Figur einer schwangeren Frau Kran (339 KB) Liberia, vor 1936 Holz, H6 8,5 cm Museum für Völkerkunde Wien © KHM mit ÖTM und MVK Figur einer schwangeren Frau Kran (339 KB) Liberia, vor 1936 Holz, H6 8,5 cm Museum für Völkerkunde Wien © KHM mit ÖTM und MVK - Mit freundlicher Genehmigung von: khm

Was: Ausstellung

Wann: 16.11.2011 - 19.03.2012

Etta Becker-Donner (1911 -1975) war von 1955 bis 1975 Direktorin des Wiener Museums für Völkerkunde. Als erste (und lange Zeit einzige) Direktorin eines Bundesmuseums war sie eine markante Figur in der österreichischen und internationalen Museumslandschaft und hat auf besondere Weise den Wiederaufbau und die Neuausrichtung des Museums für Völkerkunde nach den Kriegsjahren…
Etta Becker-Donner (1911 -1975) war von 1955 bis 1975 Direktorin des Wiener Museums für Völkerkunde. Als erste (und lange Zeit einzige) Direktorin eines Bundesmuseums war sie eine markante Figur in der österreichischen und internationalen Museumslandschaft und hat auf besondere Weise den Wiederaufbau und die Neuausrichtung des Museums für Völkerkunde nach den Kriegsjahren geprägt. Ihre Weichenstellungen wirken bis heute nach.

Mitte der dreißiger Jahre wurde Becker-Donner als junge Frau zu einer bekannten Persönlichkeit in der österreichischen Öffentlichkeit, nachdem sie 1934 mit 22 Jahren zu ihrer ersten Liberia-Expedition aufgebrochen war. Sie führte über eineinhalb Jahre linguistische und ethnographische Forschungen im Nordosten Liberias durch und kehrte 1936 für acht Monate nochmals dorthin zurück. 1938 wurde sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Museum für Völkerkunde angestellt und war bis 1947 für die Afrika- Sammlung zuständig. Dann folgte sie für zwei Jahre ihrem Mann nach Südamerika und kehrte 1949 nach dessen tragischem Tod an das Museum zurück, wo sie nun als Kuratorin die Mittel- und Südamerika-Sammlungen betreute.

Mitte der fünfziger Jahre (1954 und 1956) führte Becker-Donner zwei Feldforschungen in Nord-Brasilien, dem Rondônia-Gebiet, durch. Sie war die erste Anthropologin, die in Kontakt mit den Warí (bei ihr „Pacaas Novos“) trat, eine Begegnung, die sie auch filmisch dokumentierte. Auf beiden Reise führte sie ethnographische und linguistische Studien durch und legte Sammlungen für das Museum für Völkerkunde an. Des Weiteren befasste sie sich mit archäologischen Fragestellungen, führte stichprobenartig erste Grabungen durch und sammelte Oberflächenfunde.

1955 wurde sie zur Leiterin des Museums für Völkerkunde in Wien bestellt. Als Direktorin legte sie den Grundstein für die heutige Struktur des Museums. Es gelang ihr, die Zahl der wissenschaftlichen Kuratoren zu erhöhen, die Werkstätten auszubauen, eine Abteilung für Konservierung zu schaffen und das Museum mit damals modernen Medien auszustatten. Sie unterstützte Forschungsprojekte der Kuratoren und animierte Sammlungen im Feld. Durch ihren Einsatz für das Haus konnte sie auch räumliche Erweiterungen durchsetzen und die sogenannten Burggartensäle als Bereich für Sonderausstellungen dazugewinnen.

Auch während ihrer Zeit als Direktorin führte sie selbst Feldforschungen durch, nun vor allem in Guatemala und Costa Rica. Von all ihren Reisen brachte sie umfangreiche Sammlungen für das Museum mit. Unter ihrem Namen listet das Museum 2.884 Inventarnummern, insgesamt konnte es unter ihrer zwanzigjährigen Direktion einen Sammlungszuwachs von 24.000 Objekten verzeichnen.

