Vom 6. Juni bis 7. September 2025 widmet das Kunsthaus Zürich Suzanne Duchamp die erste umfassende Retrospektive. Ihre Verschränkungenpoetischer Bildtitel wie «Fabrik meiner Gedanken» mit grafisch einprägsamen und dennoch minimalistischen Kompositionen habenKunstgeschichte geschrieben und inspirieren bis heute. Trotz ihrer Zugehörigkeit zu einer der bekanntesten Künstlerfamilien ist ihr Werk bisher einer breiten Öffentlichkeit weitgehend verborgen geblieben. Die Ausstellung mit aussergewöhnlichen Leihgaben aus renommierten und privaten Sammlungen rückt Duchamp nun ins verdiente Rampenlicht.Die Dadaistin und Malerin Suzanne Duchamp (1889, Blainville-Crevon – 1963, Neuilly-sur-Seine) hinterliess ein vielfältiges Werk, das sich in namhaften Sammlungen findet, aber vor allem unter Kennerinnen und Kennern geschätzt wird. Sie war damals eng mit den Avantgardebewegungen ihrer Zeit verbunden und prägte die Kunstgeschichte mit eigenen Ansätzen. Als Schwester von Marcel Duchamp, Raymond Duchamp-Villon und Jacques Villon war sie in engem Austausch mit ihren Brüdern. 1919 heiratete sie den Schweizer Künstler Jean Crotti, mit dem sie bis zu dessen Tod immer wieder kooperierte und von dem dasKunsthaus Zürich Schlüsselwerke besitzt. Die letzte bedeutende Ausstellung zu beiden fand 1983 im Centre Pompidou in Paris in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Bern statt – höchste Zeit also, Suzanne Duchamps Schaffen in neuer Tiefe zu würdigen. Ihre Bildsprache ist subtil, humorvoll und ästhetisch, eine aussergewöhnliche Kombination im Dadaismus. Wo, wenn nicht in der Dada-Stadt Zürich, sollte dieser Ausnahmekünstlerin nun die ihr gebührende Aufmerksamkeit zuteilwerden.
SOWOHL ABSTRAKT ALS AUCH FIGURATIVDuchamp erkundete in ihrer Kunst vielfältige Wege. Zunächst untersuchte sie in Paris als Teil der kubistischen Bewegung die Fragmentierung von häuslichen Interieurs und Stadtlandschaften, bevor sie sich dem Dadaismus zuwandte. Ihre Werke verbinden Malerei mit Poesie und experimentieren mit unterschiedlichen Medien und Materialien. Während sie ihre Malerei in den 1910er-Jahren zunehmend in Richtung Abstraktion entwickelte, blieb sie stets visuellen Bezugspunkten treu, die sie durch geheimnisvolle Titel verstärkte. 1922 vollzog sie aus unbekannten Gründen einen unerwarteten Bruch mit Dada und wandte sich einer figurativen Malerei mit oftmals ironischen Untertönen zu. In den folgenden Jahrzehnten schuf sie Werke mit einem breiten Motivspektrum, die einen experimentellen Umgang mit Pigmenten und Zeichnung als strukturgebendem Element erkennen lassen. 1949 beschrieb ihre Freundin Katherine S. Dreier sie als «halb abstrakte Malerin» – eine treffende Beschreibung für ein Werk, das sich keiner kunsthistorischen Konvention unterordnet.
AUSSTELLUNG MIT NEUSTEN FORSCHUNGSERGEBNISSENDie Retrospektive vereint Duchamps Dada-Werke mit ihren früheren und späteren Schaffensphasen. Gastkuratorin Talia Kwartler hat sich sieben Jahre intensiv mit Duchamp befasst und zu dieser Künstlerin am University CollegeLondon promoviert. 2024 erhielt sie einen Lehrauftrag an der Universität Zürich zum Thema Frauen in der Dada-Bewegung. Ihr Engagement ermöglichte es, die geplante Präsentation gemeinsam mit Kunsthaus-Kuratorin Cathérine Hug zu einer einzigartigen, erstmals dieser Künstlerin gewidmeten Retrospektiveauszubauen. Mit rund 50 Gemälden, 20 Arbeiten auf Papier sowie seltenen Archivalien und Vintage-Fotografien präsentiert die Ausstellung ein breites Spektrum von Duchamps Werk. Zahlreiche Arbeiten wurden erst durch intensive Recherchen wiederentdeckt. Zu den Leihgeberinnen und Leihgebern gehören Institutionen wie das MoMA in New York, das Philadelphia Museum, das Art Institute in Chicago, das Centre Pompidou in Paris, die Bibliothèque nationale de France und die Bibliothèque Littéraire Jacques Doucet in Paris, das Musée des Beaux-Arts in Rouen sowie wichtige Privatsammlungen wie die Bluff Collectionund die Collection Francis M. Naumann and Marie T. Keller. Die Retrospektive entstand in enger Zusammenarbeit mit der Association Duchamp Villon Crotti.
Unterstützt durch UNIQA Kunstversicherung Schweiz und Albers & Co AG.Diese Retrospektive ist eine Kooperation mit der Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main, wo sie von Ingrid Pfeiffer kuratiert wird.
PUBLIKATIONBegleitend erscheint die erste umfassende Monografie zu Suzanne Duchamp mit zahlreichen Abbildungen. Neben einer detaillierten Biografie von Herausgeberin Talia Kwartler umfasst der Band Beiträge von Kunsthistorikerinnen wie Carole Boulbès, Cathérine Hug und Effi Rentzou sowie künstlerische Perspektiven von Jean-Jacques Lebel (Interview) und Amy Silman (Bildbeitrag). Bestsellerautorin Anne Berest steuert ein Nachwort bei. Die 184-seitige Publikation erscheint im Verlag Hatje Cantz in Berlin.