor diesem Hintergrundwird in der Ausstellungmit der Spannung zwischen künstlerischem Werk und politischer Gesinnung umgegangenund diehistorischenErkenntnisse werden offen dargelegt, wenn sie sich inhaltlich ergeben. Zu Noldes Verhalten im Nationalsozialismus sei hier auf die im Rahmen der Berliner Ausstellung überarbeiteten Biografie des Künstlers der Nolde Stiftung Seebüllhingewiesen.

Parallel zur Ausstellung im Bucerius Kunst Forum präsentiert die Hamburger Kunsthalle vom 16. Oktober 2021 bis 18. April 2022 mit der Studioausstellung »Meistens grundiere ich mit Kreide...« Emil Noldes MaltechnikErgebnisse eines interdisziplinären Forschungsprojektes, das die Arbeitsweise und Materialien des Künstlers erforscht.

Zudem werden vom 15. Oktober bis 5. November 2021 dreizehn ausgewählte Werke auf dem Jungfernstieg in City Light Postern erleuchten und das Licht und die Farbe des Nordens in der dunklen Jahreszeit ins Zentrum Hamburgs bringen.

Zur Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag ein umfangreicher Katalog mit Beiträgen von Astrid Becker, Sören Groß, Annika Landmann und Magdalena M. Moeller (ca. 220 Seiten mit farbigen Abbildungen der ausgestellten Werke, 29,90 Euro in der Ausstellung).

Tags: Emil Nolde, Grafik, Malerei

Öffnungszeitentäglich von 11 bis 19 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr geöffnet mehr EintrittspreiseNormal: 8,– €Ermäßigt: 5,– €Montags Einheitspreis: 5,– €Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren: Eintritt frei mehr