Einen besonderen Stellenwert nahm in den 1960er/70er Jahren ihr Interesse für die sogenannte „Volkskunst“ aus Lateinamerika ein. Auf ihren Forschungsreisen trug sie selbst umfangreiche Zeugnisse der Populärkultur zusammen. Dem Thema widmete sie eine große Ausstellung, eines der ersten Projekte, die diese bis dahin von den Museen und der Forschung vernachlässigten kulturellen Erscheinungen in den Blickpunkt rückten. „Wir wollen mit unserer Ausstellung Lateinamerika klarmachen, daß es Schätze besitzt, die geschützt werden müssen, und daß sich die Mühe lohnt, volkskundliche Grundlagen zu erarbeiten.“-- „Das Ganze ist als eine Art psychologische Entwicklungshilfeaktion aufzufassen.“ (Becker-Donner 1972). Ihr ethnographisches Interesse in der Region verband sie mit gesellschaftspolitischem Engagement und unterstütze mehrere Projekte der Entwicklungszusammenarbeit sowie die Gründung einer Schule in Guatemala. Auf ihre Initiative erfolgte 1965 die Gründung des Österreichischen Lateinamerikainstituts, das sie lange auch als Präsidentin leitete.

Etta Becker-Donner war Zeit ihres Lebens eine bekannte Persönlichkeit. Als Feldforscherin, Wissenschaftlerin und Museumsdirektorin gelang es ihr hervorragend die Medien zu begeistern, die ihr Wirken gerne unter dem Überbegriff „Abenteuer“ beschrieben. „Die Frau, die sich nun mit Militärflugzeugen der brasilianischen Regierung, ohne einen einzigen Begleiter aus ihrer Heimat in den Urwald wagen will, sieht keineswegs robust- männlich aus und noch viel weniger blaustrümpfig. Sie geht die schwierige und gefahrvolle Sache vielmehr frisch dauergewellt und mit sorgfältig abgestimmtem Lippenrot an.“ („Die Frau, von der man spricht: Dr. Etta Becker-Donner“, Neue Wiener Tageszeitung 13.5.1954.)

Ihre Darstellung als heroische Pionierin, die einerseits im „wilden exotischen Urwald“ überlebte und sich später in der männlich dominierten Wissenschafts- und Museumswelt durchsetzte, konstruierte in der Öffentlichkeit ein Bild von ihr, das zu ihrer eigenen Bekanntheit, aber auch zu jener des Museums und des Faches der Ethnologie in Österreich beitrug. Auf der anderen Seite warf dieses Image der Abenteurerin einen Schatten auf ihre wissenschaftlichen und musealen Errungenschaften, die bisher kaum gewürdigt wurden.

Die Ausstellung findet anlässlich des 100-jährigen Jahrtags des Geburtstags von Etta Becker-Donner statt und rückt eine prägnante Auswahl ihrer Sammlungen aus Liberia, Brasilien und Mittelamerika aus den Beständen des Museums für Völkerkunde ins Zentrum. Der zur Ausstellung erscheinende Katalog gibt zum ersten Mal einen Überblick über das Lebenswerk dieser beeindruckenden Frau und stellt es in einen zeitgenössischen Kontext.

In der gezeigten Auswahl bestechen die Masken und Figuren der Dan aus Liberia durch ihre ästhetische Ausdruckskraft. Die Alltagsgegenstände der Warí aus Brasilien stellen heute faszinierende historische Zeugnisse des Erstkontaktes dar, die sowohl für die heutige Forschung als auch für die Warí selber einen hohen Stellenwert einnehmen. Die Beispiele aus dem Bereich der lateinamerikanischen Volkskunst begeistern durch ihre Lebendigkeit, ihre Spiritualität und ihre Verbundenheit mit der lokalen Festkultur.

16. November 2011 bis19. März 2012 Museum für Völkerkunde, Wien Kuratoren: Claudia Augustat, Barbara Plankensteiner, Gerard van Bussel

Fronleichnams-Tänzer, Pujulí (543 KB) Prov. Cotopaxi, Ecuador, vor 1972, Keramik, bemalt, Federn © KHM mit ÖTM und MVK Fronleichnams-Tänzer, Pujulí (543 KB) Prov. Cotopaxi, Ecuador, vor 1972, Keramik, bemalt, Federn © KHM mit ÖTM und MVK - Mit freundlicher Genehmigung von: khm / Kunsthistorisches Museum
Tags: Afrika, Etta Becker-Donner, Kunstgeschichte, Lateinamerika, Völkerkunde